Was tun die Länder?

Über Länderprogramme und -initiativen zur Linderung der Corona-Not im Kulturbereich

Baden-Württemberg

 

Keine Frage, die Corona-Pandemie und ihre teilweise noch nicht abzuschätzenden Folgen stellen die Künstlerinnen und Künstler und die Kultureinrichtungen vor massive, oft existenzielle Herausforderungen. Viele Betroffene sind mittlerweile schon dankbar, wenigstens proben oder trainieren zu dürfen. Um das für unsere Ballettensembles zu ermöglichen, wurde der Bühnentanz zum Hochleistungssport erklärt. Bei allen Einschränkungen gelingt es unseren Institutionen dennoch immer wieder, selbst unter schwierigsten Bedingungen Herausragendes zu leisten. Ich denke hier etwa an den von der New York Times als „production of the year“ geadelten Theaterparcours, an dem 2020 alle drei Sparten der Württembergischen Staatstheater mitwirkten, an Festivals, die erfolgreich digital stattfanden, oder an die vielen online eröffneten Ausstellungen wie die über Anselm Kiefer in der Kunsthalle Mannheim mit virtuellen Führungen. Es ist ein regelrechter Boom an digitalen Kulturangeboten zu verzeichnen. Hier zahlt sich aus, dass wir mit der Förderlinie „Digitale Wege ins Museum“ schon vor der Pandemie stark in digitale Kompetenz investiert haben. Und weil auch nach Corona ein Teil des Publikums über das Internet ins Museum kommen wird, haben wir an den Landesmuseen 20 dauerhafte Stellen für Digitalmanagerinnen und Digitalmanager geschaffen.

 

Klar ist aber auch: Während die landeseigenen und institutionell geförderten Kultureinrichtungen im zweiten Lockdown über das Instrument der Kurzarbeit ihr ökonomisches Defizit auffangen können, wächst in der freien Kulturszene die Not. Ich erinnere hier an den in Baden-Württemberg im Zuge der Soforthilfe eingeführten fiktiven Unternehmerlohn – hier waren wir bundesweit Vorreiter. Auch die Bürgerschaft leistet mit Spendensammlungen für in Not geratene Kreative einen nicht geringen Beitrag. Ohne Zweifel ein Zeichen hoher Wertschätzung.

 

Die freischaffenden Kreativen brauchen aber nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch Arbeitsmöglichkeiten. Daher hat das Land mit rund 200 Millionen Euro an Hilfen wie dem „Masterplan Kultur BW | Kunst trotz Abstand“ besonders die Soloselbständigen im Kreativbereich im Blick.

Indem Honorare gefördert wurden, regte das Land gezielt die Zusammenarbeit mit freien Künstlerinnen und Künstlern an. Laufende Ausschreibungen wie etwa der Preis für Kleinkünstlerinnen und Kleinkünstler, aber auch Einzelstipendien des Landes sind Signale, die Soloselbständigen Mut machen. Ebenso wurden die Mittel für Kunstankäufe erhöht. Auch für die Filmwirtschaft gibt es Hilfen, etwa durch die Erhöhung der Kinoprogrammpreise. Von wechselnden Jurys wurden im Vorjahr fast 400 Kulturprojekte ausgewählt. Viele davon füllten das Vakuum auf so überraschende und neuartige Weise, dass sich die Beschränkungen letztlich als Ideengeber erwiesen.

 

Das oberste Ziel aller Maßnahmen ist es, die kulturelle Infrastruktur in ihrer Vielfalt und Breite zu erhalten. Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt auf den vielfach ehrenamtlich getragenen Vereinen der Breitenkultur. So stärken wir die rund 9.000 Vereine, die vom Freiburger Institut für Musikermedizin bei ihren Hygienekonzepten beraten werden, in den Jahren 2020 und 2021 mit einer Soforthilfe in Höhe von 20 Millionen Euro.

