Baden-Württemberg
Keine Frage, die Corona-Pandemie und ihre teilweise noch nicht abzuschätzenden Folgen stellen die Künstlerinnen und Künstler und die Kultureinrichtungen vor massive, oft existenzielle Herausforderungen. Viele Betroffene sind mittlerweile schon dankbar, wenigstens proben oder trainieren zu dürfen. Um das für unsere Ballettensembles zu ermöglichen, wurde der Bühnentanz zum Hochleistungssport erklärt. Bei allen Einschränkungen gelingt es unseren Institutionen dennoch immer wieder, selbst unter schwierigsten Bedingungen Herausragendes zu leisten. Ich denke hier etwa an den von der New York Times als „production of the year“ geadelten Theaterparcours, an dem 2020 alle drei Sparten der Württembergischen Staatstheater mitwirkten, an Festivals, die erfolgreich digital stattfanden, oder an die vielen online eröffneten Ausstellungen wie die über Anselm Kiefer in der Kunsthalle Mannheim mit virtuellen Führungen. Es ist ein regelrechter Boom an digitalen Kulturangeboten zu verzeichnen. Hier zahlt sich aus, dass wir mit der Förderlinie „Digitale Wege ins Museum“ schon vor der Pandemie stark in digitale Kompetenz investiert haben. Und weil auch nach Corona ein Teil des Publikums über das Internet ins Museum kommen wird, haben wir an den Landesmuseen 20 dauerhafte Stellen für Digitalmanagerinnen und Digitalmanager geschaffen.
Klar ist aber auch: Während die landeseigenen und institutionell geförderten Kultureinrichtungen im zweiten Lockdown über das Instrument der Kurzarbeit ihr ökonomisches Defizit auffangen können, wächst in der freien Kulturszene die Not. Ich erinnere hier an den in Baden-Württemberg im Zuge der Soforthilfe eingeführten fiktiven Unternehmerlohn – hier waren wir bundesweit Vorreiter. Auch die Bürgerschaft leistet mit Spendensammlungen für in Not geratene Kreative einen nicht geringen Beitrag. Ohne Zweifel ein Zeichen hoher Wertschätzung.
Die freischaffenden Kreativen brauchen aber nicht nur finanzielle Hilfe, sondern auch Arbeitsmöglichkeiten. Daher hat das Land mit rund 200 Millionen Euro an Hilfen wie dem „Masterplan Kultur BW | Kunst trotz Abstand“ besonders die Soloselbständigen im Kreativbereich im Blick.
Indem Honorare gefördert wurden, regte das Land gezielt die Zusammenarbeit mit freien Künstlerinnen und Künstlern an. Laufende Ausschreibungen wie etwa der Preis für Kleinkünstlerinnen und Kleinkünstler, aber auch Einzelstipendien des Landes sind Signale, die Soloselbständigen Mut machen. Ebenso wurden die Mittel für Kunstankäufe erhöht. Auch für die Filmwirtschaft gibt es Hilfen, etwa durch die Erhöhung der Kinoprogrammpreise. Von wechselnden Jurys wurden im Vorjahr fast 400 Kulturprojekte ausgewählt. Viele davon füllten das Vakuum auf so überraschende und neuartige Weise, dass sich die Beschränkungen letztlich als Ideengeber erwiesen.
Das oberste Ziel aller Maßnahmen ist es, die kulturelle Infrastruktur in ihrer Vielfalt und Breite zu erhalten. Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt auf den vielfach ehrenamtlich getragenen Vereinen der Breitenkultur. So stärken wir die rund 9.000 Vereine, die vom Freiburger Institut für Musikermedizin bei ihren Hygienekonzepten beraten werden, in den Jahren 2020 und 2021 mit einer Soforthilfe in Höhe von 20 Millionen Euro.
Fieberhaft und zugleich mit Bedacht arbeitet die Kulturpolitik mit den Kulturakteuren und Fachleuten aus dem Expertenkreis Aerosole der Landesregierung an Öffnungsszenarien. Ich setze darauf, dass der erlebte temporäre Verlust gemeinsamer kultureller Veranstaltungen das Bewusstsein für die Relevanz von Kunst und Kultur steigern wird. Nicht nur, weil wir ihre Angebote dringend brauchen, um die gesellschaftlichen Erschütterungen zu reflektieren. Auch weil die Zukunft in den freien, kreativen und innovativen Impulsen der Künstlerinnen und Künstler liegt, die es nun stärker abzusichern gilt.
Theresia Bauer ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg.
Bayern
Hinter uns liegen fordernde und schwierige Monate. Wir alle haben gegen die Pandemie und ihre Auswirkungen auf unseren Alltag gekämpft. Und die größte Herausforderung stellt die aktuelle Situation nach wie vor für unsere Kunst- und Kulturschaffenden dar. Wir hatten im letzten Sommer mit dem Abflauen der Pandemie Hoffnung geschöpft: Live-Formate wie Konzerte, Theatervorstellungen oder auch Museumsbesuche waren zwischenzeitlich unter Einhaltung strenger Hygienemaßgaben wieder möglich geworden. Mit einem Pilotversuch für die Staatsoper und zwei Konzertsäle in Bayern hatten wir zudem wissenschaftlich begleitet sicheren Kulturgenuss für größere Zuschauergruppen getestet und für Oktober weitere Öffnungen ins Auge gefasst. Doch dann hat uns das Infektionsgeschehen eingeholt. Seit November bleiben viele Bühnen leer, viele Mikrofone stumm.
Die Kunst- und Kulturszene im Freistaat hat sich in bemerkenswerter Weise gegen die widrigen Bedingungen aufgebäumt: Mit einem vielfältigen Angebot an digitalen Lösungen und mit kreativen Alternativformen holt sie die Menschen aus ihrer Isolation hinein in die Welt der Kunst und Kreativität. Dafür bin ich sehr dankbar, denn Kunst und Kultur können gerade in diesen schwierigen Zeiten eine sinnstiftende und verbindende Funktion einnehmen.
Das Kulturleben prägt das gesellschaftliche Leben in Bayern maßgeblich mit. Deshalb haben wir gleich von Beginn der Krise an alles darangesetzt, unsere Kunst- und Kulturschaffenden sowie die kulturelle Infrastruktur so gut es geht zu unterstützen. Aus unserem Spielstättenprogramm zahlen wir passgenaue Hilfen an kleine und mittlere Bühnen sowie dezentrale Kulturveranstalter aus, ebenso für gemeinnützige Laienmusikvereine. Mit dem Soloselbstständigenprogramm, das unser Künstlerhilfsprogramm zu Beginn der Pandemie ablöst, ersetzen wir den sogenannten fiktiven Unternehmerlohn bis zu 1.180 Euro für Künstlerinnen und Künstler und Angehörige kulturnaher Berufe – seit Antragsstart Mitte Dezember konnten wir hier bereits rund 1.400 Anträge mit einem Gesamtvolumen von rund 3,67 Millionen Euro bewilligen. Ergänzt wird das Programm mit einem Stipendienprogramm für junge Künstlerinnen und Künstler, das in Kürze anlaufen wird.
Wir wünschen uns natürlich sehr, dass wir Kunst und Kultur bald wieder uneingeschränkt vor Ort erleben können. Wann und unter welchen Bedingungen vorsichtige Öffnungen möglich sind, hängt von der weiteren Entwicklung des Pandemiegeschehens ab. Wir sind aber vorbereitet: Unter meinem Vorsitz wurden in der Kulturministerkonferenz bereits letztes Jahr länderübergreifend Konzepte für die Kunst- und Kulturszene erarbeitet. Mit einem Stufenplan wollen wir eine Öffnung von Kunst und Kultur im Schulterschluss mit anderen Bereichen wie Einzelhandel und Gastronomie sicherstellen. Wir müssen durchhalten und geduldig bleiben, um diese Krise zu überwinden. Die begonnenen Impfungen schenken uns aber Hoffnung und Perspektive auf neue Möglichkeiten.
