Zwischen Erwartungen, Realität und Forderungen: Einschätzungen und Meinungen aus den Verbänden zum „NEUSTART KULTUR“

 

Buchhandel

 

„NEUSTART KULTUR“, so heißt das Programm zur Stärkung der Kulturinfrastruktur. Und dieser Begriff ist treffend, denn er hat nicht nur die schnelle Notfallhilfe, sondern auch die Zukunft im Blick. Und gerade jetzt, wo unsere gesamte Gesellschaft nach dem Corona-Lockdown vor einem Neustart steht, ist eine starke Kulturlandschaft mit Zukunft ganz entscheidend. Mehr denn je brauchen wir verlässliche Informationen, Anstöße zur kritischen Auseinandersetzung und kreative Ansätze, um als Gesellschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen zu können. Die Buchbranche, die sich ihrer wichtigen Rolle beim Gestalten einer freien, demokratischen Gesellschaft bewusst ist, möchte dazu maßgeblich beitragen.

 

Eine Förderung der kulturellen Infra­struktur, die aus Kinos, Buchhandlungen, Theatern, Literaturhäusern, Festivalveranstaltern, Verlagen, Museen, Clubs, Produktionsfirmen und vielem mehr besteht, ist nach den harten Wochen des Lockdowns dringend nötig. Sie wird dabei helfen, dass Künstlerinnen und Künstler wieder auftreten, Autorinnen und Autoren mit ihren Werken wieder sichtbar werden, Filme nicht mehr nur über Streamingdienste und Mediatheken konsumiert, sondern in Kinos erlebt werden können. Sie wird helfen, kulturelle Projekte, die aufgrund der Pandemie nicht umgesetzt werden konnten, wiederzubeleben und neue Projektideen auf den Weg bringen.

 

Erfreulich dabei ist, dass auch an die Förderung digitaler Projekte gedacht wurde. Denn gerade für solche Investitionen dürfte kaum ein Unternehmen derzeit ausreichend Mittel zur Verfügung haben. Wie wichtig es aber sein kann, auf der digitalen Klaviatur spielen zu können, hat uns der Lockdown gelehrt. Gleichzeitig hat er viel kreative Energie im digitalen Bereich freigesetzt. Jeder Euro, der in die kulturelle Infrastruktur fließt, ist also gut investiertes Geld. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Kultur jemals im Rahmen eines Konjunkturprogramms eine Rolle gespielt hätte. Deshalb werte ich es als großen Erfolg, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters ihre Kabinettskolleginnen und -kollegen davon überzeugen konnte, dass die Menschen ein vielfältiges Kulturangebot zum Leben brauchen. Eine Milliarde Euro, das ist viel Geld und am Ende vielleicht doch zu wenig, um in alle Bereiche gleich gut hineinwirken zu können – aber es ist ein sehr guter Anfang und ein wichtiges Signal der Wertschätzung.

 

Verlagen und Buchhandlungen hat die Aussicht auf Projektförderung und Unterstützung bei der Fortentwicklung ihrer Digitalstrategien Mut gemacht. Die wochenlangen Ladenschließungen haben tiefe Löcher in die Kassen der Buchhandlungen und Verlage gerissen. Die Umsätze im Handel gingen teilweise über 50 Prozent zurück. Viele Verlage mussten ihre Neuerscheinungen verschieben, weil ihnen durch Schließungen sowie den Wegfall aller Lesungen, Messen und Veranstaltungen die zentralen Vertriebs- und Werbekanäle weggebrochen sind – ein Zustand, der größtenteils immer noch andauert.

 

Mit der Entscheidung, dass Buchhandlungen frühzeitig und unabhängig von der Ladengröße wieder öffnen dürfen, hat die Bundesregierung gezeigt, dass sie die wichtige Rolle, die die Buchbranche für die Gesellschaft spielt, anerkennt. Seit der Wiedereröffnung sind die Umsätze wieder gestiegen – der Branche steht aber noch ein langer Weg bevor. Viele Unternehmen werden das laufende Jahr mit roten Zahlen abschließen, was angesichts der niedrigen Umsatzrenditen in der Branche besonders kritisch ist. Die Unterstützung vonseiten der Bundesregierung ist deshalb von größter Bedeutung. Sie hilft der Branche, in die Zukunft zu investieren, damit sie selbst ihren wesentlichen Beitrag für ein offenes und freiheitliches Miteinander in unserer demokratischen Gesellschaft leisten kann.

