Wie lief Ihre Arbeit als Schauspielerin in der DDR? Hatten Sie eine Agentur, die Sie betreut hat?
Im Studium kamen immer wieder Filmleute zu uns, die junge Schauspieler für Projekte suchten. Als ich einmal im Gebäude des DDR-Fernsehens in Johannisthal war, um einen Zettel aus einem Büro abzuholen, hatte ich solchen Hunger, dass ich in die Kantine gegangen bin und dort gegessen habe. Plötzlich stand jemand hinter mir und sagte: „Was machen Sie denn hier im Fernsehen? Arbeiten Sie irgendwo in einem Büro?“ Ich sagte: „Ich bin Studentin auf der Schauspielschule.“ „Das trifft sich ja gut. Wir machen gerade Probeaufnahmen.“ Dann kam mir ein Mädchen entgegen, die die Hauptrolle eigentlich schon bekommen hatte. Doch dann machten sie noch mal Probeaufnahmen mit mir. Und plötzlich war alles anders und ich bekam diese wunderbare Rolle, die mich bis heute verfolgt. Es war die Hauptrolle im Film „Marta, Marta“, der in der DDR ein Riesenhit wurde. Nach der Ausbildung gab es ein „Intendantenvorspiel“. Da wurden besonders schöne Szenen vorgespielt, die wir im Studium aus Theaterstücken erarbeitet hatten. Es kamen alle Theater, die eine Vakanz hatten, und suchten sich jemanden aus. Ich wollte aber nicht ans Theater und hatte schon beim DDR-Fernsehen angefragt. Da gab es auch ein Ensemble. Ein junges Mädchen hatten sie nicht, dann haben sie sich offenbar beraten und mir einen Vertrag beim DDR-Fernsehen gegeben.
Sie haben in der Folge viel gedreht und sind in unterschiedlichen Formaten aufgetreten, wie im Spielfilm „Kippenberg“ (1981) oder in den Serien „Polizeiruf 110“ und „Treffpunkt Flughafen“. Hierzu ein Zitat von Ihnen: „Was nützt einem aller Erfolg, wenn man das Gefühl hat, künstlerisch stehen zu bleiben. Ich habe drüben in rund 40 Produktionen mitgespielt. Je kritischer die politische Situation wurde, desto weiter entfernten sich die Filme von der Wirklichkeit. Da hat mir das Drehen keinen Spaß mehr gemacht.“ War das der Hauptgrund, 1989 von einer genehmigten Reise in die USA zu Verwandten nicht mehr in die DDR zurückzukehren?
Ich war jung und hatte natürlich Karrierevorstellungen. Die Leitung des DDR-Fernsehens hat aber viel hineingeredet, was ich zu drehen habe und was nicht. Es gab auch keine Ideen – etwa, dass man mit Schauspielern, die beliebt waren, etwas aufbauen könnte. Sie wurden stattdessen hier oder da hineingestopft. Ich habe auch Vorschläge gemacht. Doch das schleppte sich. Es stagnierte nicht nur beruflich, sondern auch im Land. Als der rumänische KP-Chef Nicolae Ceaușescu 1988 mit dem Karl-Marx-Orden die höchste Auszeichnung der DDR bekam, habe ich mich gefragt, wo das hingeht. Ich hatte vorher lange in Rumänien gedreht und wusste, wie die Situation dort war.
Wann sind Sie nach Europa zurückgekehrt?
Das war Anfang 1989, als noch gar nicht abzusehen war, was passieren würde. Ich war ein paar Wochen in den USA und bin dann nach Westberlin gezogen. Ich muss sagen – das hört sich so als Anekdote spannend an –, aber es war wirklich hart. Heute möchte ich das nicht noch mal erleben: Im Lager Marienfelde zu sein, arbeitslos und ohne Geld. Ich bin dann über mich hinausgewachsen und Klinkenputzen gegangen, was nicht meine Art ist, weil ich im Grunde ein schüchterner Mensch bin. Das Klinkenputzen hat funktioniert. Diese Phase brach aber nach einem Jahr wieder ab.
Wie haben Sie die Umbruchphase in Deutschland erlebt?
Die Bewältigung, die die Menschen aus der DDR zu leisten hatten, war unterschiedlich. Die, die von der Wende überrascht worden sind, hatten etwas anderes zu bewältigen als die, die vorher schon weggegangen waren. Ich hatte diese Art Überraschung nicht, weil die Auseinandersetzung und der Abschied von der DDR schon abgeschlossen waren. Das mussten die Menschen, die bis zum Ende dort geblieben waren, erst einmal schaffen – und akzeptieren, dass es das Land nicht mehr gab.
War es einfach, als bekannte Schauspielerin aus der DDR an neue Rollen zu kommen?
Ich habe eine Serie synchronisiert, was gut lief, doch dann gedacht, dass das so nicht weitergehen kann, und bin noch mal Klinkenputzen gegangen. Und dann ging es langsam voran. Ich habe viel gedreht, etwa „Praxis Bülowbogen“ und „Traumschiff“, „Rosamunde Pilcher“ und „Tatort“. Das bleibt in den Köpfen der Menschen. Für solche Produktionen bin ich sehr dankbar, weil es in der heutigen Medienlandschaft, die so zersiedelt ist, sehr schwer ist, sich einen Namen zu machen, der in Erinnerung bleibt. Man kann viel drehen, ohne dass es jemand mitbekommt, wenn es nicht irgendwie ein Prestigeprojekt ist.
Können Sie Unterschiede für Schauspieler in der DDR und der BRD benennen?
Ob wir 10 oder 15 Tage länger gedreht haben, spielte damals keine Rolle. Heute wird viel schneller gearbeitet. Und das liegt mir. Ich arbeite gern schnell, weil man dann unter Adrenalin ist. Heute muss man sich auch mehr kümmern und präsent sein. Es gibt Agenturen. In der DDR hatten wir keine. Es gab zwar ein Besetzungsbüro beim Fernsehen und bei der DEFA mit einer Kartei. Aber sonst kannte man die Leute von den Theatern. Man fuhr auch herum und suchte nach neuen Talenten, was heute, glaube ich, nicht mehr so stattfindet. Heute wird auch viel mehr produziert. Das war mit ein Grund dafür, warum ich aus der DDR weg wollte – weil es potenziell im Westen mehr Arbeit gab.
Seit 2015 spielen Sie bei „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ eine Chefärztin. Dreh- und Spielort ist Erfurt. Wie empfinden Sie, heute wieder im Osten Deutschlands zu drehen?
Das Seltsame ist, dass Ostdeutschland und Ostberlin nach der Wende als Drehort unheimlich beliebt waren. Man fand das spannend. Die runtergekommenen Hackeschen Höfe beispielsweise hatten plötzlich eine Aura, etwas Morbides. Das zog auch ausländische Produktionen an solche Orte. Ich war damals viel im Osten unterwegs. So drehten wir den Kinofilm „Novalis – Die blaue Blume“ großenteils in Oybin in der Sächsischen Schweiz. Eine unheimlich schöne Landschaft. Wir drehten dort in einer verfallenen Burg und wohnten in einem total abgeranzten ehemaligen Arbeiterwohnheim. Das holte mich damals alles wieder ein, bekam aber plötzlich eine philosophische Dimension.
Vielen Dank.
Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2020.