Bernd Sibler ist Bayerischer Staats-minister für Wissenschaft und Kunst.
Berlin
in Jahr Coronakrise heißt: ein Jahr lernen im Tempo der Pandemie. Ein Blick auf die „aktuelle Lage“ ist daher nur eine Momentaufnahme. Das heißt: eine sinkende Zahl von Covid-Neuinfektionen und, zum Glück, auch Toten. Das heißt aber auch: gefährlichere Corona-Mutanten wie B1.1.7. drohen, sich in Deutschland und in Berlin zu verbreiten. Es ist noch nicht vorbei. Leider.
Für die Kultur und ihre Perspektiven fällt Optimismus schwer: Solidarität ist gefragt – mit den Betroffenen und die Solidarität der Künstlerinnen und Künstler untereinander. Es klingt wie eine Binse, ist aber auch ein Ergebnis des Lernens: Nur gemeinsam kriegen wir den Virus besiegt, nur gemeinsam retten wir unsere Kulturlandschaft und nur gemeinsam und verantwortlich können wir Schritt für Schritt Kultur wieder ermöglichen, erlebbar machen.
Noch sind Hilfen für den Kultursektor unabdingbar. Wir werden sie weiter brauchen und weiter ausreichen, vielleicht bald nicht mehr als unmittelbar existenzsichernd, aber für einen Neustart braucht es dann einen finanziellen Anschub.
Im Prinzip sind Bühnen, Museen und Kultureinrichtungen jetzt seit einem Jahr dicht. Noch im März 2020 haben wir die Soforthilfe II auf den Weg gebracht, um Soloselbständigen und Freiberuflerinnen und Freiberuflern zu helfen – darunter viele Künstlerinnen und Künstler, denen von jetzt auf gleich alle Einnahmen wegbrachen. Mit der Soforthilfe IV unterstützen wir private Kulturbetriebe, diese geht demnächst in die vierte Runde. Für 18 Millionen Euro haben wir 2.000 Corona-Stipendien ermöglicht, die zumindest Linderung verschaffen und einem Teil der Akteurinnen und Akteure erlauben, ohne Existenzangst künstlerisch zu arbeiten, dazu Projekte wie „Draußenstadt“ oder den „Tag der Clubkultur“. Lebenszeichen. Immerhin.
Kulturschaffende, die in öffentlichen Einrichtungen angestellt sind, stehen besser da. Aber auch nicht gut. Sicherungsseile und -netze braucht es auch hier.
In der steten Erwartung ehrlicher Perspektiven waren wir im letzten Jahr nicht untätig: Die Kultureinrichtungen haben passgenaue Hygiene- und Schutzkonzepte erarbeitet, die einen verantwortungsbewussten Betrieb zulassen. Die Beachtung der AHA-Regeln sind für die Besuchenden von Kultureinrichtungen eine Selbstverständlichkeit. Die Nachverfolgbarkeit der Besucherkontakte wurde sichergestellt. Es wurden differenzierte Schutzkonzepte für die Beschäftigten entwickelt, an Lüftung und Belüftung gearbeitet. Alles Maßnahmen und Instrumente, die schnell reaktiviert und genutzt werden können.
Wir könnten mit außerschulischen Bildungsangeboten in Kultureinrichtungen starten, dann könnten Museen, Galerien, Gedenkstätten und Bibliotheken sowie vergleichbare Einrichtungen spätestens mit der Öffnung des Einzelhandels einen Basisbetrieb anbieten. Letztlich dürften auch Veranstaltungen in Theatern, Opernhäusern und Konzerthäusern, Kinos sowie Proben und Auftritte der Laien- und Amateurkultur möglich sein, wenn auch Betriebe der Gastronomie wieder öffnen dürfen.
Für mich ist das mehr Plan als Wunsch. Wann wir an seine Umsetzung gehen können, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Bis dahin braucht es weiter die Solidarität mit den Betroffenen und aller untereinander.
Klaus Lederer ist Bürgermeister und Senator für Kultur und Europa in Berlin.
Brandenburg
Der Romancier Theodor Mügge hat zum Glück nie eine globale Pandemie erlebt. Er verfasste Abenteuerromane. In opulenten Bildern erzählt er im 19. Jahrhundert von spannenden Expeditionen, anstrengenden Reisen, aufregenden Erlebnissen. Wer heute an deutsche Abenteuerschriftstellerei denkt, dem fällt Karl May ein – nicht Theodor Mügge. Doch einen Ausspruch von ihm kennt womöglich jeder: „Der Mensch gewöhnt sich an alles, und es gibt nichts, wozu er nicht lachen könnte.“ Ich behaupte: An einen Lockdown gewöhnt sich niemand. Und eine Kulturministerin gewöhnt sich erst recht nicht an geschlossene Theater, zugesperrte Museen und verstummte Orchester. Die Coronakrise dauert an und sie mutet ganz besonders Kulturschaffenden und ihrem Publikum enorm viel zu. Die Einnahmen sind eingebrochen, es fehlt an Diskussion, Inspiration, Erlebnissen, Begegnungen.
Und doch: Kultur hat Zukunft – das zeigen die vielen Projekte und Initiativen im Land Brandenburg. Gemeinsam entwickeln wir Ideen, um etwas Freude ins Leben zu bringen, das durch die immer noch notwendigen Beschränkungen des öffentlichen Lebens doch sehr eingeschränkt ist. Kultur bildet, prägt und inspiriert uns – auch im Lockdown. Unsere brandenburgischen Kultureinrichtungen haben im zurückliegenden Jahr der Pandemie enorme Anpassungsleistungen vollbracht. Daher zählen sie für mich nach wie vor zu den sichersten Orten unseres Landes. Für mich zählen sie aber auch zu den sozialsten Orten des Landes. Sollte sich das Pandemiegeschehen entspannen, seine Dynamik verlieren, so müssen es deswegen die Kulturorte sein, die als erste wieder öffnen dürfen.
Kultur hat Zukunft – das muss unser Mantra in diesem scheinbar nicht enden wollenden Lockdown sein. Vermutlich wird es bis Ostern weder klassische Theateraufführungen noch herkömmliche Konzerte geben. Umso wichtiger ist es, nicht nur über Zeitspannen der Schließung von Spielstätten zu diskutieren, sondern weiter Kultur leben zu lassen.
Während sich andere auf die Dauer von Schließungen verständigen, gehen wir in Brandenburg einen anderen Weg – einen Brandenburger Weg, der Gesundheitsschutz und Planungssicherheit zwar gleichermaßen wichtig nimmt, der aber auch von dem Mut getragen ist, gemeinsam etwas zu kreieren und zu entwickeln. Der Lockdown wird nicht ewig dauern. Es gibt eine Zeit danach. Deshalb ist unser „Brandenburger Weg“ für die Kultur wichtig. Ein Weg, der uns über Ermöglichung nachdenken lässt, auf Präsenz und Miteinander setzt und das über die Grenzen institutioneller Kultur und freier Szene sowie Soloselbständiger hinweg. Entstanden ist ein gemeinsames Bekenntnis zahlreicher Kulturschaffender und Kreativer im Land Brandenburg. Sie geben ein Bekenntnis ab zum Überleben und zur positiven Kraft der Kultur in ihren vielfältigsten Formen und zur Solidarität über alle Sparten von Kultur hinweg. Der Brandenburger Weg zeigt, dass wir noch da sind, dass die Kultur noch da ist. Bleiben wir also optimistisch: Kultur hat Zukunft und sie kann jederzeit passieren.