 

Alexander Skipis ist Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels

 

Film und Fernsehen

 

Durch die Corona-Pandemie ist die gesamte Kulturbranche existenziell gefährdet. Die Film- und Fernsehwirtschaft ist davon in besonderer Weise getroffen. Um dies zu veranschaulichen, bedarf es eines Blickes auf die Situation vor der Krise. Die deutsche Produktionswirtschaft befand sich bis Anfang 2020 in einer außerordentlichen Blütezeit. Wir sprachen in der Branche von einem Content-Boom. Befeuert durch zahlreiche Neuproduktionen für Streaming-Unternehmen, nicht nur aufseiten von global agierenden Unternehmen wie Netflix, Amazon und Co., sondern auch durch eine erhöhte Nachfrage bei den öffentlich-rechtlichen sowie den privaten Sendern, stieg der Bedarf nach neuen, in Deutschland produzierten Inhalten im Film- und Serienbereich sowie für Dokumentationen immer weiter an. Es zeichnete sich in einigen Gewerken gar ein Fachkräftemangel ab. Die Corona-Krise hat den überwiegenden Teil von Dreharbeiten gestoppt, geplante Produktionen sind abgebrochen oder verschoben worden. Der Lockdown kam einer Vollbremsung aus voller Fahrt gleich – mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Branche.

 

Die Bundesregierung setzt mit der zusätzlichen Kultur-Milliarde nun ein wichtiges Zeichen für die durch die Corona-Krise schwer getroffenen Branchen in der Kulturwirtschaft. Der Filmbranche sollen nach aktuellem Kenntnisstand davon 120 Millionen Euro zugutekommen. Wichtig wird es jetzt sein, zielgenaue Rahmenbedingungen zu setzen, um den Film- und Fernsehbetrieb im Land wieder zum Laufen zu bringen. Dazu gehört sicherlich die Unterstützung von Kinos, die aufgrund der Virusverbreitung zwangsläufig schließen und damit einen erheblichen Einnahmeausfall verzeichnen mussten. Von besonderer Bedeutung für die Wiederaufnahme der Produktionstätigkeit ist für die Produktionswirtschaft, dass die Rahmenbedingungen einen Ausfallfonds beinhalten, damit Produzentinnen und Produzenten eine Abdeckung für coronabedingte Ausfallrisiken erhalten können. Sogenannte Pandemieschäden sind zurzeit nämlich nicht über die abgeschlossenen Versicherungen gedeckt, weshalb das Ausfallrisiko die Produktionsunternehmen voll treffen würde.

 

Die Produzentenallianz hat in den vergangenen Wochen eindringlich für einen Ausfallfonds geworben, damit mögliche coronabedingte Ausfallrisiken bei künftigen Filmproduktionen abgesichert werden können. Solche finanziellen Risiken wären gerade für kleine und mittlere Unternehmen, aber auch für große Produzenten sehr schnell existenzbedrohend. Produktionsunternehmen brauchen die Gewissheit, dass sie bei erneuten Drehstopps mit den finanziellen Risiken nicht allein gelassen werden.

 

Ohne Ausfallfonds wären die Folgen fatal, denn angesichts dieser existenzbedrohenden Unsicherheit würden gegenwärtig viele Produktionsunternehmen das Risiko scheuen, Dreharbeiten wiederaufzunehmen, vor allem aber würden alle Banken und mitfinanzierenden Dritten, die die jeweils erforderlichen Zwischenfinanzierungen stellen, diese Mittel nicht bereit stellen, sodass selbst Produzenten, die bereit wären, das Risiko in Kauf zu nehmen, mit den Produktionen gar nicht erst beginnen könnten. Das bedeutet, dass die große Nachfrage nach deutschen Produktionen nicht mehr bedient werden könnte, weil Film- und Fernsehproduktionen weitgehend zum Erliegen kämen. Nicht nur die Branche würde nachhaltig Schaden nehmen, auch die Zuschauer müssten mit mehr Wiederholungen statt mit attraktiven Neuproduktionen vorliebnehmen.

 

Wir setzen uns deshalb vehement dafür ein, dass umgehend ein durch staatliche Garantien abgesicherter Fonds mit einem Volumen von 80 bis 100 Millionen Euro für Film- und TV-Produktionen eingerichtet wird. Länder wie etwa Österreich mit einem Fonds über 25 Millionen Euro ohne Selbstbehalt oder Frankreich haben bereits gezeigt, dass die Politik in der Lage ist, rasch solch eine Lösung bereitzustellen. Auch für den Produktionsstandort Deutschland ist eine schnelle Antwort geboten.

 

Christoph Palmer ist Geschäftsführer der Produzentenallianz

 

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