Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?

Die Länder sagen Hilfe zu

Anmerkung: Diese Beiträge wurden zuerst in Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, veröffentlicht. Für den Schwerpunkt „Corona versus Kultur“ in der Ausgabe 4/2020 von Politik & Kultur wurden alle Kulturministerinnen und Kulturminister der 16 Bundesländer für Beiträge angefragt. Für die Ausgabe 4/20 antworteten Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit Beiträgen. Lesen Sie diese Beiträge untenstehend.

Die Bundesländer Berlin, NRW, Saarland, Sachsen und Thüringen antworteten erst in der Ausgabe 5/2020. Lesen Sie diese Beiträge hier.

 

Baden-Württemberg

 

Es ist eine in Friedenszeiten bizarre, historisch einmalige Situation: Museen, Theater, Konzerthäuser, Bibliotheken, Kleinkunstbühnen, kommunale Kinos und andere Orte des öffentlichen Kulturlebens sind seit Mitte März geschlossen. Nach der aktuellen Corona-Verordnung mussten und müssen über mehrere Wochen oder gar Monate Vorstellungen, Lesungen, Ausstellungen, Kabarett-Programme, Gastspiele und Festivals abgesagt werden, zu denen das Publikum in Scharen geströmt wäre. So paradox es ist: Genau dies gilt es derzeit zu verhindern. Wo mit Blick auf Kunst und Kultur bisher von gesellschaftlichem Kit und von sinnstiftendem Miteinander die Rede war, ist als Maßnahme gegen die rasante Ausbreitung des Coronavirus bis auf Weiteres „soziale Distanz“ das Gebot der Stunde.

 

Premieren, Ausstellungen, Events, Programmreihen und mehr, die über Monate oder gar Jahre ersonnen, geplant und einstudiert wurden, in denen das Herzblut und die Kreativität von unzähligen Kulturakteurinnen und -akteuren steckt: Alles umsonst! Selbst Proben und Trainings sind nicht mehr möglich.

 

Was für die Öffentlichkeit nur ein vorübergehender Verzicht auf Kulturgenuss bedeutet, ist für Kreative der Super-GAU. Die Leiterinnen und Leiter der Kultureinrichtungen, die freien Künstler und Künstlerinnen sowie in der Kreativwirtschaft Tätige fragen sich, wie und ob sie die unabsehbaren Einnahme- und Honorarverluste verkraften können. Aufträge und Engagements brechen weg. Viele Kulturinstitutionen sind in eine finanzielle Schieflage geraten, sodass ihre Rolle als Arbeit- und Auftragsgeber gefährdet ist. Darüber hinaus ist fraglich, was mit den Förder- und Sponsorengeldern passiert, die bereits in die Produktionen geflossen sind und nun ihren Verwendungszweck verloren haben.

 

Um das reiche und vielfältige Kulturleben zu sichern, hat die Politik erste Initiativen gestartet, um möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen. Es geht jetzt darum, für die finanzielle Existenz derjenigen einzutreten, die unter den Vorkehrungen gegen die Pandemie-Ausbreitung besonders leiden. In Baden-Württemberg verschaffen wir uns sukzessive einen Überblick über die ökonomischen Härten für die Kunst- und Kulturszene und tun alles dafür, um die gewachsene kulturelle Infrastruktur für die Zeit nach dem Virus zu erhalten und weiter handlungsfähig zu machen. Unter dem Namen „Soforthilfe Corona“ hat die baden-württembergische Landesregierung schon eine Art Erste-Hilfe-Programm aufgelegt. Es richtet sich an Soloselbständige, Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten und Angehörige der Freien Berufe, zu denen auch die künstlerisch-kreativen zählen. Vorgesehen ist ein einmaliger, nicht rückzahlbarer Zuschuss bis zu einer Höhe von maximal 30.000 Euro für drei Monate. Soloselbständige, die durch die Corona-Krise nachweislich ab dem 11. März Einnahme- und Auftragsverluste erlitten haben, können einen Zuschuss in Höhe von 9.000 Euro erhalten.

 

Als ein Zeichen der Solidarität sehe und begrüße ich die vielen Spendenaktionen und private Initiativen, die etwa dazu aufrufen, Eintritte für entfallene Kulturveranstaltungen zu spenden statt zurückzuverlangen. Diesem Aufruf folgen viele und zeigen so ihre Verbundenheit mit der Kultur. Dafür bin ich sehr dankbar und verbinde damit die Hoffnung, dass unsere Gesellschaft nach der Krise nicht nur immun gegen das Virus ist, sondern auch gegen alle Tendenzen der gesellschaftlichen Spaltung. Um es mit dem Jubilar Friedrich Hölderlin zu sagen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.

