KW 9: Ein Jahr: Corona versus Kultur – Eine erste kulturpolitische Bilanz, Aktuell: Corona-Hilfen der Länder und des Bundes, Preisverleihung Fotowettbewerb, …

... KULTURLICHTER – Deutscher Preis für Kulturelle Bildung 2021, Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich gebe zu – auch mich packt allzu oft der Corona-Blues. Jetzt liegen fast 12 Monate Kultur-Lockdown hinter uns. Fast immer hart, also vollständig, nur in den Sommermonaten des letzten Jahres gab es eingeschränkte Öffnungen unter strengen Hygienebedingungen.

 

Der März letzten Jahres war noch ganz davon geprägt, schnell Hilfsprogramme auf den Weg zu bringen.

 

Die in der Künstlersozialkasse versicherten Künstlerinnen und Künstlern hatten noch im November 2019 geschätzt, dass 2020 ihr Einkommen wieder steigen wird. Viele Planungen bestanden. Vor den meisten lag ein normales Jahr, mit den ganz normalen Aufs und Abs. Die Leipziger Buchmesse stand Ende Februar 2020 noch vor der Türe. Lesungen von Autorinnen und Autoren waren geplant und auch ich freute mich, mich wieder in das Leseparadies Leipzig zu stürzen.

 

In der Initiative kulturelle Integration hatten wir noch Ende Januar eine Fachtagung zum Gedenken an 70 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durchgeführt, weitere Veranstaltungen waren in Planung, um sich mit diesem Thema und vor allem dem jüdischen Leben in Deutschland heute zu befassen. Im Musikbereich stand das große Jubiläum zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven vor der Tür. Manche hatten bereits seit Jahren darauf hingearbeitet. Die Berlinale war abgeschlossen, aber die Filmwelt freute sich noch auf weitere „Rote Teppiche“, sprich auf andere Festivals. Aus jeder künstlerischen Sparte und jedem Bereich des kulturellen Lebens lassen sich Beispiele von geplanten Veranstaltungen, Tagungen, Ausstellungen, Aufführungen und vielem anderen mehr aufzählen, die nach Beginn der Pandemie in Deutschland nicht oder zumindest nicht so, wie geplant, stattfinden konnten.

 

Jetzt Anfang März 2021 befindet sich der Kulturbereich immer noch im Lockdown. Die Buchmesse in Leipzig findet auch in diesem Jahr nicht statt.

In den letzten 12 Monaten wurden viele Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, vom Bund und auch von den Ländern. Neben den Programmen, die sich an alle von der Pandemie Betroffenen richten, gibt es auch spezifische ausschließlich für den Kulturbereich – und zwar sowohl in den Ländern als auch mit NEUSTART KULTUR vom Bund. Der Deutsche Kulturrat und viele seiner Mitgliedsverbände sind seit einem Jahr im Ausnahmezustand. So viele Gespräche zwischen den Verbänden, der Politik und der Verwaltung, so viele gemeinsam angeschobene Programme und Hilfsmaßnahmen hat es noch nie gegeben. Und ja natürlich, vieles kann noch verbessert oder ausgeweitet werden, aber vieles ist auch geschehen und gelungen.

 

Mein Eindruck ist überdies, dass die Nöte des Kulturbereiches in der Politik wahrgenommen werden. Deshalb kann mit den Politikerinnen und Politikern zurzeit nicht nur über die Nothilfe in der Pandemie, sondern auch über die mittel- und langfristigen Fragen zur Verbesserung der grundsätzlichen Situation im Kulturbereich gesprochen werden. Nutzen wir dieses Zeitfenster, um grundlegende Fragen der sozialen Absicherung jetzt anzusprechen, um das Verhältnis zwischen Projekt- und Infrastrukturförderung jetzt zu hinterfragen, um über das Verhältnis zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit aktuell nachzudenken, um eine sinnvolle Digitalisierung im Kulturbereich voranzubringen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass der anstehende Bundestagswahlkampf die Offenheit in der Politik für unsere Anliegen noch einmal erhöhen wird.