Manja Schüle ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.
Bremen
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist es ein vorrangiges Ziel unseres Krisenmanagements, die Vielfalt der bremischen Kulturlandschaft zu erhalten, indem die Akteurinnen und Akteure abgesichert werden. In einem ersten Schritt war es geboten, existenzbedrohende Situationen für selbständige Kulturschaffende abzuwenden. Zu diesem Zweck beschloss der Bremer Senat ein „Sofortprogramm zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Krise“. Das am 31. März 2020 aufgelegte Programm war auf individuelle Bedarfe von Kulturschaffenden zugeschnitten, für die nicht laufende Kosten das Problem sind, sondern fehlende Einnahmen.
Ohne diese Maßnahme hätten Menschen, die mangels Veranstaltungsmöglichkeit in wirtschaftliche Not geraten waren, sofort Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II beantragen müssen. Für das am 31. August 2020 ausgelaufene Sofortprogramm standen in zwei Tranchen insgesamt 1,25 Millionen Euro zur Verfügung. 287 Künstlerinnen und Künstler konnten in der ersten, 182 in der zweiten Phase unterstützt werden. Wie positiv die Rückmeldungen aus der Szene waren, habe ich in zwei Videoforen erfahren, in denen bis zu 170 Kulturschaffende Fragen und Anregungen, Sorgen und Wünsche sowie wechselseitige Unterstützungsangebote formuliert haben. Diese ebenso erstaunliche wie effiziente Vernetzung der freien Akteurinnen und Akteure geht zurück auf ein vom Senator für Kultur in den vergangenen Jahren entwickeltes Dialogformat, die Denkzellen.
An die Stelle reiner Existenzsicherung durch das Sofortprogramm ist bereits im Herbst 2020 eine Form der Unterstützung getreten, die auf künstlerische Perspektiven und einen mittelfristigen Neustart des Kulturbetriebs in Bremen setzt: eine Produktionsförderung in Gestalt von Projektstipendien für soloselbständige Kulturschaffende. Die Resonanz auf dieses der Kreativität zugeeignete Zukunftsprogramm ist bemerkenswert: Ursprünglich sollten 400 mit bis zu 7.000 Euro dotierte Stipendien für Akteurinnen und Akteure aus der freien Szene vergeben werden – für künstlerische Arbeiten ebenso wie für Fortbildungen.
Allerdings lag eine entsprechende Zahl von Anträgen bereits zwei Wochen nach dem Start des Programms im November 2020 vor. Deshalb wurden weitere 400 Fördermaßnahmen auf den Weg gebracht. Der Senat verdoppelte das Volumen somit auf 5,6 Millionen Euro. Die Kulturbehörde wird diese Form der konkreten Produktionsförderung im Bedarfsfall weiter fortsetzen. Neben dem Stipendienprogramm haben wir die Sicherstellung komplementärer Mittel für Bundesprogramme wie das im Februar 2021 aufgestockte Hilfspaket NEUSTART KULTUR in Höhe von zehn Prozent beschlossen. Von dieser Unterstützung aus dem sogenannten Bremen-Fonds, einem milliardenschweren Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Pandemie-Folgen, profitieren zumal freie Künstlerinnen und Künstler aus den Sparten Theater und Tanz.
Neben dem Schließen von Wirtschaftlichkeitslücken geht es der Bremer Kulturpolitik auch um einen ideellen Kapitaltransfer, der sich zwischen den Kulturschaffenden und dem notgedrungen pausierenden Publikum ereignen muss: um die beherzte Fortführung einer aus Disziplin und Solidarität, Ideenreichtum und Zuversicht gewobenen Kraftanstrengung zu einer gemeinsamen Bewältigung der Krise. Dass viele Vorhaben des Stipendienprogramms diesen konstruktiven Dialog in zukunftsträchtiger Manier aufnehmen, signalisiert die große Kreativität der hiesigen Kunstszene. Dieser Umstand macht ebenso Hoffnung wie die Öffnungskonzepte für Spiel- und Ausstellungsstätten, die wir Anfang Februar in einer Kulturminister-Konferenz auf den Weg gebracht haben.
Für weitere Zuversicht sorgt in Bremen die Erfahrung, wie sehr das erwähnte Denkzellen-Dialogformat die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen selbständigen Kulturschaffenden und Senatskulturverwaltung begünstigt. Diese enge Kooperation hat überdies eine lohnende Perspektive, die eine erste Phase der Postpandemie betrifft: Im Jahr 2023 ist die Eröffnung eines Zentrums der Freien Künste geplant – im historischen Tabakquartier des Stadtteils Woltmershausen.
Andreas Bovenschulte ist Präsident des Senats, Bürgermeister und Kultursenator der Freien Hansestadt Bremen.
Hamburg
Die wichtigste kulturpolitische Aufgabe unserer Tage liegt darin, eine Perspektive für den kulturellen Betrieb, für Künstlerinnen, Künstler und Kreative zu entwickeln. Dazu gehört zum einen, dass wir weiter Konzepte und Strategien erarbeiten, auf deren Grundlage der wiederholte kulturelle Neustart gelingen kann. Es ist zwingend, dass wir die Zukunft des künstlerischen Schaffens nicht aus dem Blick verlieren. Das Wichtigste ist, dass wir diesen Mut und das Bewusstsein nicht verlieren, für all das, was darauf wartet, von den Probenbühnen und den Probenräumen auf die Bühnen zu kommen. Zugleich aber muss es auch darum gehen, neben den ideellen auch die materiellen Grundlagen der Kultur zu sichern – unter den derzeitigen Beschränkungen ebenso wie für die Vorbereitung des Wiederbeginns.
Dafür müssen wir staatlich die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Bereits im März 2020 haben wir in Hamburg die ersten Hilfspakete aufgelegt, die sich im Laufe des Jahres über verschiedene Instrumente auf rund 90 Millionen Euro aufsummiert haben, die zusätzlich in die kulturelle Landschaft geflossen sind. Es bedurfte im Hamburger Senat zum Glück keiner großen Diskussionen, dass neben der Wirtschaft auch die Kultur mit aller Kraft gestützt werden muss.
Dieser Rettungsschirm ist im engen Austausch zwischen der Behörde für Kultur und Medien und den jeweiligen Sparten konzipiert worden, die am allerbesten wissen, welche Unterstützung sie brauchen, um nicht nur ökonomisch zu überleben, sondern auch die Zuversicht nicht zu verlieren. Daher haben wir nach dem ersten Schock und den schnellen Hilfen zum Überleben Programme entwickelt, mit denen Kultur unter Corona-Bedingungen wieder möglich war: von Recherchestipendien und Gagenfonds für freie Künstlerinnen und Künstler, über Theateraufführungen auf Abstand oder zusätzliche Outdoor-Konzerte bis hin zum gesetzten Club-Abend. Das alles kostet zusätzliches Geld, das wir aufbringen müssen, um nicht bloß Stillstand abzufedern, sondern die Produktion von Kultur zu ermöglichen.
