Novellierung des Kulturgutschutzes in Deutschland

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 10.12.2014. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Bundesregierung vor der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes eine schriftliche Anhörung durchführt, um so den Sachverstand einzuholen. Eine Novellierung des „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung“ (zuerst gefasst am 06.08.1955, Neufassung vom 08.07.1999 und zuletzt geändert am 18.05.2007) ist im Zuge der Umsetzung der „Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung)“ erforderlich.

 

Der Deutsche Kulturrat konzentriert sich in seiner Stellungnahme auf die spartenübergreifenden Fragestellungen. Er sieht in der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes auch eine Chance für einen stärkeren Dialog zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern untereinander zu Fragen des Kulturgutschutzes.

 

Mit Blick auf den von Der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vorgelegten Fragenkatalog sieht der Deutsche Kulturrat das Erfordernis, den Begriff des Kulturgutes zu konkretisieren. Zum Kulturgut zählen nicht nur Denkmäler und ihre Ausstattung, archäologische Funde, Museumsgut und Schriftgut, sondern beispielsweise auch Archivgut, autographe Notenmaterialien, Archivalien, Künstlernachlässe, audiovisuelle Werke, Tonträger und Computerspiele.

 

1. Umsetzung der neuen EU-Richtlinie

Wie können die Sorgfaltspflichten der neuen Richtlinie 2014/60/EU, die für jedermann gelten, für die Praxis konkretisiert werden? Was kann von Privatpersonen bei einem Erwerb von Kulturgut erwartet werden? Welche Mindestanforderungen beim Nachweis rechtmäßiger Provenienz von Kulturgut sollten gestellt werden? Sollte dabei zwischen Privatpersonen und Handel unterschieden werden? Welche Datenbanken außer der lnterpol-Datenbank bzw. Einsichtnahme bei lostart.de sollten aus ihrer Praxiserfahrung konsultiert werden?

 

Der Deutsche Kulturrat sieht es als Fortschritt an, wenn gesamte öffentliche Sammlungen oder wesentliche Sammlungsteile als Gesamtkonvolut unter Kulturgutschutz gestellt werden können. Eine Beschränkung des Kulturgutschutzes auf öffentliche Sammlungen hält der Deutsche Kulturrat jedoch für problematisch, da nicht-staatliche Sammlungen, Stiftungen (wie z.B. die Murnau-Stiftung oder die DEFA-Stiftung) und Kirchen ebenfalls nationales Kulturgut bewahren. Hier muss klargestellt werden, dass auch solche Sammlungen vom Kulturgutschutzgesetz erfasst werden sollen. Weiter regt der Deutsche Kulturrat eine Erweiterung des Begriffs der öffentlichen Sammlung auf mit öffentlichen Mitteln geförderte Sammlungen an. Damit könnten auch jene Sammlungen erfasst werden, die sich im nicht-staatlichen Besitz befinden, aber öffentlich gefördert werden.

 

Mit Hilfe eines Bundesgesetzes kann ein Rahmen geschaffen werden, der Vergleichbarkeit zwischen den Ländern mit Blick auf die Eintragung von Kulturgut in Kulturgutschutzlisten ermöglicht und zugleich den Ländern Raum für individuelle Ausgestaltungen lässt.

 

Mit Blick auf den Provenienznachweis haben öffentlich geförderte Einrichtungen eine besondere Verantwortung. An sie sind hohe Anforderungen mit Blick auf den Provenienznachweis zu richten. Dieses gilt gleichermaßen für den professionellen Handel. Hier sollten sich die Erfahrungen des Schweizer Kulturgütertransfergesetzes zu Nutze gemacht werden, das wirksame Regelungen für die Sorgfaltspflicht der Kunsthändler enthält. Hierzu zählen beispielsweise die Feststellung der Identität der einliefernden Personen oder des Verkäufers, das Verlangen einer schriftlichen Erklärung, dass die einliefernde Person oder der Verkäufer eine Verfügungsberechtigung über das Kulturgut haben, die Information der Käufer über Ein- und Ausfuhrbestimmungen von Vertragsstaaten, eine sorgfältige Buchführung über die Beschaffung von Kulturgut, wozu auch Angaben über den Ursprung von Kulturgut zählen. Die seit 2007 bestehende Praxis hat sich bewährt und sollte fortgeführt werden, zumal dies auch den steuerlichen Erfordernissen entspricht.

 

Auch Privatpersonen müssen sich an Minimalstandards wie Objektbeschreibungen hinsichtlich des Provenienznachweises halten. Bei Veräußerungen von Kulturgut durch Privatpersonen sind die gleichen Grundsätze wie beim Kunsthandel einzuhalten.