 

Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

 

Bayern

 

Die Ausbreitung des Coronavirus bringt in allen Bereichen unseres Lebens einschneidende Veränderungen mit sich. Sie stellt auch eine enorme Herausforderung für unsere einzigartige und weltweit beachtete kulturelle Vielfalt dar.

 

In einer humanen und demokratischen Gesellschaft müssen wir zusammenhalten und auf diejenigen achten, die besonders gefährdet sind. Daher gelten derzeit zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger weitreichende Einschränkungen im bayerischen Kulturbetrieb: Staatliche Theater, Konzertsäle und Opernhäuser sind geschlossen, genauso wie Museen, Sammlungen, Archive und Bibliotheken. Sämtliche öffentlichen Veranstaltungen wurden abgesagt. Mit diesen Maßnahmen hoffen wir, wertvolle Zeit im Kampf gegen das Virus zu gewinnen.

 

Klar ist: Der abrupte Wegfall dieser kulturellen Angebote hinterlässt eine empfindliche Lücke im gesellschaftlichen Leben. Gerade jetzt wird deutlich, wie selbstverständlich unser reiches Kulturleben bisher für uns war. Wir sehen, wie elementar wichtig alle Formen der Kultur für unser Sozialleben sind. Die Kulturszene ist deshalb trotz der Einschränkungen weiter aktiv – sie hat sich ins Digitale verlagert: Museen, Galerien, Theater und Opernhäuser stellen ihre Angebote dem Publikum über Strea­mingdienste, Facebook, Twitter und Instagram zur Verfügung. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Pandemie weitreichende wirtschaftliche Folgen haben wird. Die notwendigen Maßnahmen stellen unsere staatlichen Einrichtungen wie auch die freien Theater, freischaffenden Schauspieler, Regisseure, Musiker, Buchhändler, Kinos und Galerien vor große Herausforderungen. Kulturschaffende und Kulturveranstalter sind durch die Absage von Veranstaltungen schwer – teilweise existenziell – betroffen.

 

Kunst und Kultur haben in Bayern einen zentralen Stellenwert. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, Schutzmechanismen aufzustellen, mit denen wir nicht nur akute Nöte lindern, sondern auch die kulturelle Vielfalt für die Zukunft sichern können. Der Freistaat Bayern stellt bis zu 20 Milliarden Euro für die bayerische Wirtschaft bereit. Über das Soforthilfeprogramm „Corona“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums stehen schnell und unbürokratisch je nach Betriebsgröße bis zu 30.000 Euro für kleine Betriebe, Selbständige und freiberuflich Tätige zur Verfügung. Dies gilt ausdrücklich auch für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft. Über die Sozialversicherungssysteme bestehen weitere Hilfsmöglichkeiten. Daneben können Kulturschaffende über ihre Hausbank Darlehensprodukte der LfA Förderbank sowie verschiedene Bürgschaftsprogramme beantragen. Zudem habe ich mich als Vorsitzender der Kulturministerkonferenz erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch in die Krisenprogramme des Bundes und insbesondere in das dortige Soforthilfeprogramm für Soloselbständige, Angehörige der Freien Berufe und Kleinstunternehmen einbezogen wird. Auch gemeinnützige Kultureinrichtungen haben wir im Fokus. Für die zahlreichen Förderempfänger bedeuten diese Zeiten eine große Unsicherheit. Wir sind dabei, flexible und gerechte Lösungen zu entwickeln, um bei der Absage und Verschiebung von Veranstaltungen existenzielle Härten zu vermeiden. Dabei werden wir natürlich auch alternative, insbesondere digitale Formate, berücksichtigen.

 

Ich bin überzeugt, dass wir so diese schwere Zeit gemeinsam bewältigen können. Die Bayerische Staatsregierung wird sich nach Kräften bemühen, die Zukunft unserer vielfältigen Kulturszene zu sichern, denn wir werden unsere Kunst- und Kulturschaffenden nach überstandener Krise dringend brauchen: Als Brücke in die Normalität und als wertvolle Bereicherung unserer Gesellschaft.

 

Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst

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