Langsam kommen mittlerweile auch die Hilfen des Bundes bei den Kultureinrichtungen und Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen an. Teilweise viel zu spät, aber immerhin zeigen die Beschlüsse zur Verlängerung und Aufstockung des Programms NEUSTART KULTUR, dass der Bund seiner Verantwortung langfristig gerecht werden will. Das ist gut, gibt es uns vor Ort doch die Möglichkeit, ergänzende Hilfen zu entwickeln, um über das Überleben hinaus auch Perspektiven aufzuzeigen. Hamburg hat hierzu auch für 2021 und 2022 weitere Mittel in jeweils zweistelliger Millionenhöhe im Haushalt eingestellt.
Geld ist das eine. Das andere, und mindestens genauso wichtig, ist, dass wir gemeinsam die Perspektive auf die Wiedereröffnung der kulturellen Angebote entwickeln. Der hohe Rang der Kunstfreiheit im Grundgesetz verlangt, dass Beschränkungen der Kultur immer nur eine absolute und zeitlich begrenzte Ausnahme sein dürfen. Deshalb ist es unabdingbar, an Öffnungskonzepten zu arbeiten, um vorbereitet zu sein, wenn die pandemische Lage sich bessert. Die Kulturminister haben hierzu einen Weg aufgezeigt. Spätestens wenn die Kaufhäuser wieder öffnen, sollen auch die Museen öffnen, und spätestens, wenn die Gastronomie öffnet, soll es auch möglich sein, Kultur wieder live mit anderen zu erleben.
Was bleibt aus dieser Zeit? Neben dem Bewusstsein, was wir gemeinsam schaffen können, eine beeindruckende Solidarität innerhalb der Kulturszene, die nicht nur die schwer auszuhaltenden Einschränkungen akzeptiert, sondern auch zusammenarbeitet, wo Hilfe notwendig und möglich ist, und auch gemeinsam laut und deutlich die Stimme erhebt, wo der Wert der Kultur verkannt wird.
Was hoffentlich auch bleibt, ist zudem das Bewusstsein für die nicht erledigten Aufgaben, die uns die Pandemie schonungslos aufgezeigt hat. Die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler zum Beispiel muss dringend verbessert werden. Hier müssen wir Instrumente entwickeln, mit denen die Möglichkeiten der Arbeitslosenversicherungen oder des Kurzarbeitergeldes auch dort zugänglich sind, wo unsichere Arbeitsverhältnisse und schlechte Bezahlung immer noch die Regel sind.
Carsten Brosda ist Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg.
Hessen
Die schwierige Situation für die Kulturbranche dauert nun schon fast ein Jahr. Auch wenn es inzwischen bessere Unterstützungsprogramme des Bundes gibt als zu Beginn oder sie zumindest angekündigt sind: Die Pandemie belastet die Institutionen und vor allem die freien Akteure in der Kultur.
Wir haben als Land Hessen schon im April 2020 ein Paket für Kultureinrichtungen und Kulturschaffende geschnürt, ausgestattet mit gut 50 Millionen Euro. Wir haben es damit geschafft, die in Hessen besonders reichen Festivalstrukturen zu erhalten, wir haben rund 200 Spielstätten bei Anpassungen an die Corona-Bedingungen unterstützt und vielen Freiberuflerinnen und Freiberuflern durch zwei Stipendienprogramme die Weiterarbeit ermöglicht. Dann kam der zweite Lockdown.
Wir haben deshalb nun ein zweites Kulturpaket aufgelegt. Wie schon das erste soll es möglichst passgenau die Entwicklung der Pandemie in den Blick nehmen und Bundesprogramme ergänzen, statt sie zu ersetzen. Wir schauen uns genau an, wo Lücken entstehen. Zudem haben wir die Erfahrungen mit dem ersten Paket sorgfältig analysiert. So wurden die Mittel für die in großer Zahl bereitgehaltenen Arbeitsstipendien nur zu einem kleinen Teil ausgeschöpft, obwohl sie sehr einfach beantragt werden konnten. Die höher dotierten, aber selektiv vergebenen Projektstipendien wurden vollständig verteilt. Viele Länder haben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Die im März startenden neuen Brückenstipendien stehen allen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse offen. Wir haben die bereitgestellten Mittel nach der Zahl bemessen, die in der ersten Runde abgerufen wurden. Und damit Künstlerinnen und Künstler leichter einen Weg durch die Vielfalt der Hilfsangebote finden, stärken wir die Verbandsstrukturen mit einem Corona-Bonus für Beratung, der die Verbände der Branche unterstützt.
Für Spielstätten und Kinos richten wir einen Fonds zur Liquiditätssicherung ein, der auch über den besucherschwachen Sommer eine Perspektive für den Erhalt der Kulturlandschaft sichert. Und weil nicht nur Künstlerinnen und Künstler Perspektiven und Auftrittsmöglichkeiten brauchen, sondern auch das Publikum hungrig ist nach Kultur, investieren wir „Ins Freie!“: mit zehn Millionen Euro für neue Auftrittsmöglichkeiten unter freiem Himmel oder in Pop-Up-Spielstätten im Sommer 2021. Denn während die Pandemie kaum Voraussagen für den Kulturbetrieb in Innenräumen zulässt, werden Open-Air-Veranstaltungen mit großer Wahrscheinlichkeit unter Einhaltung der Hygieneregeln stattfinden können. Wir wollen helfen, bestehende Programme zu erweitern und neue Spielstätten zu schaffen, auch in Kooperation zwischen Initiativen und Kommunen.
Die Unsicherheit können wir nicht verschwinden lassen, sie liegt in der Natur der Pandemie. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir dazu beitragen, dass Kulturschaffende den langen Atem behalten, den sie so eindrucksvoll zeigen. Es gibt Hoffnung: Wir lernen immer mehr über die Verbreitung des Virus und die Impfungen kommen so voran, dass die – sicher schrittweise – Rückkehr zur Normalität am Horizont erscheint.
Angela Dorn ist Ministerin für Wissenschaft und Kunst in Hessen.
Mecklenburg-Vorpommern
Nach einer so langen Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen im gesamten Kulturbereich ist die Situation für viele Kulturschaffende äußerst prekär. Wo der Kulturbetrieb sich nicht in den digitalen Raum verlagern konnte, steht er still – seit Wochen und Monaten. Künstlerinnen und Künstlern fehlt der Raum für ihr künstlerisches Tun und somit auch die Chance zum Broterwerb. Und der Gesellschaft fehlt gerade in der aktuellen Krisensituation die notwendige künstlerische Auseinandersetzung schmerzlich. Je mehr Zeit im Lockdown verstreicht, desto klarer wird für alle: Kunst und Kultur sind kein reiner Freizeitspaß, sondern elementar für das Wohlergehen einer demokratischen Gesellschaft. Deswegen müssen kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche, Museen, Bibliotheken und dann auch Theater und Kinos fest im Blick sein, wenn die Infektionszahlen erste Öffnungsszenarien zulassen.
