Ans Gute zu erinnern fällt Deutschland schwer. Aber es klappt dann doch irgendwann … Nach dem Spatenstich im vergangenen Mai soll nach Auskunft der Bundesregierung voraussichtlich im ersten Quartal 2022 das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin fertiggestellt sein. Das sind dann 33 Jahre nach Mauerfall und 15 Jahre nach dem ersten Beschluss des Deutschen Bundestages von 2007, ein solches Denkmal zu errichten. Nach demselben Beschluss soll auch Leipzig ein entsprechendes Denkmal bauen. Aber dort geht es noch langsamer voran. Leipzig ist nach Wettbewerben, juristischen Auseinandersetzungen über die Weiterentwicklung der Siegerentwürfe und mit einer bewusst breiten Bürgerbeteiligung noch nicht zu anschaulichen Ausführungsplänen vorgedrungen. Erinnerungskultur im demokratischen Diskurs braucht Zeit.
Die Idee der Denkmäler reicht zurück bis 1998, als sie von der Initiative „Denkmal der Deutschen Einheit“ formuliert wurde, zu der der erste demokratisch gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR Lothar de Mazière, der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke, der Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios Jürgen Engert und der Präsident des Bundesamtes für Bauwesen Florian Mausbach gehörten. Sie hatten einen Ideenwettbewerb unter dem Motto „Wir sind das Volk! – Wir sind ein Volk!“ angeregt. Noch bevor es infolgedessen zu Antrag und Beschluss des Deutschen Bundestages kam, wurde die Frage des Denkmalnamens intensiv debattiert, wobei als gemeinsamer Nenner jedoch feststand, dass das Denkmal die „Freude über die Überwindung der deutschen Teilung“ ausdrücken solle. Markant für die Debatte wurde anfangs die Forderung, dass bei aller Freude der Freiheitsgedanke nicht vergessen werden dürfe, denn erst durch die von der Bürgerbewegung erkämpfte Freiheit sei schließlich die Einheit möglich geworden. Das Argument überzeugte bei den zwei weiteren Bundestagsbeschlüssen von 2008 und 2017, weshalb die Reihenfolge im Denkmalnamen auch Freiheits- und Einheitsdenkmal lautet und nicht umgekehrt.
In diesem Sinne hatte etwa der Sozialhistoriker Jürgen Kocka vor einem Denkmal gewarnt, das die Bürgerrechtsbewegung der DDR auf das Streben nach Einheit verkürze. Andere Stimmen erwogen anfangs, über das Erinnern an die gelungene Freiheit und Einheit von 1989/90 hinaus auch an die Revolution von 1848 und den Aufstand vom 17. Juni 1953 sowie deren Opfer zu erinnern. Diese Würdigung der Freiheits- und Einheitsbewegungen vergangener Jahrhunderte ging schließlich im Falle des Berliner Denkmals im künstlerischen Konzept des 2011 gekürten Siegers des zweiten Wettbewerbs auf. Ein erster Wettbewerb wurde abgebrochen, weil die Jury sich nicht mit der erforderten absoluten Mehrheit einigen konnte. Der Siegerentwurf vom Architektenbüro Milla & Partner ist eine „soziale Plastik“, eine begehbare Waage auf 50 Meter Länge. Sie neigt sich, je nachdem wie viel Besucher sich auf der einen oder anderen Seite einfinden. Das Denkmal soll damit die Kraft für mögliche politische Veränderungen veranschaulichen, wenn sich ausreichend Bürger zum gemeinsamen Handeln entscheiden. Der spielerische Charakter des Entwurfs fand in Medien und Feuilleton positive wie negative Aufmerksamkeit, auch Kritik und Spott. Mal mehr, mal weniger liebevoll gemeint, wird das werdende Denkmal bis dato häufig als „Einheitswippe“ tituliert. Standort des Denkmals ist vor dem Berliner Stadtschloss an der Stelle des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals. Ein Ort also, der früher den hohenzollernschen Machtanspruch des Deutschen Reiches symbolisierte, weshalb der Standort von manchen auch skeptisch bis ablehnend gesehen wird. Die Kunsthistorikerin Gabi Dolff-Bonekämper hingegen interpretierte den Standort gerade wegen seiner „historischen Ambivalenz“ als passend. Diese Meinung schlug sich auch als Mehrheitsbeschluss im Deutschen Bundestag nieder. Dennoch: Jenseits des Parlaments meldeten sich namhafte Ablehner zu Wort, darunter Wilhelm von Boddiens Förderverein Berliner Schloss und die Gesellschaft Historisches Berlin sowie Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke). Repräsentative Umfragen etwa von Infratest dimap vom Mai 2017 ergaben seitens der Bevölkerung kein klares Ergebnis: Ablehnung und Befürwortung des Denkmals hielten sich bei den Bundesbürgern – wie schön das passt – die Waage!