Das Schulfach Musik

Musikpraxis
Ein besonders wichtiger Bereich des Musikunterrichts ist die regelmäßige Einbeziehung des praktischen Umgangs mit musikalischen Phänomenen. An primärer Stelle ist das Singen in allen Klassenstufen unverzichtbar. Der bewusste Umgang mit der eigenen Stimme schafft Nähe und baut Brücken. Das verfügbare Repertoire umfasst deutsche und internationale Lieder, einstimmig und mehrstimmig, traditionelle und populäre Kategorien. Eigene rhythmische Begleitungen (Klatschen, Stampfen, Body-Percussion, Rhythmusinstrumente) und die Hinzunahme einfacher instrumentaler Stimmen (Orff-Instrumente, Klavier, beliebige Instrumente) erhöhen den Ausdruckswert durch eigene Gestaltungsvarianten.

 

Seit vielen Jahren verbreitet und beliebt ist das Klassenmusizieren mit Streich- oder Blasinstrumenten, vereinzelt auch mit Keyboards. Dieses musikpraktische Angebot wird i.d.R. in der Erprobungsstufe (Jahrgang 5 und 6) durchgeführt und findet an Stelle des regulären Musikunterrichts statt. Ein Vorteil dieses musikpraktischen Unterrichts ist die Möglichkeit, schon früh ein Instrument zu erlernen und das Zusammenspiel in der Gruppe zu pflegen. Ensemblespiel macht Schülerinnen und Schülern viel Spaß und die intensive Beschäftigung mit Musik ganz unterschiedlicher Stilrichtungen bewirkt, dass die eigene Lebenswelt immer wieder neu erfahren wird. Ein Nachteil ist, dass die anderen wichtigen Aspekte des regulären Musikunterrichts (s.o.) in dieser Zeit entweder überhaupt nicht oder nur am Rande behandelt werden können.

 

Schließlich werden an vielen Schulen in Deutschland Musik-Arbeitsgemeinschaften angeboten, die allerdings selten in den normalen Unterrichtsablauf integriert werden können, sondern wegen des Prinzips klassenübergreifender Organisation außerhalb der allgemeinen Schulzeit stattfinden müssen. In Chören, Instrumentalensembles, Bands, Musical-AGs und AGs für Neue Musik können interessierte Schülerinnen und Schüler ihr musikalisches Hobby je nach Zeit und Lust pflegen. Ein nicht unerheblicher Eingriff in die vielfältige AG-Landschaft erfolgte durch die Umstellung auf die 8-jährige Schulzeit. Wenn der reguläre Unterricht bis in den späten Nachmittag stattfindet, besteht einerseits kaum zeitlicher Spielraum für AG-Angebote, andererseits nehmen nicht mehr so viele Interessenten daran teil, da sie dann noch weniger Zeit für ihre privaten Aktivitäten haben, wozu nicht selten auch der Sport gehört. Um die entstandenen Probleme zu lösen und die Musik-AGs zu retten, müssen neue Wege gesucht und gefunden werden. Die Einführung von Projekttagen an Wochenenden hat sich mancherorts bereits bewährt.

 

Fachlehrer Musik – fachfremder Unterricht
Seit Jahrzehnten besteht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Musiklehrerinnen und Musiklehrern in der Grundschule. Der Unterricht wird mit bis zu 80% fachfremd erteilt. Dabei wäre es gerade in diesem Kindesalter besonders wichtig, einen qualifizierten Musikunterricht zu erhalten, werden doch in dieser Zeit wichtige Weichen in der Persönlichkeitsentwicklung gestellt. In den Studiengängen hilft man sich z.T. mit dem Zusammenlegen von künstlerisch-musischen Fächern, was aber an der Mangelsituation nichts ändert, da die Studentinnen und Studenten in keinem der betroffenen Fächer eine solide und grundständige Ausbildung erhalten.

 

Die Situation in den weiterführenden Schulen ist sehr unterschiedlich, verlässliche Zahlen sind nicht mehr aktuell, wenn sie veröffentlicht werden. Auf diese Weise ist ein aktueller Bedarf schwer zu ermitteln. Viele Faktoren sind verantwortlich für die uneinheitliche Lehrerversorgung: Pensionierungen führen oft zu Engpässen, die teilweise erst nach einigen Jahren durch Neueinstellungen ausgeglichen werden können. Auch Standortfragen spielen keine unerhebliche Rolle (Schulen in attraktiven Großstädten können wegen besserer Infrastruktur leichter versorgt werden). Schulen mit musischem Schwerpunkt werden von jungen Lehrerinnen und Lehrern bevorzugt ausgewählt, da sie hier bessere Chancen für eine vielseitige musikalische Betätigung sehen.

 

Um den Fachlehrermangel zu lindern, sind schon viele Versuche unternommen worden. So wurden Weiterbildungsmaßnahmen für Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer sowie Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker angeboten, die sich jedoch alle als wenig geeignet darstellten, die solide und vielseitige pädagogische und künstlerische Ausbildung der Schulmusikerinnen und Schulmusiker auch nur annähernd zu erreichen. Die bessere Alternative ist: in den Schulen und Musikschulen früh anzufangen, junge Menschen für den Musiklehrerberuf zu begeistern. Die Hochschulen und Universitäten bieten eine attraktive Ausbildung auf hohem Niveau, das ist eine hervorragende Voraussetzung für einen guten Start in ein sicheres Berufsfeld.

 

Zukünftige Anforderungen an das Schulfach Musik
Die Schullandschaft unterliegt einem ständigen Wandel durch immer wieder neue Verordnungen und Bestimmungen. Da ist das Unterrichtsfach Musik genauso betroffen wie alle anderen Fachbereiche. Die gültigen Rahmenrichtlinien sind so angelegt, dass sie nur einen relativ beschränkten Anteil an obligatorischen Inhalten festlegen. Das bedeutet, dass die Musiklehrerinnen und Musiklehrer für einen Teil ihres Unterrichts zwar die allgemeinen Richtlinien beachten müssen, aber bei der Wahl weiterer Inhalte eigene Vorlieben einbringen können. Außerdem bleibt ausreichend Freiraum, um auf aktuelle Beispiele der Musik und auf spezielle Wünsche der Schülerinnen und Schüler einzugehen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im November 2013.

Georg Kindt
Georg Kindt ist Bundesvorsitzender des Verbandes Deutscher Schulmusiker.
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