Gleichzeitig ist es die Aufgabe von Politik – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene – Sorge zu tragen, dass diese Krise keine Löcher in unsere reiche Kulturlandschaft reißt. Vor diesem Hintergrund begann die Landesregierung früh mit der Unterstützung der Kulturschaffenden: Im April 2020 wurde der MV-Schutzfonds Kultur aufgelegt. Er ist dafür gedacht, Lücken anderer Hilfsprogramme von Bund und Land zu schließen. Wir unterstützen z. B. freie Künstlerinnen und Künstler mit einem Überbrückungsstipendium, die mangels Betriebsausgaben keine Wirtschaftshilfen erhielten. Dieses Programm wird sehr gut im Land nachgefragt, so dass wir es im Januar 2021 um weitere sechs Monate verlängert haben. Der MV-Schutzfonds Kultur basiert insgesamt auf sieben Säulen. Drei davon richten den Blick auf die kulturellen Trägerstrukturen. Die weiteren Säulen stützen Träger der Weiterbildung und der Gedenkstättenarbeit. Darüber hinaus stellt das Land die Co-Finanzierung für den NEUSTART KULTUR bereit. Insgesamt umfassen die sieben Säulen 20 Millionen Euro. Das Feld der Hilfsempfänger kann unterschiedlicher nicht sein: Es profitieren sowohl Einzelpersonen, kleine Projekte als auch große Träger wie das Deutsche Meeresmuseum oder die renommierten Festspiele Mecklenburg-Vorpommern.
Wir sind in dieser Krisenzeit im ständigen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern von Kunst und Kultur in unserem Land. Gemeinsam mit den Intendanten der Theater beraten wir beispielsweise intensiv über gangbare Wege für die stufenweise Öffnung der Theater und Konzertsäle. Auch die Information in die Kulturszene hinein über die große Bandbreite der Fördermöglichkeiten ist wichtig. Dafür setzen wir auf eine breitgefächerte Aufklärungskampagne und arbeiten eng mit den Kultur-Service-Stellen zusammen. Denn die Einrichtungen brauchen Vertrauen und Wertschätzung, um an ihrer Schaffenskraft festzuhalten.
In jeder Krise steckt auch eine Chance. So wie die Pandemie die Digitalisierung der Schulen voranbringt, ermöglicht sie eine kulturpolitische Neuausrichtung. Bereits vor der Krise brachte das Land mit vielen Partnern die ersten kulturpolitischen Leitlinien auf den Weg. Diese regeln die Kooperation zwischen Kulturschaffenden und öffentlichen Institutionen neu.
Ich halte es für wichtig, dass wir nun auch die Debatte darüber führen, was wir aus der Krise für die zukünftige Aufstellung des Kulturbetriebs lernen können. Denn Ziel muss es sein, den Kulturbetrieb langfristig so krisenfest zu machen, dass er in der nächsten Notlage nicht in seiner Existenz bedroht ist.
Bettina Martin ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Niedersachsen
Die pandemiebedingten Schließungen haben die Kultur aus ihren vertrauten Räumen vertrieben. Viele Kulturschaffende suchen alternative Wege, um sichtbar zu bleiben. Im Sommer wichen sie unter freien Himmel aus, gaben z. B. Autokonzerte oder spielten Stationstheater in Parkhäusern. Sie stellten ihre Kreativität unter Beweis. Zurzeit sind Kultureinrichtungen wieder auf unbestimmte Zeit geschlossen. Künstlerinnen und Künstler agieren vor allem in selbst geschaffenen digitalen Räumen. Diese neuen Räume bieten neue Möglichkeiten. Sie senken die Hürden für die Rezeption von Kunst, das Publikum wird breiter, die Zahl der Kritiker wächst – denn plötzlich kann jeder ein Kritiker sein. Diese Macht ist nicht mehr einzelnen professionellen Autoren vorbehalten. Jeder kann seine ganz eigene Meinung zur Darbietung in wenigen Klicks liefern. Die Kunst erobert sich ein neues, breiter gefächertes Publikum. Sie liefert sich individuellen Kritiken aus und gibt einen Teil ihrer Deutungshoheit ab, dringt dabei aber in die Mitte der Gesellschaft vor.
Der Weg in die digitalen Räume kann allerdings die Einkommenseinbußen vor allem der freien Künstlerinnen und Künstler in keiner Weise auffangen. Wir alle erleben seit Monaten, wie stark unsere bekannten kulturellen Strukturen gefährdet sind – sowohl die Einrichtungen als auch die Kulturschaffenden selbst. Das ist der Punkt, an dem unser Landesprogramm „Niedersachsen dreht auf“ ansetzt. Es bietet Soloselbständigen und Kultureinrichtungen eine Zukunftsperspektive. Denn wir wollen die Kulturszene in Niedersachsen über die Schließungen hinweg retten, wollen sie auch in den vertrauten Räumen wieder ins Spiel bringen. Herzstück des eng mit Kulturverbänden und Kulturschaffenden abgestimmten Programms ist die bis zu hundertprozentige Förderung von Verträgen mit Soloselbständigen. Rund 65 Projektanträge sind bereits zum ersten Antragsstichtag bewilligt worden, in Höhe von insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Weitere Anträge werden zurzeit ausgewählt.
Insgesamt stehen für das Programm 10 Millionen Euro zur Verfügung.
Es ist unser gemeinsames Ziel, die kulturelle Vielfalt in unserem Land über die aktuelle Krise hinweg zu retten. Dafür werden wir als Landesregierung weiter alle Anstrengungen unternehmen. Wir brauchen alle Kulturschaffenden und ihre Schaffenskraft, alle Einrichtungen und Veranstaltungsorte auch in Zukunft! Ich fürchte – ein „Nach der Pandemie“ wird es so bald nicht geben. Das zeichnet sich immer deutlicher ab. Aber ich bin mir sicher: Die Krise, die wir zurzeit erleben, birgt auch Chancen. Denn sie zeigt uns, dass wir Kunst und Kultur als wichtige Stützen unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts, als wichtige Bestandteile unserer Demokratie brauchen. Und sie wird Kunst und Kultur dauerhaft verändern – denn wenn sie auch in Zukunft analoge ebenso wie digitale Räume nutzt, bleibt ihr das breite Publikum treu.
Björn Thümler ist Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur.
Nordrhein-Westfalen
Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie und trotz wichtiger Erfolge in der Impfstoffentwicklung ist die Krise nicht überstanden. Wir müssen davon ausgehen, dass die Virusmutationen eine erneute und möglicherweise deutlich schnellere Ausbreitung des Virus bewirken werden. Vor diesem Hintergrund hat die Eindämmung des Infektionsgeschehens weiterhin Priorität – selbstverständlich auch im Kulturbereich.
Und doch ist die Situation eine andere als vor einem Jahr. Die mit aus der Not geborener Eile etablierten Unterstützungsprogramme im Frühjahr 2020 konnten justiert, aufgestockt und an die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden. Dabei spielt der kontinuierliche Austausch mit den Institutionen, den Verbänden und Kulturschaffenden eine zentrale Rolle. Er ist das ständige Korrektiv unseres politischen Handelns.
Aktuell begegnen wir als Landesregierung in Nordrhein-Westfalen der Situation auf vier Ebenen: Wir federn die Situation der Betroffenen finanziell ab; wir setzen unsere Stärkungsinitiative Kultur ungeachtet dieser Sonderausgaben planmäßig fort; wir bereiten eine verantwortungsvolle Öffnung der Kultureinrichtungen politisch und infrastrukturell vor; und wir entlasten die Kommunen, um Etatkürzungen im Kulturbereich – der ja zu 70 Prozent in kommunaler Verantwortung liegt – zu verhindern. Damit möchten wir den Kulturschaffenden eine Perspektive geben und zugleich die Strukturen der Kulturlandschaft erhalten – denn Schäden an diesen, über lange Zeiträume gewachsenen Strukturen sind oft irreversibel.
Wie sieht das ganz konkret aus? Mit dem Kulturstärkungsfonds, der das Bundesprogramm NEUSTART KULTUR gezielt ergänzt, unterstützen wir mit bis zu 80 Millionen Euro Einrichtungen, die durch die pandemiebedingten Schließungen Einnahmeausfälle erleiden. Dazu zählen Theater, Orchester und Museen in Trägerschaft des Landes und der Kommunen, soziokulturelle Zentren, Festivals, ehrenamtlich getragene Vereine, aber auch Musikspielstätten und Clubs.
