Nicht über das Ziel hinaus

Die Aufarbeitung und Rückgabe der NS-Raubkunst darf nicht in den Hintergrund rücken

Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte ist ein spät entdecktes, aber wichtiges Thema. Es ist sehr zu begrüßen, dass die öffentliche Debatte darüber an Fahrt aufgenommen hat – auch dank des Humboldt Forums.

 

Drei Dinge sind vordringlich: Die Bundeseinrichtungen mit Kulturgutbeständen aus kolonialen Kontexten müssen zu größtmöglicher Transparenz ertüchtigt und verpflichtet werden. Mittelfristig müssen alle ihre Bestände konsequent digitalisiert und der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

 

Vor Fragen einer möglichen Rückgabe muss und wird die Provenienzforschung zu kolonialen Kulturgütern weiter verstärkt werden. Wir stehen noch eher am Anfang der Debatte; mit mehr Kenntnissen über die unterschiedlichen Herkunftsgeschichten der Exponate lassen sich dann auch sachgerechte Entscheidungen zum weiteren Umgang mit ihnen treffen.

 

Die im Oktober 2018 beschlossene Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Kulturministerkonferenz sollte 2019 zeitnah ihre politischen Empfehlungen zum Umgang mit Kulturgut aus kolonialen Kontexten vorlegen.

 

Wir sollten aber auch nicht den Fehler machen, bei der Beschäftigung mit diesem zweifelsohne wichtigen Thema in typisch deutscher Gründlichkeit über das Ziel hinauszuschießen.

 

Deutschland war nicht die größte Kolonialmacht. Bei den Nachfahren der zumeist jüdischen Opfer von NS-verfolgungsbedingten Kulturgut-Entziehungen hat die starke Fokussierung der öffentlichen Debatte auf koloniales Kulturgut schon Sorge ausgelöst, die Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst würde künftig in den Hintergrund rücken. Diesem – unzutreffenden – Eindruck müssen wir unbedingt entgegentreten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Elisabeth Motschmann
Elisabeth Motschmann, MdB ist kultur- und medienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
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