Was tun die Länder?

Über Länderprogramme und -initiativen zur Linderung der Corona-Not im Kulturbereich

 

Hessen

 

Die schwierige Situation für die Kulturbranche dauert nun schon fast ein Jahr. Auch wenn es inzwischen bessere Unterstützungsprogramme des Bundes gibt als zu Beginn oder sie zumindest angekündigt sind: Die Pandemie belastet die Institutionen und vor allem die freien Akteure in der Kultur.

 

Wir haben als Land Hessen schon im April 2020 ein Paket für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende geschnürt, ausgestattet mit gut 50 Millionen Euro. Wir haben es damit geschafft, die in Hessen besonders reichen Festivalstrukturen zu erhalten, wir haben rund 200 Spielstätten bei Anpassungen an die Corona-Bedingungen unterstützt und vielen Freiberuflerinnen und Freiberuflern durch zwei Stipendienprogramme die Weiterarbeit ermöglicht. Dann kam der zweite Lockdown.

 

Wir haben deshalb nun ein zweites Kulturpaket aufgelegt. Wie schon das erste soll es möglichst passgenau die Entwicklung der Pandemie in den Blick nehmen und Bundesprogramme ergänzen, statt sie zu ersetzen. Wir schauen uns genau an, wo Lücken entstehen. Zudem haben wir die Erfahrungen mit dem ersten Paket sorgfältig analysiert. So wurden die Mittel für die in großer Zahl bereitgehaltenen Arbeitsstipendien nur zu einem kleinen Teil ausgeschöpft, obwohl sie sehr einfach beantragt werden konnten. Die höher dotierten, aber selektiv vergebenen Projektstipendien wurden vollständig verteilt. Viele Länder haben ähnliche Erfahrungen gemacht.

 

Die im März startenden neuen Brückenstipendien stehen allen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse offen. Wir haben die bereitgestellten Mittel nach der Zahl bemessen, die in der ersten Runde abgerufen wurden. Und damit Künstlerinnen und Künstler leichter einen Weg durch die Vielfalt der Hilfsangebote finden, stärken wir die Verbandsstrukturen mit einem Corona-Bonus für Beratung, der die Verbände der Branche unterstützt.

 

Für Spielstätten und Kinos richten wir einen Fonds zur Liquiditätssicherung ein, der auch über den besucherschwachen Sommer eine Perspektive für den Erhalt der Kulturlandschaft sichert. Und weil nicht nur Künstlerinnen und Künstler Perspektiven und Auftrittsmöglichkeiten brauchen, sondern auch das Publikum hungrig ist nach Kultur, investieren wir „Ins Freie!“: mit zehn Millionen Euro für neue Auftrittsmöglichkeiten unter freiem Himmel oder in Pop-Up-Spielstätten im Sommer 2021. Denn während die Pandemie kaum Voraussagen für den Kulturbetrieb in Innenräumen zulässt, werden Open-Air-Veranstaltungen mit großer Wahrscheinlichkeit unter Einhaltung der Hygieneregeln stattfinden können. Wir wollen helfen, bestehende Programme zu erweitern und neue Spielstätten zu schaffen, auch in Kooperation zwischen Initiativen und Kommunen.

 

Die Unsicherheit können wir nicht verschwinden lassen, sie liegt in der Natur der Pandemie. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir dazu beitragen, dass Kulturschaffende den langen Atem behalten, den sie so eindrucksvoll zeigen. Es gibt Hoffnung: Wir lernen immer mehr über die Verbreitung des Virus und die Impfungen kommen so voran, dass die – sicher schrittweise – Rückkehr zur Normalität am Horizont erscheint.

 

Angela Dorn ist Ministerin für Wissenschaft und Kunst in Hessen.

 

 

Mecklenburg-Vorpommern

 

Nach einer so langen Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen im gesamten Kulturbereich ist die Situation für viele Kulturschaffende äußerst prekär. Wo der Kulturbetrieb sich nicht in den digitalen Raum verlagern konnte, steht er still – seit Wochen und Monaten. Künstlerinnen und Künstlern fehlt der Raum für ihr künstlerisches Tun und somit auch die Chance zum Broterwerb. Und der Gesellschaft fehlt gerade in der aktuellen Krisensituation die notwendige künstlerische Auseinandersetzung schmerzlich. Je mehr Zeit im Lockdown verstreicht, desto klarer wird für alle: Kunst und Kultur sind kein reiner Freizeitspaß, sondern elementar für das Wohlergehen einer demokratischen Gesellschaft. Deswegen müssen kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche, Museen, Bibliotheken und dann auch Theater und Kinos fest im Blick sein, wenn die Infektionszahlen erste Öffnungsszenarien zulassen.

 

Gleichzeitig ist es die Aufgabe von Politik – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – Sorge zu tragen, dass diese Krise keine Löcher in unsere reiche Kulturlandschaft reißt. Vor diesem Hintergrund begann die Landesregierung früh mit der Unterstützung der Kulturschaffenden: Im April 2020 wurde der MV-Schutzfonds Kultur aufgelegt. Er ist dafür gedacht, Lücken anderer Hilfsprogramme von Bund und Land zu schließen. Wir unterstützen z. B. freie Künstlerinnen und Künstler mit einem Überbrückungsstipendium, die mangels Betriebsausgaben keine Wirtschaftshilfen erhielten. Dieses Programm wird sehr gut im Land nachgefragt, so dass wir es im Januar 2021 um weitere sechs Monate verlängert haben. Der MV-Schutzfonds Kultur basiert insgesamt auf sieben Säulen. Drei davon richten den Blick auf die kulturellen Trägerstrukturen. Die weiteren Säulen stützen Träger der Weiterbildung und der Gedenkstättenarbeit. Darüber hinaus stellt das Land die Co-Finanzierung für den NEUSTART KULTUR bereit. Insgesamt umfassen die sieben Säulen 20 Millionen Euro. Das Feld der Hilfsempfänger kann unterschiedlicher nicht sein: Es profitieren sowohl Einzelpersonen, kleine Projekte als auch große Träger wie das Deutsche Meeresmuseum oder die renommierten Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.

