Nordrhein-Westfalen
Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie und trotz wichtiger Erfolge in der Impfstoffentwicklung ist die Krise nicht überstanden. Wir müssen davon ausgehen, dass die Virusmutationen eine erneute und möglicherweise deutlich schnellere Ausbreitung des Virus bewirken werden. Vor diesem Hintergrund hat die Eindämmung des Infektionsgeschehens weiterhin Priorität – selbstverständlich auch im Kulturbereich.
Und doch ist die Situation eine andere als vor einem Jahr. Die mit aus der Not geborener Eile etablierten Unterstützungsprogramme im Frühjahr 2020 konnten justiert, aufgestockt und an die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden. Dabei spielt der kontinuierliche Austausch mit den Institutionen, den Verbänden und Kulturschaffenden eine zentrale Rolle. Er ist das ständige Korrektiv unseres politischen Handelns.
Aktuell begegnen wir als Landesregierung in Nordrhein-Westfalen der Situation auf vier Ebenen: Wir federn die Situation der Betroffenen finanziell ab; wir setzen unsere Stärkungsinitiative Kultur ungeachtet dieser Sonderausgaben planmäßig fort; wir bereiten eine verantwortungsvolle Öffnung der Kultureinrichtungen politisch und infrastrukturell vor; und wir entlasten die Kommunen, um Etatkürzungen im Kulturbereich – der ja zu 70 Prozent in kommunaler Verantwortung liegt – zu verhindern. Damit möchten wir den Kulturschaffenden eine Perspektive geben und zugleich die Strukturen der Kulturlandschaft erhalten – denn Schäden an diesen, über lange Zeiträume gewachsenen Strukturen sind oft irreversibel.
Wie sieht das ganz konkret aus? Mit dem Kulturstärkungsfonds, der das Bundesprogramm NEUSTART KULTUR gezielt ergänzt, unterstützen wir mit bis zu 80 Millionen Euro Einrichtungen, die durch die pandemiebedingten Schließungen Einnahmeausfälle erleiden. Dazu zählen Theater, Orchester und Museen in Trägerschaft des Landes und der Kommunen, soziokulturelle Zentren, Festivals, ehrenamtlich getragene Vereine, aber auch Musikspielstätten und Clubs.
Im Sommer haben wir ein Stipendienprogramm mit einem Volumen von 105 Millionen Euro aufgelegt, das es 14.500 freien Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht hat, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen.
Wie bereits erwähnt, werden wir unsere Kulturausgaben ungeachtet dieser Sonderzahlungen weiter steigern. Mit Beginn der Legislaturperiode hatten wir angekündigt, den Kulturetat bis 2022 um insgesamt 100 Millionen Euro auf dann 300 Millionen Euro zu erhöhen, und dabei bleibt es.
Parallel dazu bereiten wir die verantwortungsvolle Öffnung der Kultureinrichtungen vor – denn das ist die wirksamste Form, die Kulturszene zu stabilisieren. Im Kreise der Kulturminister haben wir einen Dreistufenplan entwickelt, der die Öffnung der verschiedenen Kultureinrichtungen an denen der Schulen und Kitas, des Einzelhandels und der Gastronomie ausrichtet und so ihre gesellschaftliche Relevanz und Solidarität unterstreicht. Darüber hinaus haben wir eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Belüftungskonzepten als zentralem und planbarem Faktor bei der Öffnung der Häuser befasst. Die Arbeitsgruppe hat eine Studie der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft in 27 Theatern und Konzerthäusern in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Ergebnisse sollen in einigen Wochen vorliegen.
Die Kommunen werden konkret durch den Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen, eine Erhöhung der Finanzausgleichsmasse und Sonderhilfen für überschuldete Kommunen unterstützt. Darüber hinaus werden wir die Kommunen in die Pflicht nehmen, indem wir auch zukünftig die Landesförderung an ihr Engagement koppeln.
