Corona und kein Ende …

Jetzt Perspektiven für den gesamten Kulturbereich gewinnen

 

Wirtschaftshilfen

 

Die ersten Hilfsmaßnahmen des Bundeswirtschaftsministeriums wurden ebenfalls im März auf den Weg gebracht und standen ab April zur Verfügung. Die Vergabe erfolgte über die Länder. Schnell zeigte sich, dass sie insbesondere für Soloselbständige der Kultur- und Kreativwirtschaft wenig passfähig waren. Grundlage war die Erstattung von Betriebskosten, also klassischerweise der Miete und anderer Fixkosten in einer Betriebsstätte. Soloselbständige aus der Kultur- und Kreativwirtschaft haben aber sehr oft keine Betriebsausgaben. Die Hilfsmaßnahmen gingen an vielen vorbei. Der Deutsche Kulturrat und viele andere Verbände setzen sich seit fast einem Jahr für deutliche Veränderungen ein.

 

Mit der Neustarthilfe für Soloselbständige im Rahmen der Überbrückungshilfe III wurde jetzt ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die Neustarthilfe kann von Soloselbständigen beantragt werden, die im Jahr 2019 mindestens 51 Prozent ihres Einkommens aus selbständiger Tätigkeit erwirtschaftet haben. Weiter können unständig Beschäftigte, z. B. Schauspielerinnen und Schauspieler, die Einkommen aus selbständiger Tätigkeit und unständiger Beschäftigung beziehen, die Neustarthilfe beantragen. Einkünfte aus unständiger Beschäftigung werden Umsätzen aus selbständiger Tätigkeit gleichgestellt. Soloselbständige können statt der Fixkosten eine einmalige Betriebskostenpauschale ansetzen. Die volle Betriebskostenpauschale erhalten diejenigen, deren Umsatz im Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 im Vergleich zum Januar 2019 bis Juni 2019 um 60 Prozent oder mehr zurückgegangen ist. Bei der einmaligen Betriebskostenpauschale, also keiner Einzelerstattung von Betriebskosten, liegt der Referenzumsatz bei 50 Prozent des Gesamtumsatzes des Jahres 2019. Die maximale Höhe beträgt 7.500 Euro. Die Betriebskostenpauschale wird als Vorschuss gezahlt. Wird im Zeitraum Januar bis Juni 2021 ein höherer Umsatz erzielt, muss der Vorschuss anteilig zurückgezahlt werden. Der Betriebskostenzuschuss wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Sie kann, sofern erforderlich, zusätzlich beantragt werden. Die Grundsicherung bezieht sich auf die privaten Ausgaben. Der Betriebskostenzuschuss ist ein steuerbarer Zuschuss.

 

NEUSTART KULTUR

 

Im Unterschied zu den Regelungen der Grundsicherung sowie den Wirtschaftshilfen, die sich an alle Unternehmen und Selbständigen richten, adressiert NEUSTART KULTUR, das Programm von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, nur den Kulturbereich. Insgesamt eine Milliarde Euro stehen hierfür zur Verfügung. Im Januar 2020 waren bereits rund 900 Millionen Euro belegt, das heißt an die Fonds und Verbände vergeben. Die Besonderheit dieses Programms besteht darin, dass der größte Teil der Mittel über die Bundeskulturverbände, Verbände oder Stiftungen vergeben wird. Dadurch besteht eine besonders große Nähe zu den Organisationen, Ensembles, Institutionen oder Künstlerinnen und Künstler, die mit den Mitteln erreicht werden sollen.

 

Und der Bedarf ist riesig! Viele Programme sind überzeichnet. Teilweise musste ein erheblicher Teil an sehr guten Anträgen abgelehnt werden, weil zu wenig Mittel zur Verfügung stehen. Eine Aufstockung der Mittel aus NEUSTART KULTUR ist daher dringend erforderlich. Dabei muss auch in den Blick genommen werden, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie, selbst wenn endlich die Impfprogramme richtig anlaufen und wenn Lockerungen möglich sind, noch lange andauern werden. Im Unterschied zur Grundsicherung und den Wirtschaftshilfen, die unmittelbare Hilfe in der Not sind, ist NEUSTART KULTUR ein Wiederbelebungs- und damit auch Hoffnungsprogramm.

 

Perspektiven gewinnen

 

Corona und kein Ende …  und es gibt keine Perspektiven mehr. Aus den Verbänden im Deutschen Kulturrat ist oft zu hören, dass sich ihre Mitglieder beruflich neu orientieren, dass sie resigniert haben und sich eine Zukunft im Kulturbereich derzeit nicht vorstellen können. Neben den ökonomischen Sorgen, die viele zu diesem Schritt veranlassen, weil die Hilfen nicht passgenau sind oder teils auch gar nicht infrage kommen, wird die Perspektivlosigkeit oft als Grund angegeben. Die Unsicherheit, wann der Kulturbetrieb wieder hochgefahren wird, ist sehr groß. Die Sorge vor Kürzungen im öffentlichen Kultursektor geht um und dies obwohl in zwei Ländern, Rheinland-Pfalz und Hamburg, gerade erst die Kulturetats erhöht wurden. Gleichzeitig hat eine Stadt wie München deutliche Kürzungen im Kulturbereich angekündigt. Viele privatwirtschaftliche Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die von Entwicklungen anderer Branchen abhängig sind, bangen, wann endlich wieder Aufträge kommen, damit sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen und auch wieder Aufträge an Freiberufler vergeben können. Über die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben als Erstes jene gesprochen, die ohnehin prekär arbeiten. Sie waren vollkommen zu Recht lange im Fokus. Längst sind die Auswirkungen der Pandemie aber auch bei gesunden Unternehmen angekommen, die zuvor keine wirtschaftlichen Probleme kannten und die nun ihre Reserven aufgebraucht haben. Sie müssen endlich auch berücksichtigt werden.

 

Das Wichtigste ist daher aus unserer Sicht: Perspektiven für den gesamten Kulturbereich zu gewinnen. Für die öffentlichen Kultureinrichtungen ebenso wie für die privatwirtschaftlichen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Für die Künstlerinnen und Künstler sowie die Beschäftigten der Kulturbranchen. Für die vielen Vereine und für die vielen ehrenamtlich Engagierten. Denn: Corona wird ein Ende haben.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2021.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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