- Verankerung des Staatsziels Kultur ist in weite Ferne gerückt
- Politik & Kultur 05/2024 vorab für die Leserinnen und Leser des kulturpolitischen Wochenreports
- Schulwettbewerb: Ohren auf für HANAU!
- Einladung: „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“ – Sechste Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration
- Text der Woche: „Skandalisierung oder Problembefassung. Über die Notwendigkeit der Aufarbeitung in Fällen von sexualisierter Gewalt“ von Johann Hinrich Claussen
- Reaktion auf das wunderbare babylonische Sprachgewirr
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Verankerung eines Staatsziels Kultur im Grundgesetz war bereits mehrfach Gegenstand intensiver kulturpolitischer Debatten und Überlegungen. Eine eingehende Befassung mit dem Staatsziel Kultur fand im Rahmen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ vor zwei Jahrzehnten statt. In ihrem Zwischenbericht zeichnete die Enquete-Kommission die verfassungsrechtliche Debatte um das Staatsziel Kultur nach. Ebenso werden die in den Landesverfassungen getroffenen Bestimmungen zum Staatsziel Kultur wie auch die Staatszielbestimmungen ausgewählter EU-Mitgliedstaaten dargestellt.
Die Mitglieder der Enquete-Kommission, zu denen auch ich zählte, hatten sich in ihrem Zwischenbericht einstimmig für die Ergänzung des Grundgesetzes um einen Art. 20b GG mit dem Wortlaut „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ ausgesprochen. Der genannte Zwischenbericht wurde zusammen mit dem Schlussbericht der Enquete-Kommission im Plenum des Deutschen Bundestags am 13.12.2007 debattiert. In dieser Debatte wurde sich noch einmal ausdrücklich für das Staatsziel Kultur im Grundgesetz ausgesprochen.
Seither wird vom Deutschen Kulturrat vor jeder Bundestagswahl an die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien die Frage gerichtet, ob sie sich in der anstehenden Wahlperiode für das Staatsziel Kultur einsetzen werden. Auch wenn vor der Wahl einige Parteien Sympathie für das Staatsziel Kultur erkennen lassen, findet es in den jeweiligen Koalitionsverträgen der letzten 20 Jahre kaum oder wenn nur verschämt Erwähnung. Anders im Koalitionsvertrag (Seite 96) der aktuell regierenden „Ampel-Regierung“ von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Sie schreiben: „Wir wollen Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern …“.
Doch an der Umsetzung hapert es bislang. Der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags führte am 20.09.2023 eine Anhörung zur Einführung des Staatsziels Kultur durch. Bei dieser Anhörung wurde deutlich, dass die CDU/CSU-Fraktion einem entsprechenden Gesetzesentwurf nicht zustimmen und damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag nicht erreicht würde. Der Vorwand für die Ablehnung wurde von den Ampelfraktionen frei Haus geliefert, in dem nicht mehr auf den einstimmig verabschiedeten Satz der Enquete-Kommission verwiesen wird, sondern explizit auf „Kultur in ihrer Vielfalt“. Das ist letztlich eine Tautologie, denn Kultur ist per se vielfältig.
So ist aktuell die Verankerung des Staatsziels Kultur erneut in weite Ferne gerückt. Das ist sehr bedauerlich.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann
PS. In zwei wichtigen Arbeitsgruppen des Bundesinnenministeriums (BMI) und des Bundesbauministeriums (BMWSB) wurden wir in dieser Woche aufgenommen. In den „Umsetzungsbeirates der Nationalen Plattform zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“ im BMI und in den Beirat Innenstadt des BMWSB. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Kultur in diesen beiden Ministerien mehr mitgedacht wird. Das freut mich!
2. Politik & Kultur 05/2024 vorab für die Leserinnen und Leser meines kulturpolitischen Wochenreports
Die neue Mai-Ausgabe richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Wo brennt’s? – Kulturpolitik in der Kommune“. Die Beiträge zum Thema finden Sie auf den Seiten 15 bis 27.
Der Leitartikel zu „Die große Freiheit der Kunst. Über die Auslegung von Artikel 5, Absatz 3 des Grundgesetzes“ stammt von Bodo Pieroth, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Politik an der Universität Münster.
Für Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser des kulturpolitischen Wochenreports, gibt es die Mai-Ausgabe als kostenfreies E-Paper (PDF-Datei) schon jetzt hier vorab.