Im Sommer haben wir ein Stipendienprogramm mit einem Volumen von 105 Millionen Euro aufgelegt, das es 14.500 freien Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht hat, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen.
Wie bereits erwähnt, werden wir unsere Kulturausgaben ungeachtet dieser Sonderzahlungen weiter steigern. Mit Beginn der Legislaturperiode hatten wir angekündigt, den Kulturetat bis 2022 um insgesamt 100 Millionen Euro auf dann 300 Millionen Euro zu erhöhen, und dabei bleibt es.
Parallel dazu bereiten wir die verantwortungsvolle Öffnung der Kultureinrichtungen vor – denn das ist die wirksamste Form, die Kulturszene zu stabilisieren. Im Kreise der Kulturminister haben wir einen Dreistufenplan entwickelt, der die Öffnung der verschiedenen Kultureinrichtungen an denen der Schulen und Kitas, des Einzelhandels und der Gastronomie ausrichtet und so ihre gesellschaftliche Relevanz und Solidarität unterstreicht. Darüber hinaus haben wir eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Belüftungskonzepten als zentralem und planbarem Faktor bei der Öffnung der Häuser befasst. Die Arbeitsgruppe hat eine Studie der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft in 27 Theatern und Konzerthäusern in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben. Ergebnisse sollen in einigen Wochen vorliegen.
Die Kommunen werden konkret durch den Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen, eine Erhöhung der Finanzausgleichsmasse und Sonderhilfen für überschuldete Kommunen unterstützt. Darüber hinaus werden wir die Kommunen in die Pflicht nehmen, indem wir auch zukünftig die Landesförderung an ihr Engagement koppeln.
Die Pandemie hat Künstlerinnen und Künstler nicht nur in eine akute Notsituation gebracht. Sie hat auch mit großer Deutlichkeit gezeigt, wie fragil die ökonomische Absicherung ihres Lebensmodells ist. Deshalb arbeiten wir im Kreis der Kulturministerinnen und -minister parallel zu den Akutmaßnahmen daran, ihre soziale Absicherung grundsätzlich zu verbessern. Hier geht es z. B. um die Rolle der Künstlersozialkasse, aber auch um den Zugang zur Arbeitslosenversicherung.
Denn das letzte Jahr hat uns eines gelehrt: Wir können Pandemien nicht verhindern, wohl aber Strukturen schaffen, die die Kulturszene und ihre Akteurinnen und Akteure weniger verwundbar machen.
Isabel Pfeiffer-Poensgen ist Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Rheinland-Pfalz
Seit das Virus grassiert, ist allenthalben die Rede davon, dass unter Corona-Bedingungen gesellschaftliche Verhältnisse wie unter einem Brennglas sichtbar werden. Ich halte diese These für richtig und meine, dass sie ganz besonders die Verwundbarkeit des Kulturbereichs übergroß deutlich macht. Öffentlich geförderte Theater, Orchester und Museen können zwar auf Kurzarbeitergeld und sonstige Maßnahmen zurückgreifen, doch viel schwieriger sieht es derzeit aus, wenn wir die freie Szene in den Blick nehmen. Wir reden hier von den Soloselbständigen, den unständig Beschäftigten oder den kurz befristeten Beschäftigten. Sie sind in besonderer Weise von den geltenden Einschränkungen betroffen. Für sie geht es erst einmal nicht um die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen sie ihren Betrieb wieder hochfahren; für sie geht es ums nackte Überleben.
Eine vergleichbare Ausgangslage haben die vielen meist ehrenamtlich oder semiprofessionell geführten Kultureinrichtungen und -vereine. Sie alle sind in einem ländlich strukturierten Flächenland wie Rheinland-Pfalz elementarer Bestandteil unserer Kulturszene. Und zwar deshalb, weil sie im Verbund mit den freien Künstlerinnen und Künstlern die kulturelle Grundversorgung unseres Landes sicherstellen – zumeist jenseits der urbanen Lebensräume.
Um sie alle zu unterstützen, haben wir im Frühjahr des vergangenen Jahres ein mit 15,5 Millionen Euro ausgestattetes Hilfsprogramm „Im Fokus. 6 Punkte für die Kultur“ aufgelegt. In sechs Teilbereichen reagieren wir mit dieser Initiative auf die Bedarfe der freien Szene. Ganz bewusst lassen wir dabei die großen Institutionen außen vor, an deren Erhalt schon ihre jeweiligen Rechtsträger ein hohes Eigeninteresse haben. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, Einrichtungen und Vereine, die in den wenigsten Fällen institutionell, in der überwiegenden Zahl allenfalls projektbezogen gefördert werden. Deren Geschäftsmodell, Einnahmen aus Auftritten zu erzielen, funktioniert unter Pandemiebedingungen nicht mehr.
Im Zentrum unseres Fokus-Programms stehen Stipendien für professionelle Kulturschaffende à 2.000 Euro. Über 2.750 haben wir seit dem Start des Programms im Mai 2020 in inzwischen drei Antragsrunden bewilligt. Wir wollen damit zweierlei: zum einen den Künstlerinnen und Künstlern finanziell unter die Arme greifen, ihnen aber zugleich signalisieren, dass wir als Land ein gesteigertes Interesse haben, dass sie weiterhin tätig bleiben. Wie das gelingt, zeigen die Beispiele, die wir auf einer digitalen Plattform einstellen, die wir „Kulturschaufenster“ nennen. Sie alle belegen eindrucksvoll, dass auch unter Pandemiebedingungen spannende und berührende Kunst geschaffen wird.
Neben diesen Stipendien gehören unter anderem Unterstützungen für Programmkinos und Kulturvereine, Aufstockungsgelder für Empfänger von Projektförderungen und eine Million Euro für Digitalisierungsmaßnahmen im Bereich der freien Kultur zu den Säulen des Fokus-Programms. Nach meinem Eindruck schaffen wir damit gute Voraussetzungen, dass es in Rheinland-Pfalz auch in der Nach-Corona-Zeit eine vielfältige und lebendige Kulturszene geben wird.
Konrad Wolf ist Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.
Saarland
Wie können nach langen Wochen des Lockdowns Öffnungsperspektiven gegeben werden? Diese Frage ist gerade auch für die Kultur wichtig. Bund und Länder haben sich darauf verständigt, zunächst Museen und Galerien die Öffnung unter Auflagen zu ermöglichen, wenn sich die Pandemie-Lage weiter positiv entwickelt. Die Kulturministerinnen und -minister der Länder haben bereits eine Strategie der stufenweisen Öffnung vorgelegt, die im jüngsten Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz und der Bundeskanzlerin leider aber nur teilweise berücksichtigt worden ist. Eine mittelfristige Öffnungsperspektive für Kultureinrichtungen, Kunst- und Kulturschaffende ist aber dringend notwendig – auch viele Vereine wollen wissen, wie es weitergeht.
Die Lage ist und bleibt angespannt. Vielen Kulturschaffenden im Saarland, insbesondere auch soloselbständigen Kunst- und Kulturschaffenden, fehlen Einnahmen aus den vergangenen Monaten und natürlich auch ihr Publikum, das kreative Schaffen, das Auftreten und Präsentieren ihrer Arbeit. Sie sind seit Beginn der Coronakrise stark von den Maßnahmen zu ihrer Bewältigung betroffen. Unterschiede gibt es hier natürlich auch. Die großen, öffentlich geförderten Institutionen haben in der Krise naturgemäß einen Vorteil gegenüber freien Künstlerinnen und Künstlern, Selbstständigen und Kulturvereinen. Diese unterschiedliche Betroffenheit in der Kulturlandschaft haben wir im Saarland von Beginn an berücksichtigt.
