Digitale Angebote und Lernplattformen für ältere Menschen

1959, als ich Schülerin einer Zwergschule in der Eifel war, in der mein Vater bis zu 60 Kinder vom 1. bis zum 8. Schuljahr in einem Raum unterrichtete, gehörten Sprichwörter wie „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ noch zum alltäglichen Sprachschatz. Als 62-Jährige freue ich mich, dass es so nicht stimmt.

 

Selbstverständlich ist es sinnvoll, die besondere Plastizität des Gehirns kleiner Kinder, ihre unbändige Wissbegier und ihre Lernfreude zu nutzen. Und es bezweifelt niemand, dass es für Kinder und ihre Entwicklung wichtig ist, bereits in den ersten Lebensjahren nicht nur kognitive Kompetenzen, sondern auch soziale Fähigkeiten zu erwerben. Aber es ist gut zu wissen, dass die Fähigkeit, sich neues Wissen anzueignen, nicht auf Kindheit und Jugend begrenzt ist. Dies haben zahlreiche Untersuchungen, insbesondere der Gerontologie und der Geragogik, eindeutig nachgewiesen und viele wissensdurstige und bildungshungrige ältere Menschen bestätigen es.

 

Lebenslanges Lernen
In einer Gesellschaft des langen Lebens, die außerdem durch eine rasante Entwicklung – nicht nur in technologischer Hinsicht – gekennzeichnet ist, hat das Lernen eine große Bedeutung. Wollen Menschen auch im Alter möglichst selbstständig leben und gesellschaftlich integriert sein, dann ist das lebenslange Lernen ein Muss. Aber Lernen, sich bilden ist viel mehr: Es trägt zum gesundheitlichen Wohlbefinden bei – für die meisten besonders dann, wenn sie nicht nur im stillen Kämmerlein „büffeln“, sondern gemeinsam mit anderen, die ebenso wissbegierig sind.

 

In den letzten Jahren haben sich für das gemeinsame Lernen – wenn auch nicht an einem Ort – zahlreiche neue Möglichkeiten ergeben, die zunehmend von älteren Menschen genutzt werden. Allerdings ist die Gruppe der über 70-Jährigen, was die Internetnutzung angeht, noch deutlich unterrepräsentiert. Um denjenigen, die dem Internet durchaus positiv gegenüber stehen und auch seine Chancen sehen, Ängste zu nehmen und den Einstieg zu erleichtern, hat die BAGSO mit Unterstützung des Bundesverbraucherministeriums den „Wegweiser durch die digitale Welt“ herausgegeben, der seit 2007 eine ungebrochen große Nachfrage erlebt.

 

Projekte wie die „Senioren Technik Botschafter – Wissensvermittlung von Älteren an Ältere zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien“ und die „Sprechstunde Internet“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros zielen in die gleiche Richtung, das heißt, sie vermitteln die Kompetenz, das Internet sinnvoll, kritisch und sicher zu nutzen.

 

Studien zeigen, dass ältere Menschen das Internet an erster Stelle nutzen, um über E-Mails Kontakte zu ihrer Familie, ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zu pflegen, gefolgt von der Suche nach Informationen, um etwas über bestimmte Krankheitsbilder und Therapien zu erfahren,

Reisevorbereitungen zu treffen, aktuelle Nachrichten zu lesen oder im virtuellen Lexikon etwas nachzuschlagen. Darüber hinaus besuchen sie spezielle Plattformen, die der Unterhaltung, Information und dem Austausch mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten dienen. So hat feierabend.de, der Online-Dienst für Seniorinnen und Senioren, eine stetig wachsende Fan-Gemeinde. Interessant ist, dass bereits nach kurzer Zeit bei vielen Mitgliedern der Wunsch auftauchte, die virtuellen Kontakte dahin gehend zu erweitern, dass man sich in der realen Welt trifft, um gemeinsam etwas zu unternehmen. So sind inzwischen bundesweit 112 Regionalgruppen entstanden.

 

Insbesondere älteren Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder die in kleineren Orten leben, in denen es zum Beispiel keine Bibliothek, aber auch keine Seniorenberatungsstelle gibt, bietet das Internet hervorragende Möglichkeiten, sich zu informieren. Sie können in Vorbereitung einer Reise einen virtuellen Rundgang durch ein Museum machen, sich auf der Internetseite der Städte, die auf dem Reiseplan stehen, schon im Vorfeld Fahrpläne der Bahnen und Busse herunterladen. Es ermöglicht aber auch, Genaues über die Leistungen der Pflegeversicherung zu erfahren, ausfindig zu machen, welche Beratungs- und Entlastungsangebote es gibt, und sich mit Problemen, die sich aus der Pflege von Angehörigen ergeben, an ein geschultes Team zu wenden, von dem man innerhalb von 24 Stunden per E-Mail eine Antwort erhält.

 

Insofern sind diese Internetseiten, die den Menschen wichtige Informationen bieten, auch Lernplattformen. Es gibt jedoch auch solche, die nicht nur Auskünfte erteilen, sondern darüber hinaus Raum geben zum Austausch über das, was man erfahren, gelesen, gelernt hat. Das sind zum Beispiel Ringvorlesungen, die den Hörsaal sozusagen ins Wohnzimmer bringen, in die man sich einklicken, zu denen man Fragen stellen und über die man diskutieren kann. Sind diese Nutzungsformen zurzeit noch eher auf diejenigen begrenzt, die in einen Zirkel besonders interneterfahrener Seniorinnen und Senioren eingebunden sind, so wird sich das in den nächsten Jahren mit der Generation der Älteren, die PC und Internet bereits intensiv im Beruf genutzt haben, ändern.

Ursula Lenz
Ursula Lenz ist Pressereferentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO).
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