Berlin, den 10.12.2014. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hatte am 23.01.2012 zum damaligen EU Rahmenprogrammentwurf „Kreatives Europa“ Stellung genommen (Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Entwurf des EU-Rahmenprogramms „Kreatives Europa“). Er hat seinerzeit die starke Fokussierung auf kulturwirtschaftliche Effekte beklagt und die Befürchtung formuliert, dass kleinere Vorhaben, obwohl sie einen besonders hohen europäischen Mehrwert haben, künftig deutlich weniger gefördert werden. Weiter hat der Deutsche Kulturrat die Streichung der Betriebskostenzuschüsse der europäischen Netzwerkförderung kritisiert und auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die entstehende europäische Zusammenarbeit sowie den zivilgesellschaftliche Austausch zu unterbrechen. Ferner konnte der Deutsche Kulturrat keine Vorteile in der Zusammenlegung des Kulturprogramms und des MEDIA-Programms zu einem gemeinsamen Rahmenprogramm „Kreatives Europa“ erkennen.
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass einige der aufgeführten Aspekte bereits im vorbereitenden Ausschuss für den EU-Kulturministerrat thematisiert wurden. Dennoch erachtet der Deutsche Kulturrat es für wichtig, erneut mit den folgenden Forderungen Stellung zu nehmen.
Nach Abschluss der ersten Ausschreibungs- und Auswahlrunde nimmt der Deutsche Kulturrat erneut Stellung zum EU-Rahmenprogramm „Kreatives Europa“, da er das Erfordernis für Nachjustierungen sieht.
Benachteiligung kleinerer Organisationen
In der ersten Auswahlrunde hat sich gezeigt, dass eine deutliche Verschiebung hin zu Großprojekten (bis zu 2 Mio. € EU-Kofinanzierung) festzustellen ist. Insgesamt wurden 21 Großprojekte und 43 kleinere Projekte bewilligt. Bei den kleineren Projekten entspricht das einer Bewilligungsquote von lediglich 12,8 Prozent. Noch im Jahr 2013 wurden 14 Großprojekte und 126 kleine Projekte gefördert. Das ist ein Rückgang von 83 kleineren Projekten zugunsten von sieben Großprojekten. Dieses ist bedauerlich, weil das EU-Rahmenprogramm „Kreatives Europa“ keine Mindestantragssummen vorsieht und dadurch auch die Beteiligung kleinerer Akteure ermöglicht werden soll. Es wird damit eine Chance für europäische Zusammenarbeit vertan, denn gerade kleinere Vorhaben, die auf persönlichem Austausch und Begegnung basieren, haben oft einen erheblichen europäischen Mehrwert.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass bei künftigen Ausschreibungs- und Auswahlrunden ein besonderes Augenmerk auf kleinere Vorhaben gerichtet wird. Hier gilt es sowohl die Information über das Programm kritisch zu hinterfragen als auch die Antragspraxis.
Netzwerke stärken
In den vergangenen Jahren wurde nicht zuletzt durch die europäische Förderung die Bildung von europäischen Kulturnetzwerken verstärkt. Diese Netzwerke bündeln nicht nur Positionen der verschiedenen kulturellen Bereiche, sie dienen vor allem dem Austausch von Akteuren aus den EU-Mitgliedstaaten und darüber hinaus. Zugleich sind die Mitglieder der Netzwerke Botschafter der europäischen Idee und können diese weitergeben. Das EU-Rahmenprogramm „Kreatives Europa“ zielte auf eine Fokussierung der Netzwerkförderung ab und legte fest, dass maximal 25 Netzwerke gefördert werden können. Dies entspricht einem Rückgang um 50 % im Vergleich zum vorangegangenen Programm. Diese Zielsetzung wurde vom Deutschen Kulturrat bereits in der o.g. Stellungnahme aus dem Jahr 2012 kritisiert, da die Gefahr gesehen wurde, dass entstandene Netzwerke ohne europäische Förderung nicht lebensfähig sein würden. Das Ergebnis der ersten Ausschreibungsrunde bestätigt leider die Befürchtung. Die Reduzierung der Netzwerkförderung führt dazu, dass einige Netzwerke nunmehr rein ehrenamtlich arbeiten müssen, was zu einer Entprofessionalisierung führt. Der Deutsche Kulturrat konzediert, dass eine Fusionierung von Netzwerken in einzelnen Fällen sinnvoll sein könnte. Ein solcher Prozess kann aber nicht verordnet werden, sondern liegt in der Autonomie der Netzwerke. Weiter werden die Netzwerkförderungen so spät ausgereicht, dass sie die beteiligten Organisationen in ökonomische und rechtliche Schwierigkeiten führen können.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die Netzwerkförderung wieder einen stärkeren Stellenwert im Förderprogramm erhält. Er drängt darauf, die Projektförderung der Netzwerke wieder in eine institutionelle Förderung zu überführen und damit eine längerfristige Perspektive der Zusammenarbeit zu eröffnen.