Weitere Themen der Ausgabe 5/24 von Politik & Kultur sind:
Herrenberg
Das sogenannte Herrenberg-Urteil sorgt für Aufregung im Kultursektor. Ein genauerer Blick auf die Situation lohnt.
Gefahren der KI
Die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz für Schriftsteller, Übersetzer und für die gesamte Kulturbranche.
Reform-Tagebuch
Hermann Parzingers neue Kolumne über die Strategie zur Umsetzung künftiger Strukturen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Gegen das Schweigen
Das Berliner Ensemble engagiert sich mit verschiedenen Veranstaltungsformaten für einen offenen Diskurs.
Transatlantische Geschichten
Porträt der Filmemacherin und Präsidentin der Berliner Akademie der Künste Jeanine Meerapfel.
Außerdem: Der Hauptfriedhof in Hanau mit Gedenk- und Grabstätte für die Opfer rechten Terrors; Umbenennung des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; ein Haus in New York für transatlantische Begegnungen; Baukultur in Turkmenistan u.v.m.
3. Schulwettbewerb: Ohren auf für HANAU
Die Initiative kulturelle Integration und der Bundesverband Musikunterricht e.V. loben einen Schulwettbewerb zum fünften Jahrestag des Anschlags in Hanau aus. Alle Musiklehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland sind dazu eingeladen, eine maximal 5-minütige Aufführung ihres Schulensembles, ihrer Klasse oder ihres Kurses zum Themenbereich Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus oder anderen Formen von Ausgrenzung einzureichen.
Der Wettbewerb findet im Rahmen des bundesweiten Aktionstags Hanau statt: Um die Namen der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau vom 19. Februar 2020 nicht zu vergessen und ein deutliches Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Ausgrenzung zu setzen.
- Einsendeschluss ist Freitag, der 15. November 2024.
- Hier geht es zur Ausschreibung.
- Hier finden Sie weitere Informationen zum Wettbewerb.
- Hier erfahren Sie mehr über die Initiative kulturelle Integration.
4. Einladung: „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“ – Sechste Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration
Die diesjährige Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration steht unter der Überschrift „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“.
Die Jahrestagung findet am 15. Mai 2024 von 11:00 bis 17:00 Uhr in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Unter den Linden 78, 10117 Berlin statt.
Anmeldung: Hier können Sie sich direkt anmelden. (Die Veranstaltung ist fast ausgebucht!)
Hier finden Sie das detaillierte Programm der Jahrestagung
- Anmeldefrist: 6. Mai 2024.
- Die Teilnahme ist kostenlos.
5. Text der Woche: „Skandalisierung oder Problembefassung. Über die Notwendigkeit der Aufarbeitung in Fällen von sexualisierter Gewalt“ von Johann Hinrich Claussen
Natürlich kann ich nachvollziehen, wenn man vor dieser Aufgabe zurückschreckt. Aufarbeitung ist hochkompliziert, aufwendig, belastend, misslingt oft und wird nicht belohnt. Ich kann alle verstehen, die sich nicht an sie herantrauen. Weil sie die Ressourcen und Kompetenzen nicht haben. Weil sie nicht überblicken, was auf sie zukommt.
Weil sie die Konflikte scheuen, die sie dabei eingehen müssen. Weil sie die öffentliche Beschämung, den Reputationsverlust fürchten. Weil sie damit die eigene Institution und Karriere gefährden. Weil sie Angst haben. Aber wäre es dann nicht fair und sinnvoll, wenn man das auch zugibt? „Wir machen gute Präventionsarbeit, aber Aufarbeitung schaffen wir nicht.“
Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland
- Lesen Sie den ganzen Beitrag hier.
6. Reaktion auf das wunderbare babylonische Sprachgewirr
Mal Hand aufs Herz: Würden Sie tatsächlich gerne alles verstehen, was andere so sagen? Michael Glaß fragte deshalb nach, weil ich auch hier im Wochenreport, die These aufgestellt habe, dass dank Künstlicher Intelligenz bald alle Sprachbarrieren fielen und dass diese Technik großes Potenzial habe, die Welt zu verbessern: „Die zukünftige Lingua franca ist das wunderbare babylonische Sprachgewirr, das mittels Universalübersetzer für alle verständlich wird“, schrieb ich. Hier seine Reaktion.