 

Den Corona-Blues macht aber mehr aus. Mir fehlt es, mit anderen Menschen zusammenzukommen, ganz zufällig bei einer Tagung oder einer anderen Veranstaltung neben jemandem zu sitzen und ins Gespräch zu kommen. Ein Gespräch, das fortgesetzt wird und aus dem sich neue Ideen oder auch neue Formen der Zusammenarbeit ergeben. Mir fehlen die Pausen bei den Sitzungen der Ausschüsse des Deutschen Kulturrates, die immer die Gelegenheit bieten, mit dem einen oder der anderen dieses oder jenes Thema ganz en passant anzusprechen. Ich vermisse in den Zoom-Sitzungen den direkten Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Verbänden und Organisationen. Selbst die vielen Dienstreisen, über die ich mich manchmal beklagt habe, fehlen mir. Jeden Tag schaue ich auf viele kleine Kästchen mit Menschen drin. Fast jedes digitale Konferenzprogramm habe ich inzwischen ausgiebig testen dürfen. Technisch funktionieren fast alle hervorragend. Und doch fehlt etwas Entscheidendes: die menschliche Begegnung.

 

Auch Live-Kunst kann durch den Bildschirm nicht ersetzt werden. Für mich liegt ein großer Unterschied darin, ob ich ein Bild tatsächlich im Original betrachten kann oder am Bildschirm sehe, ob ich mich freue auf eine Aufführung im Theater, das Klingeln höre, das letzte Räuspern, bevor der Vorhang hochgeht und das Spiel beginnt, oder ob ich am Bildschirm, unterbrochen vom Holen eines Getränks, mir etwas anschaue. Die Aura des Originals und des Live-Erlebnisses, sie werden jetzt besonders deutlich. Darüber hinaus vertraue ich der kathartischen Wirkung der Kunst. Das gemeinsame Lachen und Weinen, so trivial es für manchen klingen mag, ist eine wesentliche Funktion gerade des Theaters oder auch des Kinos. Für uns Menschen zählt eben nicht nur der Verstand, sondern auch die Emotion. – Und wenn ich dies alles so schmerzlich vermisse, wie wird es Künstlerinnen und Künstlern gehen, die der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Publikum beraubt sind. Wer von Kindesbeinen an auf eine künstlerische Karriere hinarbeitet, ist nun auf null gestellt. Neben allen ökonomischen Problemen, die der Lockdown verursacht, ist dies ein Thema, das meines Erachtens viel zu selten angesprochen wird.

 

Wenn ich in meiner Stadt Berlin durch die Straßen gehe, sehe ich, was der Lockdown mit den Menschen macht. Fast wie Zombies geistern wir durch die Städte. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass wir dringend eine Perspektive für menschliche Begegnungen brauchen. Unsere Forderungen nach Öffnungsszenarien im Kulturbereich sind ein Hilferuf nach einer Perspektive, wann wieder Begegnungen möglich sind, wann wieder Live-Kunst möglich ist!

 

Ihr

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Twitter: olaf_zimmermann


 

Ein Jahr: Corona versus Kultur – Eine erste kulturpolitische Bilanz in Politik & Kultur 3/21

 

Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie und des einhergehenden Kultur-Lockdowns ziehen mehr als 50 Autorinnen und Autoren im Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe 3/21 von Politik & Kultur eine erste kulturpolitische Bilanz.

Welche Perspektiven können aufgezeigt werden? Wann kann wie geöffnet werden?

Der Schwerpunkt „Vom Corona-Blues zu Zukunftsperspektiven: Ein Jahr Corona versus Kultur“ wirft einen Blick auf das Kommende und dringend Notwendige quer durch alle Sparten unserer Kulturlandschaft.