 

Als ein drängendes Problem sieht der Deutsche Kulturrat den Schutz archäologischen Kulturgutes. Aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Lage in vielen Ländern wächst hier ein grauer und schwarzer Markt von Kulturgut. Folgende Mindestanforderungen sollten für archäologische Kulturgüter gelten: Informationen über Herkunft, Ort und Datum der Ausgrabung oder Entdeckung, Ausfuhrerlaubnis aus dem Herkunftsland sowie überprüfbare Angaben zum früheren oder gegenwärtigen Besitzer.

 

Mit Blick auf die Datenbank www.lostart.de hat der Deutsche Kulturrat in seiner Stellungnahme „Zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ Vorschläge zur Verbesserung der Datenbank gemacht. Weiter hält der Deutsche Kulturrat die Konsultation internationaler Datenbanken für bedeutsam. Der internationale Museumsrat ICOM baut derzeit die internationale Datenbank „International Observatory on Illict Traffic in Cultural Goods“ auf, die mit Blick auf die internationale Dimension der Fragestellung die Recherchemöglichkeiten erweitern wird.

 

2. Schaffung eines einheitlichen, kohärenten Kulturgüterschutzgesetzes

Welche Regelungen bzw. Vereinfachungen halten Sie im Bereich des Kulturgüterschutzrechts für erforderlich?

 

Wie unter 1. bereits formuliert, hält der Deutsche Kulturrat ein Bundesgesetz, das als klare Vorgabe für die Länder dient, für wichtig. Das Kulturgutschutzgesetz soll andere Gesetze wie z.B. Denkmalschutzgesetze berücksichtigen. Zugleich sind die Länder gefordert, Konsequenzen des Kulturgutschutzgesetzes auf ihre Ländergesetze zu prüfen.

 

3. Stärkung des Abwanderungsschutzes und Anpassung an EU-Recht

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Genehmigungspflicht nach Verordnung (EG) 116/2009 bisher gemacht? Deckt sich Ihre Erfahrung mit der Aussage, dass der deutsche Handel mit Kulturgut mit Nicht-EU-Staaten (USA, Schweiz etc.) den des Handels mit EU-Mitgliedstaaten überwiegt? Wenn ja, in welchem Verhältnis?

 

Die Ausleihe von Kulturgut spielt in den verschiedenen Einrichtungen eine unterschiedlich große Rolle. Daher muss das Thema differenziert betrachtet werden. Auch ist zu unterscheiden zwischen dem Leihverkehr, der zwischen Kultureinrichtungen stattfindet und der Genehmigung durch die jeweils zuständigen Behörden. Hier sind Unterschiede zwischen den Ländern auszumachen. Vorgaben von Bundesseite könnten hier eine Erleichterung schaffen.

 

4. Stärkung der Umsetzung der UNESCO Konvention von 1970

Wie sollte der Nachweis erbracht werden, dass sich das Kulturgut aus Vertragsstaaten der UNESCO-Konvention von 1970 bereits vor dem 29. Februar 2008 (Stichtag der Ratifikation) in Deutschland Ist bzw. im EU-Binnenmarktbefunden hat? Ist eine ,,Objekt-lD“ (beispielsweise die Objekt-ID der UNESCO für Kulturgut) nach Art eines „KfZ-Briefes“ für Kulturgut sinnvoll? Welche zusätzlichen Maßnahmen halten Sie für geeignet, um den Handel mit Kulturgütern in Deutschland zu unterbinden, die in ihrem Herkunftsland illegal ausgegraben bzw. illegal ausgeführt wurden?

 

Der Deutsche Kulturrat hält eine Stärkung der Umsetzung der UNESCO-Konvention von 1970 für richtig und wichtig. Sowohl die Kunsthandelsverbände als auch die Museen haben zwischenzeitlich jeweils einen Ethik-Kodex entwickelt, der Grundlage für den Handel ist. Der Nachweis und die Dokumentation der Provenienz von Kulturgut haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und muss von allen Akteuren umgesetzt werden. Die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes kann zu einer Verstärkung der bestehenden Bemühungen einen wesentlichen Beitrag leisten. Weiter wäre zur Begrenzung des illegalen Handels das Listenprinzip durch ein Kategorienprinzip zu ergänzen.

 

Eine freiwillige Objekt-ID wäre wünschenswert, eine gesetzliche Regelung in ihrer Umsetzung jedoch zu aufwändig.

 

5. Stärkung des Kunsthandelsstandortes Deutschland

Ist Ihnen der UNESCO-Ethikkodex für Kunsthändler von 1999 bekannt und wenn ja, wie ist er durch Sie oder Ihren Verband umgesetzt bzw. wie bewerten Sie ihn? Halten Sie mit Blick auf die Klärung der Provenienz eines Kulturgutes die Einführung eines „Gütesiegels“ bei Verkäufen durch den Kunsthandel für sinnvoll?