 

Wir sind in dieser Krisenzeit im ständigen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern von Kunst und Kultur in unserem Land. Gemeinsam mit den Intendanten der Theater beraten wir beispielsweise intensiv über gangbare Wege für die stufenweise Öffnung der Theater und Konzertsäle. Auch die Information in die Kulturszene hinein über die große Bandbreite der Fördermöglichkeiten ist wichtig. Dafür setzen wir auf eine breitgefächerte Aufklärungskampagne und arbeiten eng mit den Kultur-Service-Stellen zusammen. Denn die Einrichtungen brauchen Vertrauen und Wertschätzung, um an ihrer Schaffenskraft festzuhalten.

 

In jeder Krise steckt auch eine Chance. So wie die Pandemie die Digitalisierung der Schulen voranbringt, ermöglicht sie eine kulturpolitische Neuausrichtung. Bereits vor der Krise brachte das Land mit vielen Partnern die ersten kulturpolitischen Leitlinien auf den Weg. Diese regeln die Kooperation zwischen Kulturschaffenden und öffentlichen Institutionen neu.

 

Ich halte es für wichtig, dass wir nun auch die Debatte darüber führen, was wir aus der Krise für die zukünftige Aufstellung des Kulturbetriebs lernen können. Denn Ziel muss es sein, den Kulturbetrieb langfristig so krisenfest zu machen, dass er in der nächsten Notlage nicht in seiner Existenz bedroht ist.

 

Bettina Martin ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

 

 

Niedersachsen

 

Die pandemiebedingten Schließungen haben die Kultur aus ihren vertrauten Räumen vertrieben. Viele Kulturschaffende suchen alternative Wege, um sichtbar zu bleiben. Im Sommer wichen sie unter freien Himmel aus, gaben z. B. Autokonzerte oder spielten Stationstheater in Parkhäusern. Sie stellten ihre Kreativität unter Beweis. Zurzeit sind Kultureinrichtungen wieder auf unbestimmte Zeit geschlossen. Künstlerinnen und Künstler agieren vor allem in selbst geschaffenen digitalen Räumen. Diese neuen Räume bieten neue Möglichkeiten. Sie senken die Hürden für die Rezeption von Kunst, das Publikum wird breiter, die Zahl der Kritiker wächst – denn plötzlich kann jeder ein Kritiker sein. Diese Macht ist nicht mehr einzelnen professionellen Autoren vorbehalten. Jeder kann seine ganz eigene Meinung zur Darbietung in wenigen Klicks liefern. Die Kunst erobert sich ein neues, breiter gefächertes Publikum. Sie liefert sich individuellen Kritiken aus und gibt einen Teil ihrer Deutungshoheit ab, dringt dabei aber in die Mitte der Gesellschaft vor.

 

Der Weg in die digitalen Räume kann allerdings die Einkommenseinbußen vor allem der freien Künstlerinnen und Künstler in keiner Weise auffangen. Wir alle erleben seit Monaten, wie stark unsere bekannten kulturellen Strukturen gefährdet sind – sowohl die Einrichtungen als auch die Kulturschaffenden selbst. Das ist der Punkt, an dem unser Landesprogramm „Niedersachsen dreht auf“ ansetzt. Es bietet Soloselbständigen und Kultureinrichtungen eine Zukunftsperspektive. Denn wir wollen die Kulturszene in Niedersachsen über die Schließungen hinweg retten, wollen sie auch in den vertrauten Räumen wieder ins Spiel bringen. Herzstück des eng mit Kulturverbänden und Kulturschaffenden abgestimmten Programms ist die bis zu hundertprozentige Förderung von Verträgen mit Soloselbständigen. Rund 65 Projektanträge sind bereits zum ersten Antragsstichtag bewilligt worden, in Höhe von insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Weitere Anträge werden zurzeit ausgewählt.

 

Insgesamt stehen für das Programm 10 Millionen Euro zur Verfügung.

Es ist unser gemeinsames Ziel, die kulturelle Vielfalt in unserem Land über die aktuelle Krise hinweg zu retten. Dafür werden wir als Landesregierung weiter alle Anstrengungen unternehmen. Wir brauchen alle Kulturschaffenden und ihre Schaffenskraft, alle Einrichtungen und Veranstaltungsorte auch in Zukunft! Ich fürchte – ein „Nach der Pandemie“ wird es so bald nicht geben. Das zeichnet sich immer deutlicher ab. Aber ich bin mir sicher: Die Krise, die wir zurzeit erleben, birgt auch Chancen. Denn sie zeigt uns, dass wir Kunst und Kultur als wichtige Stützen unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts, als wichtige Bestandteile unserer Demokratie brauchen. Und sie wird Kunst und Kultur dauerhaft verändern – denn wenn sie auch in Zukunft analoge ebenso wie digitale Räume nutzt, bleibt ihr das breite Publikum treu.

 

Björn Thümler ist Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur.

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