 

Bund

 

Länder

 

Einschätzungen der Kulturministerinnen und Kulturminister:

  • Baden-Württemberg THERESIA BAUER
  • Bayern BERND SIBLER
  • Berlin KLAUS LEDERER
  • Brandenburg MANJA SCHÜLE
  • Bremen ANDREAS BOVENSCHULTE
  • Hamburg CARSTEN BROSDA
  • Hessen ANGELA DORN
  • Mecklenburg-Vorpommern BETTINA MARTIN
  • Niedersachsen BJÖRN THÜMLER
  • Nordrhein-Westfalen ISABEL PFEIFFER-POENSGEN
  • Rheinland-Pfalz KONRAD WOLF
  • Saarland CHRISTINE STREICHERT-CLIVOT
  • Sachsen BARBARA KLEPSCH
  • Sachsen-Anhalt RAINER ROBRA
  • Schleswig-Holstein KARIN PRIEN

 

Zivilgesellschaft
Aus allen Sparten des Kulturbereiches – Musik, darstellende Künste, Literatur, Baukultur, bildende Kunst, Design, Medien und Sozikultur – berichten Expertinnen und Experten über den Ist-Zustand und zeigen erste Öffnungsperspektiven auf.

 


 

Aktuell: Corona-Hilfen der Länder


 

Coronahilfen des Bundes


 

Aktuelle Meldungen des Deutschen Kulturrates zur Corona-Pandemie


 

Vorankündigung: Preisverleihung Fotowettbewerb „Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland“ am 12. März 2021

 

Am 12. März 2021 ist es endlich so weit! Dann werden die zehn prämierten Fotos unseres Fotowettbewerbs „Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland“ bekannt gegeben.

 

Die Jury-Mitglieder wählten aus den insgesamt 654 Einreichungen die zehn zu prämierenden Fotos in vier verschiedenen Preiskategorien aus.

 

Der Jury gehören an: Iris Berben (Schauspielerin), Stephan Erfurt (Vorstandsvorsitzender C/O Berlin Foundation), Dalia Grinfeld (stellvertretende Direktorin für Europäische Angelegenheiten bei der Anti-Defamation League (ADL)), Staatsministerin für Kultur und Medien Prof. Monika Grütters MdB, Dr. Felix Klein (Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus), Shelly Kupferberg (Journalistin und Moderation), Patricia Schlesinger (Intendantin des rbb), Dr. Josef Schuster (Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland) und Olaf Zimmermann (Sprecher der Initiative kulturelle Integration).

 

Wir laden Sie herzlich ein, der Prämierung im Livestream auf unserer Webseite zu folgen: Freitag, den 12. März 2021, ab 12.30 Uhr!

Weitere Informationen finden Sie hier.


 

Preisverleihung KULTURLICHTER – Deutscher Preis für Kulturelle Bildung 2021 / Aufruf zum Online-Voting für den „Preis des Publikums“

 

Am 11. März 2021 um 19:00 Uhr werden im Rahmen einer digitalen Preisverleihung die Auszeichnungen für den neuen Deutschen Preis für Kulturelle Bildung KULTURLICHTER 2020 vergeben.

Über den Preis des Publikums stimmt das Publikum im Internet ab. Ab sofort kann man für seinen Favoriten auf der Seite Kulturlichter seine Stimme abgeben. Hier werden auch die zur Wahl stehenden nominierten Projekte beschrieben.

Über die Preise des Bundes und der Länder hat eine Jury entschieden.


 

Text der Woche: Susanne Keuchel „Rückkehr zu einer moralisierenden Gesellschaft? – Das Fundament für eine Koexistenz unterschiedlicher Milieus bröckelt „

 

In einer demokratischen Debatte kann mit Werten, Moral und auch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen argumentiert werden. Daraus einen Absolutheitsanspruch abzuleiten, ist jedoch eine gefährliche Gratwanderung. Denn moralisieren, seinen Mitmenschen Werte oder Prinzipien aufzuerlegen und damit das Aushandeln ihrer Positionen einzuschränken, ist letztlich eine Form von Gewalt in einer Demokratie. Vielleicht muss eine Gesellschaft, die lange Zeit sehr liberal und technokratisch argumentiert hat, erst wieder lernen moralische Debatten zu führen.

Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.

 

Lesen Sie den Text hier!

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