2021: Der Durchbruch der Smartness

Was sind Smart Cities?

Wo findet man Smart Cities?

 

Die Führungsrolle im Bereich der Smart-City-Entwicklung nimmt derzeit Asien ein. Hier sind Millionenstädte zu steuern, die bis zu zehnmal größer sind als Berlin. In den riesigen Agglomerationen Asiens müssen die Grundversorgung und die Funktionsfähigkeit der Städte gewährleistet werden. Häufig werden große Stadtteile oder ganze Städte neu gebaut oder so umgestaltet, dass sie – mindestens hinsichtlich ihrer Infrastrukturen – in einem sehr hohen Maß steuerbar werden.

 

Die Entschlossenheit, mit der die Gestaltung von Zukunftsstädten im Ausland verfolgt wird, zeigt aktuell das Projekt „Woven City“in Japan, in welchem die Firma Toyota den Prototyp einer Zukunftsstadt forschend gestalten will. Doch auch außerhalb Asiens verstärken zahlreiche Staaten ihre Bemühungen im Bereich Smart City. Eine Smart City im Sinne einer ganzheitlichen Gestaltung, wie wir sie mit dem „Blisscity-Konzept unterstützen, gibt es bislang allerdings nicht.

 

Gibt es in Deutschland bereits Smart Cities?

 

Richten wir den Blick auf Deutschland, scheinen die Digitalisierung und das Thema Smart City trotz zahlreicher Aktivitäten etwas stiefmütterlich behandelt zu werden. Neben den zuvor beschriebenen Diskrepanzen und den sich daraus ergebenden Aufgaben in der Stadtgestaltung, liegt dies sicher auch an einer deutlich besseren Ausgangssituation im Bereich der Infrastrukturen. Die Notwendigkeit der Implementierung moderner Technologien ist in Deutschland schlicht anders begründet als in anderen Regionen. Wir benötigen smarte Lösungen weniger zur Deckung von grundlegenden Versorgungsbedarfen als zur Realisierung von Effizienzen, neuer Services und der Energiewende.

 

Auch fehlen uns in den Kommunen häufig die benötigten Kompetenzen, Ressourcen und Mittel, um Smart-City-Ansätze umsetzen zu können. Gleichzeitig gibt es in der Bevölkerung kaum wahrgenommene Berührungspunkte mit der künstlichen Intelligenz oder Smart Solutions, sodass beide Themenfelder in der breiten Masse bislang nur wenig Begeisterung evozieren.

 

Smartness im Lichte der Pandemie

 

Durch die Pandemie wird unseren Infrastrukturen und der Digitalisierung allerdings auch in Deutschland unerwartet viel Aufmerksamkeit zuteil. Einerseits wurde deutlich, wie hilfreich die Digitalisierung sein kann, z. B. beim Testing, Tracking, bei der Prävention und Impfstoffentwicklung oder in der Telemedizin. Andererseits wurde erkannt, dass Verteilungs-, Logistik- oder Monitoringprozesse, sämtliche Infrastrukturen und das Stadtmanagement z. B. durch die Nutzung von digitalen Zwillingen oder anderen technischen Lösungen optimiert werden könnten. Es wurde ersichtlich, welche Bedeutung einer Kultur der Resilienz in unserem Zusammenleben zukommt. Und schließlich haben auch Alltagsanwendungen wie das Onlineshopping, die Nutzung von Lieferdiensten, Mappinglösungen, On-Demand-Diensten, das Homeschooling oder das Arbeiten im Homeoffice das Thema Smart City etwas näher rücken lassen.

 

In der gegenwärtigen Situation wird offenkundig, welche Gesellschaftsbereiche Verbesserungspotenziale aufweisen. Wie eingangs erwähnt, erfährt das Themenfeld Smart City dadurch weltweit einen enormen Schub.

 

Smart Cities und KI

 

Auch die künstliche Intelligenz (KI) erlebt in diesem Zusammenhang eine Hochphase, da die intensivere Auseinandersetzung mit Smart-City-Anwendungen immer mehr Menschen die zentrale Rolle der KI in smarten Kommunen bewusst werden lässt. So werden die meisten aller Smart-City-Prozesse angesichts der großen interpretierbaren Datenmengen durch Algorithmen unterstützt. Die resultierende in einer Smart City installierte Summe an KI muss deshalb als mächtiges Ökosystem gedacht werden, das den Lebensalltag der Bewohner in allen Lebensbereichen signifikant beeinflussen wird.

 

Trotz diesbezüglich möglicher Bedenken, wird es KI sein, deren Einsatz maßgeblich dazu beitragen wird, die eingangs genannten Ziele zu erreichen. Daher gilt es, die entsprechenden Systeme und Anwendungen so zu gestalten, dass sie in unsere Lebenswelt passen. In den Kommunen sollte es weder zu einer maßlosen Kontrolle noch zu einer übermäßigen Ökonomisierung des Zusammenlebens kommen. Beide Aspekte sind in der expansiv und auf das Vermessen angelegten Smart-City-Welt potenzielle Ausprägungen.

 

Deutschland als Heimat für Smart Cities?

 

Es ist wichtig, dass wir eine Haltung bezüglich unserer zu bewahrenden Lebensbedingungen entwickeln. Darauf aufbauend können wir mit einem ganzheitlichen, kooperativen und wertebasierten Ansatz in Deutschland und Europa attraktive, nutzenstiftende Lösungen hervorbringen, die unseren Ansprüchen genügen und nicht nur für hiesige Märkte attraktiv sein werden. Wenn wir Smart Cities und die dahinterstehenden Technologien bewusst gestalten, haben wir eine Chance, unsere Lebensverhältnisse, die ja auch ein Element unseres Heimatverständnisses sind, zu bewahren, wirtschaftlich relevant zu bleiben und nachhaltiger zu werden. Daher freue ich mich darüber, dass sich nun auch der Kulturbetrieb des Themas Smart City annimmt. Die Mitwirkung der Kulturschaffenden wird dringend benötigt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2021.

Chirine Etezadzadeh
Chirine Etezadzadeh leitet das SmartCity.institute und ist Gründerin des Deutschen Smart City Expertenrats. Sie veröffentlichte unter anderem das Buch „Smart City – Made in Germany“.
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