 

Fieberhaft und zugleich mit Bedacht arbeitet die Kulturpolitik mit den Kulturakteuren und Fachleuten aus dem Expertenkreis Aerosole der Landesregierung an Öffnungsszenarien. Ich setze darauf, dass der erlebte temporäre Verlust gemeinsamer kultureller Veranstaltungen das Bewusstsein für die Relevanz von Kunst und Kultur steigern wird. Nicht nur, weil wir ihre Angebote dringend brauchen, um die gesellschaftlichen Erschütterungen zu reflektieren. Auch weil die Zukunft in den freien, kreativen und innovativen Impulsen der Künstlerinnen und Künstler liegt, die es nun stärker abzusichern gilt.

 

Theresia Bauer ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg.

 

 

Bayern

 

Hinter uns liegen fordernde und schwierige Monate. Wir alle haben gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unseren Alltag gekämpft. Und die größte Herausforderung stellt die aktuelle Situation nach wie vor für unsere Kunst- und Kulturschaffenden dar. Wir hatten im letzten Sommer mit dem Abflauen der Pandemie Hoffnung geschöpft: Live-Formate wie Konzerte, Theatervorstellungen oder auch Museumsbesuche waren zwischenzeitlich unter Einhaltung strenger Hygienemaßgaben wieder möglich geworden. Mit einem Pilotversuch für die Staatsoper und zwei Konzertsäle in Bayern hatten wir zudem wissenschaftlich begleitet sicheren Kulturgenuss für größere Zuschauergruppen getestet und für Oktober weitere Öffnungen ins Auge gefasst. Doch dann hat uns das Infektionsgeschehen eingeholt. Seit November bleiben viele Bühnen leer, viele Mikrofone stumm.

 

Die Kunst- und Kulturszene im Freistaat hat sich in bemerkenswerter Weise gegen die widrigen Bedingungen aufgebäumt: Mit einem vielfältigen Angebot an digitalen Lösungen und mit kreativen Alternativformen holt sie die Menschen aus ihrer Isolation hinein in die Welt der Kunst und Kreativität. Dafür bin ich sehr dankbar, denn Kunst und Kultur können gerade in diesen schwierigen Zeiten eine sinnstiftende und verbindende Funktion einnehmen.

 

Das Kulturleben prägt das gesellschaftliche Leben in Bayern maßgeblich mit. Deshalb haben wir gleich von Beginn der Krise an alles darangesetzt, unsere Kunst- und Kulturschaffenden sowie die kulturelle Infrastruktur so gut es geht zu unterstützen. Aus unserem Spielstättenprogramm zahlen wir passgenaue Hilfen an kleine und mittlere Bühnen sowie dezentrale Kulturveranstalter aus, ebenso für gemeinnützige Laienmusikvereine. Mit dem Soloselbstständigenprogramm, das unser Künstlerhilfsprogramm zu Beginn der Pandemie ablöst, ersetzen wir den sogenannten fiktiven Unternehmerlohn bis zu 1.180 Euro für Künstlerinnen und Künstler und Angehörige kulturnaher Berufe – seit Antragsstart Mitte Dezember konnten wir hier bereits rund 1.400 Anträge mit einem Gesamtvolumen von rund 3,67 Millionen Euro bewilligen. Ergänzt wird das Programm mit einem Stipendienprogramm für junge Künstlerinnen und Künstler, das in Kürze anlaufen wird.

 

Wir wünschen uns natürlich sehr, dass wir Kunst und Kultur bald wieder uneingeschränkt vor Ort erleben können. Wann und unter welchen Bedingungen vorsichtige Öffnungen möglich sind, hängt von der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens ab. Wir sind aber vorbereitet: Unter meinem Vorsitz wurden in der Kulturministerkonferenz bereits letztes Jahr länderübergreifend Konzepte für die Kunst- und Kulturszene erarbeitet. Mit einem Stufenplan wollen wir eine Öffnung von Kunst und Kultur im Schulterschluss mit anderen Bereichen wie Einzelhandel und Gastronomie sicherstellen. Wir müssen durchhalten und geduldig bleiben, um diese Krise zu überwinden. Die begonnenen Impfungen schenken uns aber Hoffnung und Perspektive auf neue Möglichkeiten.

