Interessenausgleich

Im europäischen Vergleich ist das neue deutsche Kulturgutschutzgesetz eher milde

National wertvolles Kulturgut in Privatbesitz
Entzündet hat sich die gesamte Diskussion um das Kulturgutschutzgesetz vor allem an der Frage, was mit national wertvollem Kulturgut geschieht, das sich in Privatbesitz befindet. Hier stellt sich die Frage, ob die vorgesehenen Beschränkungen zur Ausfuhr von Kulturgut nicht die Eigentumsrechte berühren. Von Seiten des Kunsthandels wurde diese Frage mit der Zugänglichmachung von Kulturgut verknüpft und es wurde die Argumentation aufgebaut, dass national wertvolles Kulturgut eigentlich öffentlich zugänglich gemacht werden muss. Eine solche Zugänglichmachung wäre aber ein Eingriff in die Eigentumsrechte, also ergibt sich hieraus, dass wenn der Staat Kulturgut als national wertvoll einstufen will, er dieses auch erwerben muss. Diese Argumentation wurde von anderen nicht geteilt. Vom Deutschen Kulturrat wurde eine Analogie zum Denkmalschutz in die Diskussion eingebracht. Unter Denkmalschutz stehende Gebäude müssen nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sein, sind aber dennoch denkmalgeschützt. Der Staat schafft allerdings mittels des Steuerrechts Anreize Denkmäler für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ähnliche Anreize gibt es bereits für national wertvolles Kulturgut, hier kann aber durchaus über weitere Verbesserungen im Rahmen von steuerpolitischen Diskussionen nachgedacht werden.

 

Zeitliche Komponente
Von Seiten der Kunstversteigerer wurde in die Anhörung der Vorschlag eingebracht, dass nur Kunstwerke, die sich bereits 50 Jahre in Deutschland befinden, als national wertvolles Kulturgut eingetragen werden können. Auch die Galeristen und Kunsthändler plädieren für eine solche Frist. Andere Verbände wie z. B. der Deutsche Museumsbund lehnen zeitliche Fristen ab. Auch die Kulturstiftung der Länder hält die geforderte Frist für nicht überzeugend. Der Deutsche Kulturrat gibt in seiner Stellungnahme die Besonderheiten der deutschen Geschichte zu bedenken. So befindet sich nach wie vor kriegsbedingt verbrachtes deutsches Kulturgut im Ausland, das die Anforderungen einer Eintragung als national wertvolles Kulturgut erfüllen würde. Die Einführung einer 50-Jahre-Frist würde die Eintragung dieses Kulturguts, sollte es wieder nach Deutschland kommen, unmöglich machen. Gleichzeitig plädierten sowohl Kulturstiftung der Länder als auch der Deutsche Kulturrat dafür, bei der genehmigungspflichtigen Ausfuhr eine zeitliche Komponente vorzusehen, so dass der Handel mit hochpreisigem Kulturgut nicht erschwert wird.

 

Ein- und Ausfuhr in den Binnenmarkt
Neu ist im geplanten Kulturgutschutzgesetz die Einführung von Wert- und Altersgrenzen bei der Ein- und Ausfuhr im Binnenmarkt. In fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten existieren solche Regelungen schon lange und widersprechen den Regeln des freien Binnenmarkts nicht. Deutschland zieht mit seinen Regeln nach. Dennoch sind die Galeristen und Kunsthändler der Meinung, dass die vorgesehenen Vorschriften dem freien Binnenmarkt zuwiderlaufen und nicht umgesetzt werden sollen. Sollte dennoch eine Ein- und Ausfuhrregelung für den Binnenmarkt vorgesehen werden, sollten die Wert- und Altersgrenzen nach oben gesetzt werden. Der Deutsche Museumsbund plädiert dagegen dafür, die deutlich moderateren deutschen Regeln den strengeren EU-Vorschriften anzupassen, also nach unten zu korrigieren und damit mit anderen EU-Mitgliedstaaten gleichzuziehen. Für archäologisches Kulturgut sollte die Wertgrenze 0 Euro eingeführt werden. Auch Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums – Staatliche Museen zu Berlin, appellierte, den Gestaltungsspielraum der EU-Richtlinie nicht zu nutzen und die deutlich strengeren EU-Vorschriften zu übernehmen.

 

Sorgfaltspflichten
Hier stehen zwei Fragen im Raum: die Sorgfaltspflichten mit Blick auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut und die Herkunftsnachweise für archäologisches Kulturgut. Mit Blick auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut wird vom Kunsthandel und den Kunstversteigerer erklärt, dass selbstverständlich die einschlägigen Datenbanken, in denen Verluste von Kulturgut verzeichnet sind, konsultiert werden. Zugleich muss aber auch bedacht werden, dass nicht alles Kulturgut, das zwischen 1933 und 1945 verkauft wurde, belastet ist. Als Beispiel wurden die bisherigen Rechercheergebnisse zum Gurlitt-Fund angeführt. Ebenso wurden die Sorgfaltspflichten mit Blick auf archäologisches Kulturgut als viel zu streng erachtet. Erst ab einem Wert von 5.000 Euro sollten strengere Herkunftsnachweise gelten. Demgegenüber sprechen sich der Deutsche Museumsbund und auch Markus Hilgert für engere Wertgrenzen aus. Markus Hilgert vertritt die Auffassung, dass der seriöse Handel von strengen Grenzen profitieren wird. Auch wird bereits jetzt im Gesetzesentwurf hinter den ethischen Grundsätzen des Internationalen Museumsbunds zurückgefallen.

 

Illegaler Handel
Weit auseinander lagen die Einschätzungen zum illegalen Handel. Silvelie Karfeld, Bundeskriminalamt, ließ keinen Zweifel daran, dass es illegalen Handel mit Kulturgut in Deutschland gibt. In ihrer öffentlich nicht zugänglichen Stellungnahme nannte sie dem Vernehmen nach prägnante Beispiele. Demgegenüber ist der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler der Überzeugung, dass es keinen illegalen Handel in Deutschland gibt und führt Aussagen des Zolls als Beleg an.

 

Abwägen gefordert
Die Mitglieder des Kulturausschusses müssen nun die Argumente gegenein­ander abwägen. Kerstin Odendahl unterstrich in ihrem Statement, dass Kulturgüter besondere Güter sind, die sowohl einen materiellen als auch einen ideellen Wert haben. Beim Kulturgutschutz geht es um eine Abwägung beider Interessen, der materiellen Interessen des Handels sowie gegebenenfalls auch von Sammlern und den nationalen Interessen zum Schutz und Verbleib von Kulturgut in Deutschland, weil es eine herausragende und identitätsstiftende Bedeutung hat. Der vorliegende Gesetzesentwurf wägt diese beiden Interessen ab und kommt zu ausgewogenen Ergebnissen, so Odendahl. Und, wie eingangs schon ausgeführt, es werden die Spielräume, die die EU-Richtlinie vorgibt, genutzt, um beiden Seiten gerecht zu werden. Über das Ziel hinausgeschossen wird nicht.
Nun liegt der Ball im Spielfeld des Kulturausschusses. Ausschussvorsitzender Siegmund Ehrmann, MdB versicherte, dass die vorgetragenen Argumente wie auch die schriftlich eingegangenen Stellungnahmen sorgfältig geprüft und in die Entscheidung einbezogen werden. Er zeigte sich zuversichtlich, dass noch vor der Sommerpause das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen werden kann.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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