DDR-Geschichte anhand von Denkmälern

Der Umgang mit Monumenten nach 1989

Wir sprechen darüber, was verschwunden ist – aber die überwiegende Mehrheit der DDR-Denkmäler ist bis heute erhalten. Welche Bedeutung hat dieser Umstand für die gesamtdeutsche Erinnerungskultur?
Aus meiner Sicht ist der Umstand, dass zahlreiche DDR-Denkmäler bis heute erhalten sind, eine sehr positive Entwicklung. Denn sie bieten einen guten Ansatzpunkt, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Z. B. das Wandbild in Erfurt eignet sich hervorragend, um mit Schülerinnen und Schülern über diese Zeit zu sprechen: Was war das für eine Zeit? Was waren die Überzeugungen? Was waren die Konflikte?
Aktuell soll das große Thälmanndenkmal in Berlin restauriert werden. Beim Entscheidungsprozess stellte nur eine absolute Minderheit die Forderung des Abrisses. Für mich ist das Ausdruck dessen, dass wir uns heute zutrauen, mit diesen Denkmälern umzugehen. Sie haben nichts Bedrohliches mehr. Wir glauben nicht mehr, dass eine Ansteckungsgefahr von ihnen ausgeht. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir damit die Unrechtstaten des SED-Regimes relativieren oder gar einer unkritischen Ostalgie Vorschub leisten. Solche Bedenken sind meiner Ansicht nach unbegründet.

 

Es wurden überwiegend Lenindenkmäler abgerissen. Eines ist vor Kurzem wieder in Gelsenkirchen vor der Zentrale der linksextremistischen Partei MLPD aufgetaucht. Wie ist der Umstand, dass dieses abgerissene Lenindenkmal wieder anderenorts aufgestellt wurde, denkmalhistorisch einzuordnen?
Vereinfacht gesagt, gibt es drei grundlegende Varianten des Verlagerns von Denkmälern. Dabei wird das Denkmal nicht beseitigt, sondern nur an einem anderen Ort wiedererrichtet.
Die erste Variante ist der Übergang in den privaten Besitz. Dafür gibt es viele Beispiele – gerade bei Lenindenkmälern. Der Steinmetz Josef Kurz aus Gundelfingen z. B. hat vielerorts den Kommunen Lenindenkmäler abgekauft und auf seinem Privatgelände wieder aufgestellt. Er wollte einen Skulpturenpark errichten.
Die zweite Variante ist die Versetzung des Denkmals an einen anderen öffentlichen Ort. Beispielsweise in Riesa gibt es ein Lenindenkmal, das ursprünglich sehr zentral stand und dann auf einem kleinen Friedhof für sowjetische Gefallene versetzt wurde. Man hat einen neuen Kontext geschaffen. In solchen Fällen entscheiden die Kommune bzw. der Stadtrat, dass das Denkmal erhalten bleibt, aber an einen anderen Ort versetzt und somit gewissermaßen entschärft wird.
Die dritte Variante ist die Einlagerung und Ausstellung in Museen. Ein Beispiel hierfür ist „Der kleine Trompeter“ in Halle, der heute im Stadtmuseum von Halle steht. Oder denken sie an den Kopf des großen Lenindenkmals in Berlin, der in der Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ gezeigt wird.
Das sind drei Varianten, die man unterscheiden muss. Problematisch aus meiner Sicht ist vor allem die Privatisierung. Denkmalhistorisch ist dies gleichbedeutend mit der Vernichtung. Denn zum einen ist der Bezug zum Ort nicht mehr vorhanden, zum anderen gibt es meist keinen öffentlichen Zugang mehr. Im Gegensatz zu Deutschland wurden in einigen osteuropäischen Ländern Denkmalparks errichtet. Ein prominentes Beispiel ist der Memento-Park in Budapest: Alle Denkmäler, die strittig waren, wurden von ihrem ursprünglichen Standort entfernt und in einem Parkgelände aufgestellt. Eine Art Disneyland des real existierenden Sozialismus.
Problematisch bei solchen Entscheidungen ist, dass ein Denkmal nicht zufällig an einem Ort steht, sondern dieser Bezug zu dem Ort oft sehr wichtig ist. Häufig war das Denkmal Teil eines architektonischen Ensembles, wie etwa im Fall des großen Berliner Lenindenkmals am heutigen Platz der Vereinten Nationen. Daher plädiere ich dafür, diese Denkmäler nicht umzusetzen, sondern sie an Ort und Stelle zu interpretieren.
Neben Erhalten und Beseitigen gibt es nämlich die dritte Option des Interpretierens. Diese reduziert sich nicht nur darauf, eine kleine Plakette anzubringen.

 

Anstatt einer Plakette – wie kann eine solche Neu-Interpretation am Ort aussehen?
In den 1990er und 2000er Jahren gab es bereits viele Beispiele: In Dresden hatte der Künstler Rudolf Herz die Idee, das Lenindenkmal an Ort und Stelle stehen zu lassen und eine Installation mit dem Titel „Lenins Lager“ zu schaffen. Dafür sollte das Denkmal vor Ort in seine Einzelteile zerlegt und diese dann wie eine Art großes Puzzle aus Stein angeordnet werden. Beim Fäuste-Denkmal in Halle wurden am Sockel weitere Jahreszahlen, 17. Juni 1953 und der 9. November 1989, angebracht. Es gab auch die Idee, dass Lenindenkmal in Berlin in eine Schräglage zu bringen. Das sind Beispiele für eine viel stärkere Bildsprache – als eine Plakette. Ein anderes bekanntes Beispiel ist das Graffiti am Marx-Engels-Denkmal in Berlin: „Wir sind unschuldig.“ So können neue Bezüge hergestellt werden. Leider sind diese Ansätze verloren gegangen. Oft reduziert es sich heute auf eine eher „schulbuchhafte Art“: Man bringt eine Plakette an und beschreibt, wie schlimm alles gewesen ist. Das lesen die meisten aber nicht.
Das sind Fragen des richtigen Umgangs, die sich ebenso aktuell beim Umgang mit Kolonialdenkmälern zeigen. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Forderung nach dem Abriss genauso legitim ist wie die Forderung nach dem Erhalt. Beide haben ihre Berechtigung und ihre Argumente.
Aber es gibt eben auch eine dritte Form: die Neu-Interpretation. Die kann auch durch Gegendenkmäler entstehen. Ein Beispiel dafür steht in Hamburg: Am Stephansplatz gibt es das 76er-Denkmal, das auf Initiative ehemaliger Angehöriger des Infanterie-Regiments 76 errichtet wurde. In den 1960er und 1970er Jahren gab es Gespräche darüber, es abzureißen. Stattdessen wurde gegenüber das Gegendenkmal „Hamburger Feuersturm“ errichtet, das symbolisch die Folgen des deutschen Militarismus zeigt. Das ist ein sehr offener Umgang, der nicht relativiert, sondern zu einer Auseinandersetzung motiviert.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2020.

David Johst & Theresa Brüheim
David Johst ist Historiker an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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