 

Bernd Sibler ist Bayerischer Staats-minister für Wissenschaft und Kunst.

 

 

Berlin

 

in Jahr Coronakrise heißt: ein Jahr lernen im Tempo der Pandemie. Ein Blick auf die „aktuelle Lage“ ist daher nur eine Momentaufnahme. Das heißt: eine sinkende Zahl von Covid-Neuinfektionen und, zum Glück, auch Toten. Das heißt aber auch: gefährlichere Corona-Mutanten wie B1.1.7. drohen, sich in Deutschland und in Berlin zu verbreiten. Es ist noch nicht vorbei. Leider.

 

Für die Kultur und ihre Perspektiven fällt Optimismus schwer: Solidarität ist gefragt – mit den Betroffenen und die Solidarität der Künstlerinnen und Künstler untereinander. Es klingt wie eine Binse, ist aber auch ein Ergebnis des Lernens: Nur gemeinsam kriegen wir den Virus besiegt, nur gemeinsam retten wir unsere Kulturlandschaft und nur gemeinsam und verantwortlich können wir Schritt für Schritt Kultur wieder ermöglichen, erlebbar machen.

 

Noch sind Hilfen für den Kultursektor unabdingbar. Wir werden sie weiter brauchen und weiter ausreichen, vielleicht bald nicht mehr als unmittelbar existenzsichernd, aber für einen Neustart braucht es dann einen finanziellen Anschub.

 

Im Prinzip sind Bühnen, Museen und Kultureinrichtungen jetzt seit einem Jahr dicht. Noch im März 2020 haben wir die Soforthilfe II auf den Weg gebracht, um Soloselbständigen und Freiberuflerinnen und Freiberuflern zu helfen – darunter viele Künstlerinnen und Künstler, denen von jetzt auf gleich alle Einnahmen wegbrachen. Mit der Soforthilfe IV unterstützen wir private Kulturbetriebe, diese geht demnächst in die vierte Runde. Für 18 Millionen Euro haben wir 2.000 Corona-Stipendien ermöglicht, die zumindest Linderung verschaffen und einem Teil der Akteurinnen und Akteure erlauben, ohne Existenzangst künstlerisch zu arbeiten, dazu Projekte wie „Draußenstadt“ oder den „Tag der Clubkultur“. Lebenszeichen. Immerhin.

 

Kulturschaffende, die in öffentlichen Einrichtungen angestellt sind, stehen besser da. Aber auch nicht gut. Sicherungsseile und -netze braucht es auch hier.

 

In der steten Erwartung ehrlicher Perspektiven waren wir im letzten Jahr nicht untätig: Die Kultureinrichtungen haben passgenaue Hygiene- und Schutzkonzepte erarbeitet, die einen verantwortungsbewussten Betrieb zulassen. Die Beachtung der AHA-Regeln sind für die Besuchenden von Kultureinrichtungen eine Selbstverständlichkeit. Die Nachverfolgbarkeit der Besucherkontakte wurde sichergestellt. Es wurden differenzierte Schutzkonzepte für die Beschäftigten entwickelt, an Lüftung und Belüftung gearbeitet. Alles Maßnahmen und Instrumente, die schnell reaktiviert und genutzt werden können.

 

Wir könnten mit außerschulischen Bildungsangeboten in Kultureinrichtungen starten, dann könnten Museen, Galerien, Gedenkstätten und Bibliotheken sowie vergleichbare Einrichtungen spätestens mit der Öffnung des Einzelhandels einen Basisbetrieb anbieten. Letztlich dürften auch Veranstaltungen in Theatern, Opernhäusern und Konzerthäusern, Kinos sowie Proben und Auftritte der Laien- und Amateurkultur möglich sein, wenn auch Betriebe der Gastronomie wieder öffnen dürfen.

 

Für mich ist das mehr Plan als Wunsch. Wann wir an seine Umsetzung gehen können, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Bis dahin braucht es weiter die Solidarität mit den Betroffenen und aller untereinander.

 

Klaus Lederer ist Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa in Berlin.

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