Bewahrung unseres digitalen Spieleerbes

Die Gründung der weltweit größten Computerspielesammlung

Beiden Problemen wird durch die voranschreitende Institutionalisierung der Games-Bewahrung begegnet. Diese verbindet die jahrhundertealte Expertise der Bibliotheken, Informationen in großen Kontexten mit der Nachhaltigkeit eines soliden und von Personen unabhängigen Fundamentes zu verknüpfen. Zwar ist diese Betriebsweise auf den ersten Blick schwerfälliger und kostenintensiver als eine Bewahrung durch Fans, doch werden diese Nachteile langfristig durch die bessere und solidere Gewährung von Zugang zu diesem Teil unseres kulturellen Erbes mehr als wettgemacht.

 

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass auch die Bedarfslage sich ändert. Waren es anfangs vor allem nostalgische Gründe, warum die Games-Historie bewahrt wurde, treten an deren Stelle zunehmend gesellschaftliche Motive. Haben wir doch mittlerweile allein in Deutschland dutzende von akademischen Ausbildungen, die wesentlich auf der Geschichte der digitalen Spiele fußen. Neben soziologischen, physiologischen und philosophischen Forschungen geht es dabei oft auch um die Ausbildung neuer Gamedesigner und -programmierer – und damit um Innovationsfähigkeit. Und so wenig man sich eine Ausbildung von Filmregisseuren ohne den Zugang zum filmischen Kulturerbe vorstellen kann, ist es möglich, die gegenwärtigen Ausbildungskontexte rund um Games ohne einen geregelten Zugang zur Games-Geschichte dauerhaft zu betreiben.

 

Gerade in Zeiten rasanter gesellschaftlicher Umwälzungen, wie wir sie heute durch die Durchdringung unserer Welt mit den digitalen Technologien erleben, ist eine kulturelle Selbstvergewisserung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Fähigkeit, die Gesellschaft weiterzuentwickeln, essentiell. Die Internationale Computerspielesammlung wird dazu eine wesentliche Grundlage darstellen, indem sie jetzt und für zukünftige Generationen einen geregelten, verlässlichen und niedrigschwelligen Zugriff auf die Kulturgüter sicherstellt, in denen sich von Beginn der Digitalisierung an unsere kulturellen Traditionen mit den neuen Technologien gekreuzt haben.

 

Da wir bei diesem Prozess erst am Anfang stehen, wird sich die Internationale Computerspielesammlung damit auch zu einem Kompetenzzentrum rund um die Frage entwickeln, wie wir auch zukünftig Kultur praktizieren und vermitteln können. Erleben wir doch im Zuge der Digitalisierung eine grundlegende Veränderung unseres abendländischen Kulturbegriffes, weg von einem Werkbegriff hin zum Verständnis von Kultur als einem Prozess mit hohem partizipativen Anteil. Da wir uns von einer Zeit, in der die Spiele auf materiellen Datenträgern gespeichert wurden in eine Zeit hineinbewegen, in der sie über ein Login als Service nur mehr gestreamt werden, stellt diese kulturelle Zeitenwende für die Internationale Computerspielesammlung eine ganz konkrete Herausforderung dar. Auch stellen Multiplayer Online Spiele, die in ihrer Bedeutung permanent zunehmen, ein prototypisches Beispiel für eine hoch partizipative Kultur auf digitaler Basis dar. Insofern wird zukünftig auch zunehmend die Frage im Mittelpunkt stehen, vor welche Schwierigkeiten die Bewahrung und Vermittlung dieser im Kern sozia­len Prozesse uns stellt und welche Chancen sie uns bietet.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2017.

Andreas Lange
Andreas Lange ist Direktor des Computerspielemuseums in Berlin.
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