Kein entwicklungspolitischer Gestus

Transparenz zeigen

Wilhelm von Humboldt würde lächeln. Mit der planmäßigen Eröffnung des Humboldt Forums Ende dieses Jahres beginnt eine neue Ära in der deutschen Kulturlandschaft. Eine Vielzahl von Kunstgegenständen aus den Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen werden in den Ausstellungen eine wichtige Rolle spielen. Sie sollen Besucherinnen und Besucher dazu einladen, eine neue Sinnstiftung für Themen unserer Zeit, wie etwa Globalisierung, Klimaveränderung oder Umweltverschmutzung, zu ergründen. Moderne Museen zeichnen sich allein nicht nur durch Digitalisierung aus, sondern auch durch die Transparenz hinsichtlich der Präsentation und Aneignung der Objekte. Das Ausstellen des Ausstellens und des Sammelns macht Modernität aus. Ohne die Sichtbarmachung der eigenen Geschichte dieser Artefakte wird die anspruchsvolle Aufgabenstellung nicht gelingen. Das Humboldt Forum hat die wichtige Debatte um die Provenienzforschung von Sammlungsgütern aus kolonialen Kontexten angestoßen und vieles in Gang gesetzt. So hat der Bund die Mittel für die Provenienzforschung erheblich aufgestockt und dieses Engagement ist bei Weitem nicht abgeschlossen. Denn Provenienzforschung ist eine notwendige Bedingung für die schwierige Frage der Restitution von Kulturgütern. Neben einer ausreichenden finanziellen Ausstattung für die Provenienzrecherche vor allem für kleinere Museen ist mir der gleichberechtigte Dialog mit den Herkunftsgesellschaften ein zentrales Anliegen. Wenn es um die Frage der Rückführung von Kunstgegenständen geht, muss es eine neue Kooperation ohne entwicklungspolitischen Gestus geben – weder in Form einer Geste des Belehrens, noch in einer Form des Erbarmens. Aus Herrschaft und Ungerechtigkeit kann Gerechtigkeit und Kooperation wachsen. Das ist mein inniger Wunsch bis zur Eröffnung und darüber hinaus. Das Humboldt Forum kann als Schrittmacher für einen Austausch mit afrikanischen und asiatischen Ländern werden, der weit über die Kulturpolitik hinausgeht.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Helge Lindh
Helge Lindh, MdB ist Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag.
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