Und weiter geht’s

Ferenc Csák über die nächsten Schritte bei Chemnitz 2025

Chemnitz wird Europäische Kulturhauptstadt 2025. So hat es die europäische Jury entschieden und nochmals bestätigt, nachdem im vergangenen Dezember Kritik an der Titelvergabe und an personellen Verflechtungen beteiligter Jury-Mitglieder laut wurde. Wie geht es in Chemnitz nun weiter? Was sind die nächsten organisatorischen Schritte? Und wirft der Vorwurf jetzt einen Schatten auf Chemnitz 2025? Ferenc Csák ist Kulturbetriebsleiter der Stadt Chemnitz und Leiter der Chemnitzer Bewerbung um den Titel Europäische Kulturhauptstadt. 2015 kam er nach Chemnitz. Zuvor hatte er aus politischen Gründen die Generaldirektion der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest niedergelegt. Ferenc Csák war von 2006 bis 2010 Staatssekretär für Kultur im Ministerium für Bildung und Kultur in Ungarn und in dieser Funktion Regierungsbeauftragter für die Kulturhauptstadt Europas 2010 in Pécs.

 

Sven Scherz-Schade: Herr Csák, in den schwierigen Corona-Zeiten sind auch planerische Vorbereitungen sicherlich nicht ganz einfach. Gibt es für Chemnitz 2025 denn aktuell einen Fahrplan, was jetzt 2021 zu tun ist?

Ferenc Csák: Die Jury hat im November 2020 ihren Bericht veröffentlicht. Dort steht in einem ersten Teil die Begründung für ihre Entscheidung. In einem zweiten Teil werden dort Empfehlungen ausgesprochen, die eine doch recht klare Erwartungshaltung festlegen, was wir zu tun haben. Das wiederum muss sich in insgesamt drei Monitoring-Berichten manifestieren. Den ersten Monitoring-Bericht müssen wir im Oktober 2021 abgeben, den zweiten im Sommer 2023 und den dritten im Herbst 2024. Für dieses Jahr sind die aktuellen Aufgaben, die Managementstrukturen für die Kulturhauptstadt zu etablieren, die Förderung vonseiten des Bundes und des Landes, analog zu der im Bidbook dargestellten Finanzplanung zu sichern, und gleichzeitig die Strukturen in der Region zu festigen. Darüber hinaus müssen auch die großen Flagship-Projekte, also die großen Programmlinien, in ersten Schritten vorbereitet werden.

 

Festigung der Managementstrukturen meint sicherlich, dass man eine Rechtsform finden muss, unter der Chemnitz 2025 zukünftig handelt?

Wir werden eine GmbH gründen, vermutlich noch im ersten Quartal 2021. Die GmbH ist dann eine Tochtergesellschaft der Stadt, wo alle finanziellen und personellen Ressourcen und Kompetenzen gebündelt werden. Die GmbH muss ein politisch unabhängiges Organ sein und auch unabhängig von den Verwaltungsstrukturen der Stadt agieren können. So verlangt es auch die Europäische Kommission. Bislang wurde die Bewerbung um den Titel von der Stadtverwaltung heraus betrieben.

 

Im Bidbook, in dem Ihr Team das Konzept zur Europäischen Kulturhauptstadt formuliert hat, wurden mögliche Geldquellen und Summen benannt, die das Vorhaben finanzieren sollen. Bleibt es dabei?

Es ist jetzt unsere Aufgabe, in den nächsten Monaten die finanzielle Umsetzung des Programms zu sichern. Wir hatten Absichtserklärungen vom Land, der Region und natürlich der Stadt Chemnitz in Form von Stadtratsbeschlüssen. Auch der Bund hatte Unterstützung in Aussicht gestellt. Diese schriftlich zugesagten Mittel werden wir in den nächsten zwei Monaten in eine Finanzplanung überführen. Rund 91 Millionen Euro beträgt das Gesamtbudget. Darin enthalten sind einmal rund 30 Millionen Euro für investive Ausgaben für Infrastruktur, für die im Bidbook dargestellten Interventionsflächen in verschiedenen Stadtteilen, die neu entstehen oder revitalisiert werden. Zum anderen sind darin rund 60 Millionen Euro für die operativen Ausgaben enthalten, das sind Programmentwicklung, Management, Personal, Kommunikation usw. Die investiven Maßnahmen werden von der Stadt durchgeführt. Das operative Budget wird in der GmbH verwaltet. Bund und Land geben je 25 Millionen Euro als Unterstützung für unser Programm, die Stadt beteiligt sich mit insgesamt rund 30 Millionen Euro bei den investiven und Programmmaßnahmen. Unsere Kulturregion steuert rund 6 Millionen Euro zur Programmentwicklung bei, wobei in die Region das Dreifache an Programm­entwicklungsmitteln zurückfließt. Die restlichen Mittel stammen aus Sponsoring, Ticketing, also aus üblichen Einnahmequellen, mit denen ein Kulturhauptstadtprogramm einhergeht. Für die reibungslose Zusammenarbeit mit dem Land Sachsen in den nächsten fünf Jahren etablieren wir gemeinsam eine gefestigte Koordinationsstruktur, die eine gute Ressortkoordination aus der Staatskanzlei heraus für uns gewährleisten kann. In den wichtigen Ressorts, beispielsweise Regionalentwicklung, Kultur und Tourismus oder Europa, Demokratie und Justiz sollten Arbeitsgruppen gegründet werden, die dann in dieser Koordinationsstruktur geleitet werden als Partner für die Stadt Chemnitz und auch für unsere GmbH.

 

Im Dezember wurde ausgehend von Recherchen der Süddeutschen Zeitung die Titelvergabe an Chemnitz kritisiert. Erstmals wurden öffentlich personelle Verflechtungen zwischen Beratertätigkeit und Jury-Mitgliedschaft diskutiert. Waren Sie bei Pécs Kulturhauptstadt Europas 2010 auch in einer Art „Beraterrolle“?

Nein, ich war nicht als Berater tätig. Ich war 2005 Staatssekretär im ungarischen Ministerium für Europäische Angelegenheiten und war damit betraut, die Infrastrukturmaßnahmen für Pécs zu planen. Dann bin ich einige Zeit später in das Ministerium für Bildung und Kultur gewechselt und habe von dort, also auf der staatlichen Regierungsebene als Regierungsbeauftragter, das Programm von Pécs 2010 begleitet.

Ferenc Csák & Sven Scherz-Schade
Ferenc Csák ist Kulturbetriebsleiter der Stadt Chemnitz. Sven Scherz-Schade ist freier Journalist und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
Vorheriger ArtikelStädte des Pazifischen Jahrhunderts
Nächster ArtikelKreative Zukunftsorte für den Green Deal