Bereits im letzten Jahr haben wir im Saarland ein Hilfspaket für die Kultur geschnürt. Zum einen haben wir dafür gesorgt, dass auch Kunst- und Kulturschaffende Zugang zu den Soforthilfen des Landes erhalten und die Zusagen der Projektförderung auch dann aufrechterhalten wurden, wenn Projekte nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden konnten. Darüber hinaus haben wir ein Stipendienprogramm und den Kunstankauf für die Kunstsammlung des Landes ausgeweitet. Insgesamt haben wir für rund 125.000 Euro Werke von 71 Künstlerinnen und Künstlern erworben. Kulturvereine haben wir in großem Umfang mit der Vereinshilfe Saarland unterstützt – über 900 Vereine, insbesondere der Breitenkultur, haben davon profitiert.
Um das künstlerische Schaffen auch in der anhaltenden Krise weiter zu fördern, legen wir das Stipendienprogramm für soloselbständige Kunst- und Kulturschaffende jetzt mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Millionen Euro neu auf. Im Mittelpunkt des ersten saarländischen Kulturgipfels im Mai des letzten Jahres stand die Vernetzung der kulturellen Akteure – hieraus sind fruchtbare Kooperationen entstanden, etwa zwischen der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz und der freien Szene sowie dem Saarländischen Staatstheater und dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte. An diesen Erfolg möchte ich mit einem zweiten Kulturgipfel im März dieses Jahres anknüpfen – diesmal wird es um konkrete Öffnungsperspektiven und die Bewältigung der mittel- und langfristigen Krisenfolgen gehen.
Der Lockdown darf nicht zum Dauerzustand werden – auch nicht für die Kultur. Denn Kunst und Kultur sind kein verzichtbarer Luxus, sondern Lebenselixier für eine demokratische Gesellschaft.
Christine Streichert-Clivot ist Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland.
Sachsen
In keiner der über 80 sächsischen Spielstätten hat sich in den vergangenen Monaten der Vorhang gehoben, keiner der fast 30.000 Plätze ist verkauft worden, keine Werbung hat auf die nächste Premiere hingewiesen. Unter den zwölf selbständigen sächsischen Orchestern sind Klangkörper von Weltrang. Zurzeit sind sie alle auf gleichem Stand: keine Konzerte, keine Tourneen, nur eingeschränkte Proben und deshalb Kurzarbeit. Die vielfältige und lebendige Tanzszene in Sachsen stößt an ihre Grenzen, wenn Nähe zu vermeiden ist, wenn Zuschauer nicht als Resonanzraum vorhanden sind. Ähnlich ergeht es dem Filmland Sachsen, ohne neue Produktionen in „Görliwood“ und einer unsicheren Planung für die Filmfestivals. Und in Museen treten die Gemälde nur noch untereinander in Dialog, ohne das Publikum als Membran.
Die Aufzählung zeigt, wie einschneidend diese Krise ist. Sie geht in einem Kulturland an die Substanz – die der Künstlerinnen und Künstler, aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kultureinrichtungen und an die der Gesellschaft, weil Orte der sozial durchmischten Begegnung und des Dialogs verwaist bleiben. Dies gilt sowohl für die Metropolen im Freistaat als auch für kleinere Städte und die ländlichen Räume. In Letzteren ist der zeitweise Verlust noch mal stärker, weil die Bibliothek, das Heimatmuseum, das soziokulturelle Angebot und die Laienmusik oft die Traditionsträger und teilweise auch die letzten verbliebenen Gemeinschaftsorte sind.
Uns ist es – soweit schon eine Zwischenbilanz möglich ist – mit großer finanzieller Anstrengung gelungen, die kulturelle Infrastruktur im ersten Krisenjahr zu erhalten. Neben der Unterstützung der staatlichen Betriebe konnten wir dank einer landeseigenen Förderrichtlinie Hunderten privaten Einrichtungen aus Kunst und Kultur Zuschüsse gewähren. Ergänzend zum Bundesgeld und Kurzarbeitergeld war es so möglich, dass die Einrichtungen Liquiditätsengpässe ausgleichen, Mehrausgaben und Mindereinnahmen verkraften konnten. Unsere Förderrichtlinie haben wir auf das zweite Krisenjahr ausgeweitet und für Spielstätten geöffnet, die hauptberuflich von Einzelunternehmern betrieben werden. Diese Anpassung ist nur ein Ergebnis unseres kontinuierlichen Austausches mit den Betroffenen aus Kunst und Kultur seit Beginn der Pandemie.
Aber diese Krise geht tiefer als nur an die Infrastruktur: Sie nimmt Künstlerinnen und Künstlern die Lebensgrundlage. Die emotionale, geistige Lücke können wir während der notwendigen Schließungen kaum füllen. Finanziell haben wir aber mit zusätzlichen Projektgeldern und dem Stipendium „Denkzeit“ der Kulturstiftung geholfen, über das 2.800 Freischaffende unterstützt werden konnten.
Um die Substanz zu retten, brauchen wir eine Perspektive, wann Kultureinrichtungen öffnen, künstlerische Arbeiten weiter möglich sind. Die Schritte dazu sind beschrieben. Nun braucht es eine pandemische Lage, die einen dauerhaften Kulturbetrieb ohne Schließungen erlaubt. Dafür sind wir alle gefragt. Nur so können wir die schlimmen Monate der kulturellen Stille endgültig hinter uns lassen und die gerettete Infrastruktur mit neuem Leben füllen.
Barbara Klepsch ist Staatsministerin für Kultur und Tourismus im Freistaat Sachsen.
Sachsen-Anhalt
Mitte Januar dieses Jahres bilanzierten die Welterbestätten Sachsen-Anhalts, die kulturellen Aushängeschilder unseres Landes, eine Bilanz des Corona-Jahres 2020. Sie alle haben massive Einnahmeverluste zu beklagen. Am Bauhaus in Dessau halbierten sich die Besucherzahlen. In den Luther-Gedenkstätten zu Wittenberg wurden 60 Prozent weniger Gäste registriert. Der Dom in Naumburg verzeichnete durch seine Schließung einen Verlust von einer halben Million Euro. Diese Beispiele zeigen: Die Kultur ist weiter in einer schwierigen und für viele existenziell bedrohlichen Lage.
Die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat sich seit Pandemie-Beginn dafür eingesetzt, dass die Belange der Kulturschaffenden und der kulturellen Einrichtungen erkannt und praktikable Fördermaßnahmen bereitgestellt werden. Mit unserer spontanen finanziellen Soforthilfe für Mitglieder der Künstlersozialkasse haben wir schon Ende März 2020 als erstes Land schnell gehandelt. Bei diesen Hilfsmaßnahmen wurden 917 Anträge mit einem Volumen von 366.400 Euro bewilligt.
Natürlich war dies eine eher symbolische Maßnahme, aber sie signalisierte, dass die Politik die Ängste und Sorgen der Künstlerinnen und Künstler nicht aus den Augen verliert. Wir führen mit den Kulturschaffenden im Land auch weiter intensive Gespräche und unterstützen sie bei der Inanspruchnahme der Milliardenhilfen, die der Bund mit seiner jetzt erfreulicherweise aufgestockten Neustarthilfe für die verschiedenen Kultursparten bereitstellt.