Europäischer Mehrwert
Kultur schafft europäischen Mehrwert. Erreichte Besucher- oder Nutzerzahlen sind dabei ein, aber kein hinreichendes Kriterium zur Messung des europäischen Erfolges einer Maßnahme. Gerade Projekte und europäische Netzwerke aus dem Non-Profit-Bereich können erheblich zur Stärkung der europäischen Idee beitragen und damit das Zusammenleben in Europa erfahrbar machen.
Der Deutsche Kulturrat fordert, die Messkriterien für den Erfolg einer Maßnahme einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Neben den quantitativen müssen auch qualitative Kriterien entwickelt und bei der Ausschreibung formuliert werden.
Kommunikation
In der ersten Ausschreibungsrunde zeigte sich, dass die Generaldirektion für Bildung und Kultur bzw. die Executive Agency for Culture, Education and Audiovisual nicht ausreichend ausführliche Ergebnislisten publizierte. Diese werden jedoch sowohl für die Bewertung der Ergebnisse als für künftige Antragsteller benötigt. Darüber hinaus sollte dafür Sorge getragen werden, dass die Kommission, die Agentur und die Kontaktstellen jeweils klare, abgestimmte Informationen entsprechend ihrer Zuständigkeiten geben.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die angekündigte Verbesserung der Kommunikation nunmehr auch zügig umgesetzt wird. Darüber hinaus müssen die ausführlichen Ergebnisse des Auswahlprozesses zugänglich gemacht werden.
Erfahrungen mit MEDIA
Die erste Auswahlrunde des Teilprogramms MEDIA hat gezeigt, dass insbesondere die mittelständische deutsche Filmwirtschaft weniger von dem Programm profitieren konnte. Grund dafür ist ein automatisches Punktesystem, das Antragsteller aus kleinen Ländern gegenüber Mitbewerbern aus großen Staaten bevorzugt. Der Auswahlmechanismus, der seit Einführung von Creative Europe bei der Vorauswahl der Projekte Anwendung findet, privilegiert Projekte aus kleinen Ländern um 10 Punkte. Entsprechend den Problemen des KULTUR-Programms zeigt sich auch, dass im MEDIA-Programm insbesondere kleine Produktionsfirmen durch die Antragspraxis benachteiligt werden. Das komplexe Antragsverfahren und der hohe administrative Aufwand führen dazu, dass kleine Organisationen von einer Bewerbung absehen.
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass bei künftigen Ausschreibungs- und Auswahlrunden besonders kleinere Vorhaben berücksichtigt werden und die Antrags- und Bewertungspraxis von Projekten einer kritischen Evaluation unterzogen werden.
Finanzfazilität
Das EU-Rahmenprogramm „Kreatives Europa“ sieht als neues Förderinstrument die Finanzfazilität vor. Sie soll insbesondere der Unterstützung kulturwirtschaftlicher Akteure dienen. In der ersten Ausschreibungsrunde wurde dieses Förderinstrument noch nicht ausgeschrieben.
Der Deutsche Kulturrat sieht die kulturwirtschaftlichen Akteure aller künstlerischen Sparten in der Verantwortung, gegenüber der EU-Kommission und Exekutivagentur zu verdeutlichen, welcher Förderbedarf im Rahmen dieses Programmbestandteils besteht und wie die Förderbedingungen aussehen sollten.
Creative Europe Desks
Der Deutsche Kulturrat hatte bereits im Januar 2012 vor einer Zusammenlegung der nationalen Beratungsstellen des EU-Kulturprogramms und des MEDIA-Programms gewarnt, da die Programme unterschiedlich aufgebaut sind und verschiedene Zielgruppen in den Blick nehmen. Es erweist sich nun, dass die beabsichtigten Synergieeffekte nicht eintreten. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die die Verteilung der Themen Kultur und Medien auf zwei unterschiedliche Generaldirektionen innerhalb der neuen Kommission die Zusammenarbeit erschwert.
Der Deutsche Kulturrat fordert eine organisatorische Entflechtung der Beratungsstellen des EU-Kultur- des MEDIA-Programms.