Während hierzulande viele Städte schrumpfen, sprießen weltweit die Megastädte wie nie zuvor: Ihr urbanes Wachstum ist ungehemmt und die „Urbanisierung der Welt“ galoppiert, angetrieben von einem atemberaubenden Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Liberalisierung und der Verknüpfung der Weltwirtschaft.
Die zukünftige Menschheits- und Umweltentwicklung wird zum Großteil in den Megastädten entschieden und von ihrer Planung, Gestaltung und Nachhaltigkeit hängt die urbane Zukunft ab: Noch 1950 war New York die einzige Stadt der Welt mit mehr als zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Heute sind es 20, Tendenz steigend. Der größte städtische Ballungsraum der Welt ist Tokio mit über 34 Millionen Einwohnern. Noch schwindelerregender sind die Einwohnerzahlen: In China leben im Yangtze-Delta schon 87, im Perlflussdelta 40 und im Beijing-Tianjin-Korridor 27 Millionen Menschen dicht gedrängt in urbanen Agglomerationen, die aus mehreren Städten zusammengeschmolzen sind.
Wirtschaftlich liegen Welten zwischen den Metropolen in Ost und West und Nord und Süd: Während das Wirtschaftswachstum in den chinesischen Großstädten in den 1990er Jahren stürmisch emporschnellte, stagnierte es in reiferen städtischen Ökonomien wie der von Tokio, Kuala Lumpur und Bangkok. Trotz der schnell alternden Gesellschaften in reichen Nationen wie Japan schrumpft in der Megalopolis Nippons die Bevölkerung nicht: Seit dem Zerplatzen der Spekulationsblase hat Tokio selbst als Wohnstandort sogar an Attraktivität gewonnen.
Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen untersuchen das Phänomen des explodierenden städtischen Wachstums: vom Städtebau über die Energieversorgung bis zur urbanen Gesundheitsversorgung. Ob die schnelle Urbanisierung eine wirtschaftliche und politische Chance ist, weil sie hilft, mittelständische, bürgerliche, demokratie-affine (Stadt-)Gesellschaften herauszubilden, oder ob die Verstädterung zu Armut, Slumbildung, Radikalisierung, Umweltverschmutzung und Pandemien führt, ist umstritten. Während einige Beobachter Urbanismus als das künftige Gesellschaftsmodell betrachten, bezweifeln Kritiker die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit von Megastädten.
Die Debatte über die Megastädte wird in erster Linie im Westen von fernen Beobachtern geführt: Zwei der profiliertesten Autoren, die sich mit dem Phänomen des weltweiten Stadtwachstums auseinandersetzen sind der amerikanische Kritiker Mike Davis mit seinem Buch „Planet of Slums“ und der niederländische Architekt Rem Koolhaas.
Davis, ein „Sozialkommentator, Soziologe und Historiker“, wurde durch seine politisch-soziologischen Untersuchungen urbaner Entwicklungen bekannt. Er hatte sich von der „City of Quartz“ (1994), seiner Heimatstadt Los Angeles als Exempel einer Stadt der ersten Welt, die Elemente einer Stadt der Dritten Welt in sich trägt, mit „Planet der Slums“ (2006, deutsch 2007) auf eine globale Betrachtungsebene hervorgearbeitet. Weil sowohl in der westlichen Welt als auch in der Dritten Welt die städtische Bevölkerung überwiegt und viele Metropolen stadtstaatlichen Charakter annehmen, der mit der Macht des jeweiligen Nationalstaats konkurriert, gewinnen Davis` Betrachtungen auch außerhalb der Stadtsoziologie Beachtung.
Koolhaas hingegen hat schon seit der Gründung seines „Office for Metropolitan Architecture“ (OMA) 1975 eine wichtige Rolle in der weltweiten Architektur- und Stadtdiskussion gespielt, auch wenn seine Herangehensweise nicht akademisch, sondern künstlerisch ist: In „Delirious New York: A Retroactive Manifesto of Manhattan“ hat Koolhaas Manhattan als Beispiel einer Großstadt interpretiert, deren Charakter sich in der „Kultur der Verdichtung“ manifestiert. Die Dichte der Großstadt und ihre Widersprüchlichkeit in ästhetischer, sozialer und kultureller Hinsicht machen Koolhaas zufolge deren Reiz und Qualität aus. Viele von Koolhaas Architekturentwürfen sind von diesem Verständnis der Stadt geprägt. In seinem Manifest „S, M, L, XL“ gelang es ihm, auch auf faszinierende Phänomene der Selbstorganisation in aufstrebenden Dritt-Welt-Metropolen wie Lagos in Nigeria zu lenken.