Billige Apparate für die breite Masse

Das Radio als nationalsozialistisches Propagandainstrument

Weitere Gemeinschaftsgeräte dienten unterschiedlichen politischen Zielen. Der „Volkslautsprecher VL 34“ sollte die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Lautsprecherfirmen aus der Krise führen. Das als Reminiszenz an die Olympischen Spiele 1936 benannte Kofferradio „Deutscher Olympia-Koffer 1937“ sollte das Radiohören im Freien fördern.

 

Ein 1938 auf den Markt gebrachter Überseeempfänger „Stuttgart“ die Verbindung mit den Auslandsdeutschen erleichtern. Von einem „Volkswagenempfänger“ wurden noch weniger Exemplare produziert als von dem zugehörigen Wagen.

 

Eine weitere Strategie der nationalsozialistischen Führung zur totalen Erfassung des deutschen Volkes durch das Radio bildete der Gemeinschaftsempfang. Gemeinschaftsempfang – so Bekundungen des Propagandaministeriums – sei in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft ohnehin wertvoller als Individualempfang. Gemeinschaftsempfang wichtiger Ereignisse, wie Reden Hitlers, konnte für staatliche Einrichtungen und Parteiorganisationen vorgeschrieben werden; Betrieben wurde er empfohlen. Für den Gemeinschaftsempfang schuf die Deutsche Arbeitsfront 1935 den Empfänger DAF 1011. Am 10. November 1933 hatte Hitler eine Rede in den Berliner Siemens-Werken gehalten. Die angestrebte allgemeine Verbreitung erreicht der DAF 1011 jedoch nicht. Für den städtischen öffentlichen Raum wollte man ein Netz von „Reichs-Lautsprechersäulen“ installieren, kam aber dabei über ein Pilotprojekt in Breslau nicht hinaus. Kleinere Gemeinden sollten eigene Übertragungsanlagen erhalten. Auch hier wurde von den Ankündigungen nur wenig umgesetzt. Eine Realisierung der Pläne für den Gemeinschaftsempfang hätte aus dem Reich ein gigantisches Reichsparteitagsgelände gemacht.

 

Der Krieg schuf eine neue Situation. Der Radioverkauf schlief mit der Zeit im Deutschen Reich ein. Das zentrale Propagandamittel Radio konnte die ihm zugeschriebene Funktion also nur noch bedingt erfüllen. Alle großen kriegführenden Staaten schufen zahlreiche Auslandssender, um die Weltbevölkerung in ihrem Sinne zu beeinflussen, nicht zuletzt auch die im Ausland lebenden eigenen Staatsbürger. Gleichzeitig sollten ausländische Sender in den jeweiligen Heimatländern nicht mehr gehört werden. In Deutschland wurde das Hören ausländischer Sender unter Androhung von Gefängnisstrafen verboten. Wenn für das Reich gefährliche Nachrichten weiterverbreitet wurden, konnte dies als Hochverrat interpretiert und mit Zuchthaus oder dem Tode bestraft werden. Dennoch informierten sich nicht wenige Deutsche über die politische und militärische Lage über „Feindsender“, weil man dem eigenen Radioprogramm nicht mehr traute.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.

Wolfgang König
Wolfgang König ist pensionierter Professor für Technikgeschichte an der Technischen Universität Berlin und Mitglied von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.
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