 

Die Kunsthandelsverbände haben klare Kriterien für die Mitgliedschaft und verlangen von ihren Mitgliedern, dass sie den Ethik-Kodex einhalten. Diese Form der Selbstregulierung ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates der bessere Weg als die Einführung eines Gütesiegels, zumal sich die Frage stellt, wer ein solches Gütesiegel vergeben kann und soll.

 

In seiner Stellungnahme „Zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ hat der Deutsche Kulturrat formuliert: „Die Verbände des Kunst- und Auktionshandels sollten in ihren Präambeln analog zur Sorgfaltspflicht bezüglich der Echtheit der von ihnen gehandelten Objekte eine Überprüfung eventuell restitutionsbelasteter Stücke durch entsprechende Forschung aufnehmen und damit gegenüber den Mitgliedern einen gewissenhaften Umgang mit der Provenienzrecherche anmahnen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nicht jedes Objekt, das zwischen 1933 und 1945 keine lückenlose Provenienz hat, automatisch restitutionsbelastet ist. Die Kunsthandelsverbände sollten den Verkauf von Objekten mit eindeutig belasteten Provenienzen ausdrücklich ächten.“

 

Eine solche Positionierung kann nach Auffassung des Deutschen Kulturrates zur Stärkung des Kunsthandelsstandorts Deutschland beitragen, da sie Käufern Sicherheit gewährt.

 

6. Vereinfachungen im internationalen Leihverkehr

Deutschland hat sich bei den Verhandlungen über die neue Richtlinie für eine Klärung des Verhältnisses zwischen nationaler Rückgabezusage und Rückgabepflicht nach Richtlinie eingesetzt. Obwohl der deutsche Vorschlag im Europäischen Parlament aufgegriffen wurde, fand der Vorschlag weder im Rat noch im Parlament eine Mehrheit. Dies bedeutet, dass die Rückgabezusage (jetzt § 20 KultgSchG) in Hinblick auf mögliche Rückgabeforderungen nach Richtlinie zukünftig eingeschränkt werden muss. Welche zusätzlichen Änderungen erachten Sie aus Ihrer Praxis für erforderlich?

 

Der internationale Leihverkehr ist von großer Bedeutung. Die rechtsverbindliche Rückgabezusage hat sich bewährt, insofern plädiert der Deutsche Kulturrat dafür, dass eine Regelung gefunden wird, dieses Verfahren aufrechtzuerhalten. Bei der Formulierung dieser Regelung sollte die Fachkenntnis der unterschiedlichen Akteure aus den verschiedenen kulturellen Sparten einbezogen werden. Das Ziel muss sein, die Mobilität von Kulturgut nicht einzuschränken.

 

7. Stärkung des Schutzes von öffentlichen Sammlungen

Befürworten Sie besondere Schutzregelungen für öffentliche Sammlungen und Sammlungen kirchlicher und religiöser Einrichtungen (vgl. Art. 8 der RL)? Gibt es Aspekte, die aus Ihrer Sicht nicht von den obigen acht Rahmenvorgaben umfasst sind, aber noch berücksichtigt werden sollten?

 

Die Unterschutzstellung von Kulturgut im Besitz der öffentlichen Hand wird vom Deutschen Kulturrat befürwortet. Allerdings sieht der Deutsche Kulturrat das Problem, dass sich Kulturgut auch in der Hand nicht-staatlicher Institutionen befindet. Insofern sieht es der Deutsche Kulturrat für erforderlich an, auch für national wertvolles Kulturgut, das sich in nicht-staatlichen Sammlungen befindet, Lösungen zu entwickeln.

 

Als weitere Kategorie regt der Deutsche Kulturrat an, Kompetenzen und Qualität bei der Konservierung sowie Restaurierung von Kunst und Kulturgut von den staatlichen Stellen zu befördern und zu sichern, da sie die Basis für den grundhaften und beständigen Kulturgutschutz darstellen.

 

Für die Kenntnis und Vermittlung von Kulturgut spielt die digitale Reproduktion, Erschließung und Präsentation eine zunehmend wichtige Rolle. Gleichzeitig wächst die Menge originär digitaler Dokumente und Artefakte. Zum Verhältnis von analogen, digitalen und digitalisierten Originalen und zu Fragen ihrer Sicherung nimmt der Deutsche Kulturrat gesondert Stellung.

Vorheriger ArtikelEntwurf eines Gesetzes zur Regelung der Tarifeinheit
Nächster ArtikelErste Ausschreibungsrunde des EU Kulturförderprogramm „Kreatives Europa“