Die Bundesförderung des industriekulturellen Welterbes

Wege zu einem systematischen Ansatz

 

Systematik für eine Förderung der UNESCO-Welterbestätten Industriekultur

 

Letztlich erscheint die Bildung einer Dachorganisation für die sieben Welterbestätten der Industriekultur als ein „Königsweg“ zur Einlösung des Koalitionsauftrags. Er verbindet alle skizzierten Elemente dann, wenn von ihr auch die Industriekultur insgesamt profitieren kann, indem hier eine Schaltstelle und Drehscheibe für den Umgang mit den industriekulturellen Stätten in Deutschland (und Europa) entsteht. So lassen sich die drei genannten Wege auf elegante Art miteinander verbinden ebenso wie die Betriebsmittel- mit der Investitionsförderung: Industriekulturelle Stätten haben Mittelbedarf sowohl für Investitionen als auch für den Betrieb. Durch eine institutionelle Bundesförderung einer Dachorganisation kann für beide Bedarfe dauerhaft eine sichere Perspektive geschaffen werden.
Damit würde an die Förderung von Kultureinrichtungen aufgrund des Artikels 35 des Einigungsvertrags in den neuen Ländern angeknüpft und die daraus entwickelte Systematik einer Bundesförderung auch auf die Welterbestätten der Industriekultur angewandt.

 

Blaubuch als Folie einer Fördersystematik

 

Seit bald 30 Jahren steht das postkoloniale Erbe in den neuen Ländern im Fokus der Bundesförderung. Grundlage ist in der Regel das sogenannte Blaubuch, das „Kulturelle Leuchttürme“ in Ostdeutschland benennt. Diese werden als „gesamtstaatlich bedeutende Kultureinrichtungen“ definiert. Insgesamt sind es 20 an der Zahl. Darunter finden sich allerdings keine Stätten der Industriekultur.

 

Das Blaubuch könnte als Folie einer allgemeinen Fördersystematik dienen: Der Bund hat einen ersten Schritt in diese Richtung bereits gemacht, wenngleich nur bezogen auf Investitionen: „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland“, kurz: „Invest Ost“, ist seit 2019 zu einem gesamtdeutschen Programm ausgeweitet worden. Nun können nicht nur im Blaubuch gelistete Institutionen Mittel aus dem Programm erhalten.

 

Der folgerichtige zweite Schritt wäre, national bedeutsame Einrichtungen, zu denen die Welterbestätten unzweifelhaft gehören, zu listen und hierdurch einen Zugang zu einer Bundesförderung zu ermöglichen, die eine institutionelle Förderung umfassen kann.

 

Bisher werden sieben kulturelle Leuchttürme des Blaubuchs durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert; vier davon sind UNESCO-Welterbestätten. Darüber hinaus erhält deutschlandweit kein Welterbe eine institutionelle Förderung und somit auch keine national bedeutsame Stätte der Industriekultur, obgleich sie für die (inter-)nationale Geschichts- und Erinnerungskultur eine ebenso hohe Bedeutung haben, ja, an und mit ihnen die heutige postindustrielle Ära in ihrer Herkunft reflektiert und bewusst gemacht werden kann. Stätten der Industriekultur sind zudem Zukunftsstandorte, die unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ ein klares Postulat an Gegenwart und Zukunft formulieren.
Ginge der Bund diesen zweiten Schritt, könnte nicht nur eine Dachorganisation, etwa eine „Stiftung Welterbe Industriekultur“, sondern auch der Bund selbst profitieren: Die Stiftung würde einen einheitlichen Ansprechpartner für den Bund bilden. Sie könnte eine Verteilerfunktion für die Bundesmittel übernehmen und aufgrund der rechtlichen Ausgestaltung ein Mitspracherecht des Bundes über Gremienarbeit sichern. Es könnten Synergien durch ein gemeinsames (inter-)nationales Kultur- und Tourismusmarketing ausgeschöpft werden. Als Wissensplattform und Kompetenzzentrum für das Management von Welterbestätten der Industriekultur und Industriekultur generell würde eine zentrale Institution innerhalb Deutschlands und Europas geschaffen, die der Industriekultur internationale Strahlkraft verschafft.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Oliver Scheytt & Julia Ackerschott
Oliver Scheytt ist Professor für Kulturpolitik und kulturelle Infrastruktur an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Mitglied des Präsidiums des Goethe-Institutes und war von 2003 bis 2007 Mitglied der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages. Julia Ackerschott ist bei der Kulturexperten Dr. Scheytt GmbH als Senior-Beraterin in den Bereichen Strategie und Kulturimmobilien tätig.
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