Grenzüberschreitende Kreativität

Für eine innovative Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in unsicheren Zeiten

 

Gerade angesichts der Coronakrise muss die AKBP einen weltweiten Kultur- und Bildungsaustausch gestalten, der nachhaltig ist und zugleich echte Begegnungen ermöglicht; dafür müssen wir in innovative digitale Instrumente und Formate ebenso investieren wie in die Gestaltung und den Aufbau von physischen Räumen der Begegnung. Zum Austausch gehört auch, internationale Bildungsbiografien zu begleiten, beispielsweise durch eine stärkere Sprachförderung an den über 100.000 Schulen weltweit, an denen Deutsch unterrichtet wird. Wir plädieren dafür, Zuwanderung als Gesamtprozess zu begreifen, von der Zeit vor der Abreise bis zur Verankerung in der deutschen Gesellschaft – ein Prozess, der Deutschunterricht und kulturelle Sensibilisierung im Heimatland bis hin zu neuen „Kümmerer“-Strukturen braucht, die auf beiden Seiten der Grenzen ineinandergreifen. Das sind nur einige der Aufgaben, vor denen wir in den kommenden Jahren stehen.

 

Auch stellt sich die Frage, ob die AKBP nicht jenseits derzeitiger Schwerpunktregionen wie Afrika und den osteuropäischen Partnerländern der EU auch den Asien-Pazifik-Raum stärker in den Blick nehmen muss. Während Medien und Außenpolitik sich derzeit stark auf China konzentrieren, plädieren wir dafür, sich darüber hinaus auch um eine noch intensivere Kooperation mit den starken oder sich transformierenden Bildungs- und Kulturszenen von Japan über Korea und Indonesien bis Myanmar zu bemühen.

 

Zu einer innovativen Auswärtigen Kulturpolitik gehört auch die kritische Selbstreflexion. Wir müssen uns etwa fragen: Setzt die AKBP Machtasymmetrien in kolonialer Tradition fort? Hier gilt es, konsequent transparent zu machen, aus welcher Perspektive wir selbst und unsere Partner sprechen und agieren und im besten Fall Differenzen produktiv zu machen. Nur so können wir glaubwürdig sein und Vertrauen gewinnen – die wichtigste Voraussetzung für einen offenen Kulturaustausch. Ein zweites Spannungsfeld, in dem sich unsere Arbeit bewegt, ist das zwischen Aufgaben, die wir als Goethe-Institut aus nationaler deutscher Perspektive wahrnehmen – wie die Förderung der deutschen Sprache, der kulturelle Austausch mit Deutschland und die Vermittlung eines differenzierten Deutschlandbilds –, und Aufgaben, in denen wir „postnationalstaatlich“ agieren und transnationale Plattformen ermöglichen. Im Projekt „Museum Futures Africa“ z. B. treten die Leiterinnen und Leiter afrikanischer Museen auf Einladung des Goethe-Instituts in einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch und entwickeln durch Peer-To-Peer Learning gemeinsam Perspektiven für die afrikanische Museumslandschaft. Das Goethe-Institut praktiziert, je nach den lokalen Erfordernissen und Erwartungen unserer Partner im Ausland, beide Herangehensweisen – als Vertreter einer deutschen Perspektive oder als unabhängiger Makler multilateraler Prozesse. Das hat sich bewährt und wird auch die künftige Arbeit prägen. Ein drittes herausforderndes Spannungsfeld ist das Arbeiten in illiberalen Kontexten. Für freiheitliche demokratische Werte zu stehen in einem von politischer oder gesellschaftlicher Zensur geprägten Umfeld, erfordert großes Fingerspitzengefühl und auf Erfahrung gegründeten Pragmatismus. Hier gilt es, mit den Kulturpartnern vor Ort kluge und mutige Formate zu entwickeln, die Freiräume öffnen und rote Linien verschieben, ohne Partner und Mitarbeiter zu gefährden.

 

Der Umgang mit diesen Spannungsfeldern erfordert von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort große Erfahrung im internationalen Kulturaustausch, Sensibilität und die Bereitschaft, zuzuhören sowie die eigene Rolle immer wieder zu hinterfragen. Die AKBP braucht also ausgewiesene Fachleute – einer der Gründe, warum das Auswärtige Amt auf Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut oder den DAAD setzt. Das Goethe-Institut bietet aber nicht nur Professionalität, sondern auch seit vielen Jahren ein starkes weltweites Netzwerk. Um die 158 Goethe-Institute in fast 100 Ländern mit ihren unzähligen Verbindungen zu zivilgesellschaftlichen und staatlichen Kultur- und Bildungsinstitutionen beneiden uns viele Länder. Was gerade in Zeiten, in denen wegen der Pandemie und aus Gründen der Nachhaltigkeit weniger gereist wird, wichtig ist: Jedes Goethe-Institut im Ausland verfügt über ein Netzwerk, das weit in die jeweiligen Kultur- und Bildungsszenen hineinreicht. Es ist gleichzeitig ein Raum der Begegnung, des Lernens und des freien Austauschs. Die Institute sind offen für vielfältige Meinungen und Lebensentwürfe; sie regen zu Debatten an und sind einladend für Kulturpartner und Lernende. Kurz: In einer unsicheren Welt sind sie Orte der innovativen, vielfältigen und demokratischen Kultur, für die Deutschland heute steht.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.

Carola Lentz und Johannes Ebert
Carola Lentz ist Präsidentin des Goethe-Instituts. Johannes Ebert ist Generalsekretär des Goethe-Instituts.
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