Die Pandemie hat Künstlerinnen und Künstler nicht nur in eine akute Notsituation gebracht. Sie hat auch mit großer Deutlichkeit gezeigt, wie fragil die ökonomische Absicherung ihres Lebensmodells ist. Deshalb arbeiten wir im Kreis der Kulturministerinnen und -minister parallel zu den Akutmaßnahmen daran, ihre soziale Absicherung grundsätzlich zu verbessern. Hier geht es z. B. um die Rolle der Künstlersozialkasse, aber auch um den Zugang zur Arbeitslosenversicherung.
Denn das letzte Jahr hat uns eines gelehrt: Wir können Pandemien nicht verhindern, wohl aber Strukturen schaffen, die die Kulturszene und ihre Akteurinnen und Akteure weniger verwundbar machen.
Isabel Pfeiffer-Poensgen ist Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Rheinland-Pfalz
Seit das Virus grassiert, ist allenthalben die Rede davon, dass unter Corona-Bedingungen gesellschaftliche Verhältnisse wie unter einem Brennglas sichtbar werden. Ich halte diese These für richtig und meine, dass sie ganz besonders die Verwundbarkeit des Kulturbereichs übergroß deutlich macht. Öffentlich geförderte Theater, Orchester und Museen können zwar auf Kurzarbeitergeld und sonstige Maßnahmen zurückgreifen, doch viel schwieriger sieht es derzeit aus, wenn wir die freie Szene in den Blick nehmen. Wir reden hier von den Soloselbständigen, den unständig Beschäftigten oder den kurz befristeten Beschäftigten. Sie sind in besonderer Weise von den geltenden Einschränkungen betroffen. Für sie geht es erst einmal nicht um die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen sie ihren Betrieb wieder hochfahren; für sie geht es ums nackte Überleben.
Eine vergleichbare Ausgangslage haben die vielen meist ehrenamtlich oder semiprofessionell geführten Kultureinrichtungen und -vereine. Sie alle sind in einem ländlich strukturierten Flächenland wie Rheinland-Pfalz elementarer Bestandteil unserer Kulturszene. Und zwar deshalb, weil sie im Verbund mit den freien Künstlerinnen und Künstlern die kulturelle Grundversorgung unseres Landes sicherstellen – zumeist jenseits der urbanen Lebensräume.
Um sie alle zu unterstützen, haben wir im Frühjahr des vergangenen Jahres ein mit 15,5 Millionen Euro ausgestattetes Hilfsprogramm „Im Fokus. 6 Punkte für die Kultur“ aufgelegt. In sechs Teilbereichen reagieren wir mit dieser Initiative auf die Bedarfe der freien Szene. Ganz bewusst lassen wir dabei die großen Institutionen außen vor, an deren Erhalt schon ihre jeweiligen Rechtsträger ein hohes Eigeninteresse haben. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, Einrichtungen und Vereine, die in den wenigsten Fällen institutionell, in der überwiegenden Zahl allenfalls projektbezogen gefördert werden. Deren Geschäftsmodell, Einnahmen aus Auftritten zu erzielen, funktioniert unter Pandemiebedingungen nicht mehr.
Im Zentrum unseres Fokus-Programms stehen Stipendien für professionelle Kulturschaffende à 2.000 Euro. Über 2.750 haben wir seit dem Start des Programms im Mai 2020 in inzwischen drei Antragsrunden bewilligt. Wir wollen damit zweierlei: zum einen den Künstlerinnen und Künstlern finanziell unter die Arme greifen, ihnen aber zugleich signalisieren, dass wir als Land ein gesteigertes Interesse haben, dass sie weiterhin tätig bleiben. Wie das gelingt, zeigen die Beispiele, die wir auf einer digitalen Plattform einstellen, die wir „Kulturschaufenster“ nennen. Sie alle belegen eindrucksvoll, dass auch unter Pandemiebedingungen spannende und berührende Kunst geschaffen wird.
