The show must go on

Kultur- und Kreativwirtschaft in Not

Hilfsmaßnahmen der Länder

Die Länder haben teilweise eigene Förderprogramme aufgelegt. Einige Förderprogramme, z. B. in Berlin, wurden bereits wieder eingestellt, da sie überzeichnet waren. Diese Förderprogramme nehmen teilweise explizit Künstlerinnen und Künstler in den Blick. Hier werden unter anderem Stipendien, Umsatzausfälle, Zuschüsse zum Lebensunterhalt auf Antrag gewährt.

 

Es ist generell positiv, dass einige Bundesländer aus Landesmitteln eigene Programme zur Verfügung stellen. Aber es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, dass fast jedes Bundesland sein eigenes Kulturförderprogramm gestrickt hat, und es macht für Künstlerinnen und Künstler, für Kultureinrichtungen und kulturwirtschaftliche Betriebe einen spürbaren Unterschied, in welchem Bundesland sie ihren Sitz haben und damit ein gutes, ein weniger gutes oder überhaupt kein Notprogramm des Sitzlandes nutzen können. Für diesen Förderflickenteppich gibt es keinen nachvollziehbaren Grund! Er ist einfach nur zutiefst ungerecht.
Eine ständig aktualisierte Übersicht zu den Hilfsmaßnahmen der Länder finden Sie hier: kulturrat.de/corona/massnahmen-der-laender/

 

Weiterer Handlungsbedarf

Nach aktuellem Sachstand wird die Corona-Pandemie, bis entsprechende Medikamente bzw. ein Impfstoff vorliegen, das Leben in Deutschland prägen. Die Herausforderung wird sein, mit dem Virus zu leben und seine Verbreitung so gering wie möglich zu halten. Dies bedingt eine Ungewissheit, wann mit Lockerungen und Erleichterungen zu rechnen ist, was wiederum die Planung für die Kultureinrichtungen und -institutionen erschwert. Hier wären verbindliche Zeitfenster, wann weitere Lockerungen geplant sind, wichtig, damit die betreffenden Institutionen und -unternehmen entsprechend planen können. Einige Kultureinrichtungen und -unternehmen werden im ersten Halbjahr ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen können. So hat z. B. Hamburg entschieden, dass die Spielzeit 2019/20 für Theater und Orchester beendet ist. Es wäre wichtig, dass auch andere Länder hier Klarheit schaffen, damit entsprechende Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen geplant werden können.

 

D. h. auch über die Soforthilfen, die für einen Zeitraum von drei Monaten vorgesehen sind, hinaus, besteht erheblicher Handlungsbedarf, um das kulturelle Leben in Deutschland in seiner ganzen Breite und seinen Ausprägungen zu sichern.

 

Ein zentrales Instrument wäre ein Kulturinfrastrukturfonds, der bis Ende 2021 angelegt ist, um der gesamten kulturellen Infrastruktur – Künstler, Kultureinrichtungen, Kulturvereine, Kultur- und Kreativwirtschaftsunternehmen – Möglichkeiten zur Fortsetzung der Arbeit unter den Bedingungen der Corona-Pandemie zu ermöglichen. Die Vergabe der Mittel sollte über Bundeskulturverbände erfolgen, die die Bedarfe des jeweiligen Bereiches kennen und adäquat und zielgerichtet auf Antrag Mittel ausreichen können. Adressaten des Programms sollten sowohl Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen und Einrichtungen der kulturellen Bildung, Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie Kulturvereine sein. Was die Größenordnung dieses Hilfsfonds angeht, sollte das erfolgreiche Programm »Kultur macht stark« als Beispiel genommen werden. Bislang wurden für dieses Programm vom Bund 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

 

Die Kulturministerkonferenz hat am 23.04.2020 in einem Schreiben Kulturstaatsministerin Grütters aufgefordert, einen Nothilfefonds einzurichten und in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe die Verwendung der Mittel zu beraten, damit einen Abstimmung mit den bestehenden Länderprogrammen erfolgen kann.

 

Ein bundesweites Zuschussprogramm für Unternehmen mit mehr als zehn und weniger als 50 Mitarbeitern wäre wichtig, um vielen Betrieben, insbesondere aus dem Markt für darstellende Kunst und der Musikwirtschaft,
zu helfen. Ein temporärer Entlastungszuschuss des Bundes zur Künstlersozialkasse und eine damit einhergehende Senkung des Abgabesatzes, im Idealfall auf null Prozent, für dieses Jahr, würde alle abgabepflichtigen Unternehmen entlasten und damit zur Liquiditätssicherung beitragen.

 

Trotz Corona-Pandemie gilt es weiterhin, die Rahmenbedingungen für den Kultur- und Medienbereich zu gestalten. Die begonnene Urheberrechtsreform gilt es weiter zu verfolgen und die Themen, zu denen bereits Diskussionsentwürfe vorliegen, zeitnah abschließend gesetzgeberisch zu behandeln.

 

In der Corona-Pandemie wird deutlich, unter welch prekären Bedingungen viele Künstlerinnen und Künstler, aber auch andere Unternehmerinnen und Unternehmer im Kultur- und Medienbereich arbeiten. Die Gesetzgebung zur Grundrente sowie zur Einbeziehung von Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung muss zügig vorangetrieben werden, damit sie noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann.

 

Die EU-Ratspräsidentschaft sollte genutzt werden, um steuerpolitische Maßnahmen auf der europäischen Ebene voranzubringen. Dazu gehört die rechtssichere Einführung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Bildende Kunst. Die öffentlichen Hände sind gefordert, für eine stabile Kulturförderung einzustehen. Bund, Länder und Gemeinden müssen bei der Aufstellung der Haushalte für 2021 und darüber hinaus die öffentliche Kulturfinanzierung stabil halten, um ein mittelfristiges Ausdörren des kulturellen Lebens in Deutschland zu verhindern. Packen wir es an, the show must go on.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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