Im Juli 2020 hat Sachsen-Anhalt das Stipendienprogramm „Kultur ans Netz“ aufgelegt, mit dem das Land Kulturschaffenden für das Erbringen einer künstlerischen Leistung einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro monatlich für die Dauer von bis zu drei Monaten gewährt hat. Insgesamt wurden 449 Anträge mit einem Gesamtvolumen von über 1,3 Millionen Euro bewilligt.
Beim kürzlichen „Kulturgipfel“ unter Leitung von Ministerpräsident Reiner Haseloff mit Vertretern aus verschiedenen kulturellen Bereichen hat der Regierungschef mitgeteilt, dass dieses Stipendienprogramm ab März 2021 neu auflegt wird und nunmehr 4,5 Millionen Euro dafür vorgesehen sind.
Darüber hinaus erhöhte das Land den Ankaufsetat für bildende Künstlerinnen und Künstler, um den künstlerischen Arbeitsprozess zu unterstützen. Zudem haben wir die Anwendung des Zuwendungsrechts flexibilisiert. Im Rahmen des rechtlich Möglichen wurden und werden für viele landesgeförderte Projekte individuelle Lösungen gefunden.
Die Kulturministerkonferenz hat kürzlich mit ihrem Beschluss „Kultur wieder ermöglichen“ einen von allen Ländern getragenen Fahrplan für Lockerungen entwickelt und deutlich gemacht, dass bei allen Öffnungsstrategien der Kunstfreiheit und der besonderen Bedeutung der Kultur Rechnung getragen werden muss. In seiner Strategie für sichere und gerechte Öffnungen wird Sachsen-Anhalt bis Ende Februar die Kriterien für die Wiederzulassung des Publikumsverkehrs festlegen.
Auf keinen Fall dürfen Länder und Kommunen ihre Haushalte in den nächsten Jahren zulasten der Kultur sanieren. Mehr denn je muss im öffentlichen Diskurs bewusst gemacht werden: Kultur ist nicht das „Sahnehäubchen“ obendrauf. Kultur ist essenziell und sie wird für die Zeit nach der Pandemie eine wichtige Rolle für die seelische Gesundung der Menschen spielen. Der Hunger auf Kultur ist groß.
Noch ein Wort zur Stiftung Luthergedenkstätten. Dort ist in diesem Jahr in Wittenberg eine Sonderausstellung unter dem Titel „Pest. Eine Seuche verändert die Welt“ geplant. Sie soll vom 20. August 2021 an aufzeigen, welche Spuren die Pest im kulturellen Gedächtnis Europas hinterlassen hat. Ich wünsche der Stiftung sehr, dass diese Schau stattfindet, denn welches Thema könnte gegenwärtig mehr aktuelle Bezüge haben?
Rainer Robra ist Staats- und Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt.
Schleswig-Holstein
Wir blicken mittlerweile auf ein ganzes Jahr zurück, das für die Kulturszene mit extremen Belastungen einherging. Nicht nur die Kunst- und Kulturschaffenden warten sehnlichst darauf, wieder aufzutreten, auszustellen und im öffentlichen Raum kreativ zu werden. Auch das Publikum sehnt diesen Augenblick herbei.
Gemeinsam wollen wir Kultur genießen, gemeinsam gehen wir aber auch durch diese Krise und schaffen Perspektiven.
Mit dem Perspektivplan der Landesregierung werben wir auf Bundesebene für eine transparente Öffnungsperspektive für die Kultur. Wenn wir uns alle an die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung halten und die Inzidenz weiter sinkt, werden wir schneller öffnen können.
Auch die Angst um die wirtschaftliche Existenz der Kulturschaffenden können wir gemeinsam abfedern. Land, Bund und Kommunen haben diverse Hilfen auf den Weg gebracht. Als Landesregierung haben wir uns unmittelbar seit März 2020 darum gekümmert, Einrichtungen, Vereine und einzelne Künstlerinnen und Künstler finanziell zu unterstützen.
Wir handeln dabei auf unterschiedlichen Ebenen. Mit eigenen Landesförderprogrammen helfen wir Kulturakteuren, Liquiditätsengpässe zu überwinden. Auch soloselbständige Künstlerinnen und Künstler unterstützen wir unbürokratisch. Unsere zentrale Beratungsstelle im Kulturministerium berät in allen Fragen und informiert über aktuelle Förder- und Hilfsprogramme. Mit den kulturellen Dachverbänden pflegen wir eine vertrauensvolle Dialogkultur.
Insgesamt hat der Landtag für den Kulturbereich im Laufe des Jahres 2020 knapp 44 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Etwa 14 Millionen Euro sind noch nicht fest verplant und stehen für weitere Hilfsprogramme zur Verfügung.
Mit den Förderprogrammen „Soforthilfe Kultur I/II“ haben wir wirtschaftliche Existenzen von Kultureinrichtungen gesichert, bisher mit 6,5 Millionen Euro.
Darüber hinaus gibt es weitere Hilfen: drei Millionen Euro für Künstlerinnen und Künstler im Rahmen der #KulturhilfeSH, ein separates Förderprogramm für Kinos und Schausteller, und insgesamt zehn Millionen Euro für Digitalisierungsangebote in Kultur- und Bildungseinrichtungen.
Angesichts des fortgesetzten Lockdowns haben wir Stipendien auf den Weg gebracht und planen eine angepasste Weiterführung der Liquiditätshilfen für Kultureinrichtungen. Über weitere benötigte finanzielle Unterstützungsleistungen befinden wir uns im engen Austausch.
Wir wollen Kultur in der Pandemie sichtbar und erlebbar machen. Die Kulturschaffenden brauchen nicht nur finanzielle Hilfe, sie brauchen auch ihr Publikum. Deshalb hat das Land im Sommer das „Kulturfestival Schleswig-Holstein“ ins Leben gerufen. Rund 850 Künstlerinnen und Künstler sind bisher im ganzen Land aufgetreten. Alle Bühnenshows wurden auf einer eigenen Plattform gestreamt. Zudem profitierten bisher etwa 220 Firmen aus der Veranstaltungsbranche von Aufträgen im Zusammenhang mit den einzelnen Events. Weitere Veranstaltungen sind in den kommenden Monaten geplant.
Ich blicke trotz aller Härten für die Kultur optimistisch in die Zukunft. Nicht nur wegen der zielgerichteten finanziellen Hilfen und der möglichen Öffnungsperspektiven.
Zuversicht gibt mit auch das neue Miteinander. Die oftmals sehr heterogen aufgestellte Szene hat sich zu neuen Allianzen zusammengefunden – in Schleswig-Holstein wurde z. B. ein Kinoverbund gegründet, um gezielt Lobbyarbeit zu betreiben. Gewachsen und gefestigt ist auch der Austausch der Kulturträger mit Politik und Verwaltung.
Die Kultur hat eine Welle der Solidarität aus der Mitte der Gesellschaft erreicht. Allein das Schleswig-Holstein Musik Festival hat 2020 durch nicht zurückverlangte Karten ausgefallener Konzerte und Spenden über eine Million Euro von seinem Publikum erhalten. Und vor allem: Wir alle wurden überrascht von unzähligen kreativen künstlerischen Formaten im Netz, aber ebenso ganz analog von ungewöhnlich charmanten Ideen in den Sommermonaten. Der Lohn dafür war ein großer Zuspruch und ganz neu gewecktes Interesse an Kunst und Kultur.
Karin Prien ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein.
Diese Texte ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.