Nachrichten über die Außenbeziehungen der Türkei im Frühjahr 2017 klingen wie Hiobsbotschaften. Mit den wichtigsten Partnern, ob traditionell oder neueren Datums, ist man zumindest uneins oder hat sich komplett überworfen. Eigentlich hätte alles ganz anders kommen sollen. Die Türkei sollte „Null-Probleme mit ihren Nachbarn“ haben und eine Regionalmacht im Nahen Osten sein.
Die Türkei ist spätestens seit den 1950er Jahren in westlichen Bündnissen verankert. Das wichtigste außenpolitische Ziel über viele Jahre war eine Vollmitgliedschaft in der EU. Das Positivste, was man heute noch zu den Türkei-EU Beziehungen hört, ist, dass aufgrund von vielfältigen Abhängigkeiten ein Abbruch der Beziehungen noch schlechter wäre, als den schlechten Status quo fortzusetzen. Die Liste der Unstimmigkeiten war selten so lang. Mit dem wichtigsten wirtschaftlichen Partner innerhalb der EU, Deutschland, ist der Ton besonders schroff. Im Vorfeld des Verfassungsreferendums vom 16. April warf gerade Präsident Recep Tayyip Erdoğan Deutschland Nazi-Methoden vor. In einer der vielen AKP-Zeitungen, Güneş, wurde Angela Merkel in SS-Uniform als „hässliche Tante“ bezeichnet, die von Erdoğan wiederum als eine Unterstützerin des Terrorismus bezeichnet wurde – so wie die Niederlande. Allgemein kommentierte er, „wir werden Europa nach dem 16. April für alles bezahlen lassen, was es getan hat!“
Bis jetzt fordern nur Österreichs forsch-fesche Jungpolitiker einen Abbruch des Beitrittsprozesses. Deshalb blockiert die Türkei die Teilnahme österreichischer Soldaten an NATO-Manövern auf dem Balkan. Wiederum andere NATO-Mitglieder, darunter Deutschland und Frankreich, sollen einen NATO-Gipfel in Istanbul verhindert haben, den die Türkei noch 2017 ausrichten wollte. Weiterhin verbietet die Türkei, wenigstens meistens, den Besuch deutscher Abgeordneter auf der Luftwaffenbasis Incirlik.
Auf der anderen Seite des großen Teiches sieht es nicht viel besser aus. Mitte Mai kam es endlich zu dem von der Türkei herbeigesehnten Treffen der beiden Präsidenten, Donald Trump und Recep Tayyip Erdoğan. Die Türkei wollte vor allem Fortschritte bei der Auslieferung Fethullah Gülens und einen Kurswechsel in der US-amerikanischen Syrienpolitik erreichen. Al-Monitors Cengiz Çandar kommentierte den Besuch als „den am wenigsten erfolgreichen, den es je in Washington gab.“ Was vor allem in Erinnerung blieb, waren die Leibwächter Erdoğans, die friedliche Demonstranten vor der türkischen Botschaft in Washington verprügelten. Daraufhin forderte John McCain die Ausweisung des türkischen Botschafters, im US-Fernsehen sagte er: „Das hier ist nicht die Türkei. Das ist kein Dritte-Welt-Land“. Gegen zwölf Sicherheitsleute Erdoğans wurde Haftbefehl erlassen, sie wurden bei einer erneuten Einreise in die USA am Flughafen verhaftet. Dieser Ton herrscht unter Partnern in einem Militärbündnis, der Feind sollte eigentlich außerhalb des Bündnisses zu suchen sein.
Außerhalb sieht es aber auch nicht viel besser aus. Zwar sind die Beziehungen zu Russland, nachdem im November 2015 ein russischer Kampfjet an der türkisch-syrischen Grenze abgeschossen wurde, wieder einigermaßen normalisiert – aber eben zu russischen Bedingungen. Im Anschluss an den Abschuss verhängte Russland weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei. Präsident Putin warf der Türkei vor, mit dem IS zu paktieren, er verbot alle Charterflüge in die Türkei, wo russische Touristen mit ca. vier Millionen nach den Deutschen die zweitgrößte Gruppe waren. Das zeigte Wirkung. Fast schon unterwürfig entschuldigte sich im Juni 2016 Erdoğan bei Putin, der einige der Sanktionen wieder aufhob, andere aber auch einfach weiterlaufen ließ, wie das Verbot der Einfuhr türkischer Tomaten. Als dann im Dezember 2016 der russische Botschafter in Ankara von einem türkischen Polizisten in zivil erschossen wurde, hat das den Hebel Russlands gegen die Türkei nur noch verstärkt. In Syrien muss die Türkei nach russischer Pfeife tanzen, ansonsten drohen wieder Sanktionen, die sich Erdoğan wirtschaftlich nicht mehr leisten kann.