Neben diesen Stipendien gehören unter anderem Unterstützungen für Programmkinos und Kulturvereine, Aufstockungsgelder für Empfänger von Projektförderungen und eine Million Euro für Digitalisierungsmaßnahmen im Bereich der freien Kultur zu den Säulen des Fokus-Programms. Nach meinem Eindruck schaffen wir damit gute Voraussetzungen, dass es in Rheinland-Pfalz auch in der Nach-Corona-Zeit eine vielfältige und lebendige Kulturszene geben wird.
Konrad Wolf ist Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.
Saarland
Wie können nach langen Wochen des Lockdowns Öffnungsperspektiven gegeben werden? Diese Frage ist gerade auch für die Kultur wichtig. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, zunächst Museen und Galerien die Öffnung unter Auflagen zu ermöglichen, wenn sich die Pandemie-Lage weiter positiv entwickelt. Die Kulturministerinnen und -minister der Länder haben bereits eine Strategie der stufenweisen Öffnung vorgelegt, die im jüngsten Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz und der Bundeskanzlerin leider aber nur teilweise berücksichtigt worden ist. Eine mittelfristige Öffnungsperspektive für Kultureinrichtungen, Kunst- und Kulturschaffende ist aber dringend notwendig – auch viele Vereine wollen wissen, wie es weitergeht.
Die Lage ist und bleibt angespannt. Vielen Kulturschaffenden im Saarland, insbesondere auch soloselbständigen Kunst- und Kulturschaffenden, fehlen Einnahmen aus den vergangenen Monaten und natürlich auch ihr Publikum, das kreative Schaffen, das Auftreten und Präsentieren ihrer Arbeit. Sie sind seit Beginn der Coronakrise stark von den Maßnahmen zu ihrer Bewältigung betroffen. Unterschiede gibt es hier natürlich auch. Die großen, öffentlich geförderten Institutionen haben in der Krise naturgemäß einen Vorteil gegenüber freien Künstlerinnen und Künstlern, Selbstständigen und Kulturvereinen. Diese unterschiedliche Betroffenheit in der Kulturlandschaft haben wir im Saarland von Beginn an berücksichtigt.
Bereits im letzten Jahr haben wir im Saarland ein Hilfspaket für die Kultur geschnürt. Zum einen haben wir dafür gesorgt, dass auch Kunst- und Kulturschaffende Zugang zu den Soforthilfen des Landes erhalten und die Zusagen der Projektförderung auch dann aufrechterhalten wurden, wenn Projekte nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden konnten. Darüber hinaus haben wir ein Stipendienprogramm und den Kunstankauf für die Kunstsammlung des Landes ausgeweitet. Insgesamt haben wir für rund 125.000 Euro Werke von 71 Künstlerinnen und Künstlern erworben. Kulturvereine haben wir in großem Umfang mit der Vereinshilfe Saarland unterstützt – über 900 Vereine, insbesondere der Breitenkultur, haben davon profitiert.
Um das künstlerische Schaffen auch in der anhaltenden Krise weiter zu fördern, legen wir das Stipendienprogramm für soloselbständige Kunst- und Kulturschaffende jetzt mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Millionen Euro neu auf. Im Mittelpunkt des ersten saarländischen Kulturgipfels im Mai des letzten Jahres stand die Vernetzung der kulturellen Akteure – hieraus sind fruchtbare Kooperationen entstanden, etwa zwischen der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und der freien Szene sowie dem Saarländischen Staatstheater und dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte. An diesen Erfolg möchte ich mit einem zweiten Kulturgipfel im März dieses Jahres anknüpfen – diesmal wird es um konkrete Öffnungsperspektiven und die Bewältigung der mittel- und langfristigen Krisenfolgen gehen.
Der Lockdown darf nicht zum Dauerzustand werden – auch nicht für die Kultur. Denn Kunst und Kultur sind kein verzichtbarer Luxus, sondern Lebenselixier für eine demokratische Gesellschaft.
Christine Streichert-Clivot ist Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland.