- Der 7. Oktober 2023 und alles, was danach geschah
- Schwerpunkt „Jüdisches Leben“ in Politik & Kultur
- Teilhabeempfehlungen für eine inklusive Kultur
- Anhörung zur Restitution von NS-Raubkunst
- NEU! Kunstfreiheit – Zehn Jahre Debatten in Politik & Kultur
- Text der Woche: „Dichten gegen ein unmenschliches System. Eine traurige und doch Mut machende Weihnachtsbotschaft“ von Johann Hinrich Claussen
- Zum Schluss: Was das Ende der Ampelregierung für die Bundeskulturförderung bedeutet
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Kulturbereich wird zur Zeit darum gerungen, wie mit latentem oder auch offensichtlichem Antisemitismus in unseren Reihen umgegangen werden soll. Ob es staatlicher Regularien bedarf oder ob Selbstverpflichtungen der bessere Weg sind? Ob Künstlerinnen und Künstlern, die mit der BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel) sympathisieren, ein Podium geboten werden sollte? Wie mit Protesten bei Ausstellungseröffnungen oder anderen Veranstaltungen umgegangen werden soll? Wie ein Dialog möglich sein kann? Die Fronten sind vielfach verhärtet.
Vor diesem Hintergrund haben die vom Deutschen Kulturrat moderierte „Initiative kulturelle Integration“, der Zentralrat der Juden, die Kulturstaatsministerin und der Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus am 18. November im Jüdischen Museum Frankfurt eine Tagung veranstaltet, die Raum für Reflexionen und Diskussion bot: Gedanken zu Autonomie, Partikularismus, Anpassung und Widerständigkeit jüdischen Lebens in Deutschland.
Der 7. Oktober 2023 und alles, was danach geschah, stand greifbar im Raum. Es wurde sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie jüdisches Leben in Deutschland aktuell gelingen kann. Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion, brachte auf den Punkt, was die Debatte so schwer macht. Sie sagte, dass es nicht mehr gelinge, die Vielfalt jüdischen Lebens sichtbar zu machen. Jüdinnen und Juden würden homogenisiert, sie würden zu einer Gruppe, Unterschiede würden nicht wahrgenommen. Allenfalls werden einzelne jüdische Persönlichkeiten dazu genutzt, so Veiler, sie der vermeintlich homogenen Gruppe an Juden und Jüdinnen gegenüberzustellen.
Homogenisierung von Gruppen ist ein Einfallstor für Diskriminierung und Ausgrenzung. Einer solchen Diskriminierung tritt die Initiative kulturelle Integration entschieden entgegen. Sie steht für den Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Gemeinsam ist viel zu tun, um den Zusammenhalt in Vielfalt zu stärken.
Der Schwerpunkt in der aktuellen Ausgabe von Politik & Kultur nimmt einzelne Aspekte dieser Tagung im Jüdischen Museum Frankfurt auf und führt sie weiter. Ich würde mich über Ihr Interesse an dieser Debatte sehr freuen.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann
2. Schwerpunkt „Jüdisches Leben“ in Politik & Kultur
Die neue Ausgabe von Politik & Kultur richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Jüdisches Leben“. Die Beiträge zum Thema finden Sie auf den Seiten 17 bis 29.
Autorinnen und Autoren des Schwerpunktes sind:
- Jüdisches Lebens in Deutschland zwischen Autonomie, Partikularismus, Anpassung und Widerständigkeit: „Nichts ist mehr, wie es war“ von Olaf Zimmermann
- „Würde und Bürde der jüdischen Differenz“ von Natan Sznaider
- Zwischen Vergewisserung und Positionierung: „Jüdische Akademie“ von Doron Kiesel
- „Das Gebot, die Welt zu heilen – Jüdische Museumsarbeit in der Gegenwart“ von Mirjam Wenzel
- Jüdisches Leben in der Stadt Frankfurt am Main: „Wir dulden keinen Judenhass“ von Ina Hartwig
- Über den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland: „Ein Tsunami der Judenfeindlichkeit“ von Felix Klein
- Auf der Suche nach Antworten zu Antisemitismus und zur Gewalt gegen Juden: „Offene Fragen“ von Ron Segal
- Zwei Generationen in der Migration: „Erzählen und Verschweigen“ von Lena Gorelik
- „Jung, jüdisch und im Widerstand“ von Hanna Veiler
- Antisemitismus vor und nach dem 7. Oktober: „Unsichtbar bleiben, um der Übermacht zu entkommen“ von Dani Kranz
- Über die Aufgaben des Militärbundesrabbiners: „Brückenbauer“ von Rabbiner Zsolt Balla
- Theaterarbeit über die Shoah mit Kindern und Jugendlichen: „In die Resonanzräume der Geschichte lauschen“ von Liora Hilb & Barbara Haack
- Wie kann man das jüdisch-muslimische Verhältnis in Deutschland verbessern? „Bildung spielt eine Schlüsselrolle“ von Deborah Schnabel
- Jüdisches Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober: „Ein grundsätzliches Sicherheitsgefühl ist erodiert“ von Gisela Dachs
- Jüdische Musik zwischen dem interkulturellen Dialog und judenfeindlichen Ressentiments: „‚Ein jeder unter seinem Feigenbaum'“ von Jascha Nemtsov
- Aus Slammt Tacheles! Eine Anthologie zum Poetry- Slam-Wettbewerb der Initiative kulturelle Integration: „Identitätensalat“ von Liel Droste
- Aus Slammt Tacheles! Eine Anthologie zum Poetry- Slam-Wettbewerb der Initiative kulturelle Integration: „Dazwischen“ von Anna Syrkina
- Über Georg Stefan Troller: „Ein ganzes erlebtes Jahrhundert“ von Gerhard Bökel
- Hier finden Sie alle Beiträge des Schwerpunktes.
- Die Doppel-Ausgabe 12/24-1/25 von Politik & Kultur, mit dem Schwerpunkt „Jüdisches Leben“ (Seite 17-30) kann hier als kostenfreies E-Paper (PDF-Datei) geladen werden.
- Die gedruckte Ausgabe 12/24-1/25 kann hier im Online-Shop des Deutschen Kulturrates versandkostenfrei bestellt werden.
3. Teilhabeempfehlungen für eine inklusive Kultur
Am Montagabend hat Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, zusammen mit Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates und mir die Teilhabeempfehlungen für eine inklusive Kultur der Öffentlichkeit vorgestellt.
Danach wurden die Empfehlungen von Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, und von Katrin Budde, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, entgegengenommen
- Die Teilhabeempfehlungen im Wortlaut sind hier abrufbar.
- Hier können die Teilhabe-Empfehlungen in Leichter Sprache abgerufen werden.
- Hier finden Sie die Gebärdensprach-Version.
- Die Empfehlungen sind das Ergebnis eines fruchtbaren, dreijährigen Austausches mit Institutionen aus dem Kultur- und Mediensektor, Expertinnen und Experten der inklusiven Kulturszene sowie Vertreterinnen und Vertretern der Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen. Eine Auftaktkonferenz und vier Werkstattgespräche zielten darauf ab herauszufinden, welche Barrieren für die Teilhabe an Kunst, Kultur und Medien – trotz des teils schon intensiven Engagements einzelner Kulturinstitutionen im Bereich Inklusion – weiterhin bestehen und vor allem: wie sie beseitigt werden können.
- Weitere Informationen zur Vorstellung und Übergabe der Empfehlungen können Sie hier nachlesen.
4. Anhörung zur Restitution von NS-Raubkunst
Am Montag hat der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung zur Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut durchgeführt. In seiner zweistündigen öffentlichen Anhörung hat sich der Rechtsausschuss mit dem „Gesetzentwurf der Bundesregierung zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“ befasst.
- Mehr Informationen zur Anhörung finden Sie hier.
- Die Sitzung wurde live im Parlamentsfernsehen übertragen und kann hier in der Mediathek des Deutschen Bundestages nachgesehen werden.
Als Sachverständige waren geladen:
- Dr. Christina Berking, Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel
- Daniel Botmann, Zentralrat der Juden in Deutschland
- Dr. Hannes Hartung, Rechtsanwalt
- Prof. Dr. Benjamin Lahusen, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte Europa-Universität Viadrina
- Rüdiger Mahlo, Conference on Jewish Material Claims Against Germany, Inc. (Claims Conference)
- Mag. Iur. Ole Nettels, LL.B. (UCL), Research Fellow im Forschungsprojekt „Restatement of Restitution Rules for Nazi-Confiscated Art“, Institut für deutsches und internationales Zivilprozessrecht und Konfliktmanagement Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Prof. Dr. Peter Raue, Rechtsanwalt
- Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat
Der Deutsche Kulturrat sieht den Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut kritisch.
- Die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Anhörung können Sie hier nachlesen.
Leseempfehlung zum Thema
- Bundestag/hib: „Massive Kritik an Gesetzentwurf zur Rückgabe von NS-Raubgut“ hib 829/2024
- Jüdische Allgemeine: „Massive Kritik an Gesetzentwurf zur Rückgabe von NS-Raubgut“
- Monopol | Magazin für Kunst und Leben: Gesetzentwurf bleibt erst einmal in der Schwebe: „Die mühsame Restitution von NS-Raubgut“
5. Neu“ Kunstfreiheit – Zehn Jahre Debatten in Politik & Kultur
Wie es um die Kunstfreiheit bestellt ist, diese Frage wird in Beiträgen von 107 Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Perspektiven und in verschiedenen Dimensionen beleuchtet.
Themen sind: Streitfall Kunstfreiheit; Kunstfreiheit und Recht; Von Einschüchterung bis Zensur; Ausgrenzung und Boykott; Jugendschutz und Selbstkontrolle; Umgang mit dem Erbe; Sonderfall Religion?; Bedrohungen von rechts und links; Hass im Netz; Grenzüberschreitungen in der Popkultur; Kulturelle Aneignung u.v.m.
Der Band versammelt Beiträge aus zehn Jahren und vermittelt dadurch einen Eindruck von den unterschiedlichen Debatten und Akzentsetzungen zur grundgesetzlich verbrieften Kunstfreiheit.
Die Autorinnen und Autoren:
Arne Ackermann, Adriana Altaras, Petra Bahr, Jakob Baier, Jens Balzer, Reinhard Baumgarten, Volker Beck, Kathrin Becker, Maike Behm, Khalid Bounouar, Carsten Brosda, Theresa Brüheim, Antonia Bruneder, Johann Hinrich Claussen, Tahir Della, Gero Dimter, Angela Dorn, Bärbel Dorweiler, Tanja Dückers, Justus Duhnkrack, Eugen El, Leyla Ercan, Ludwig Greven, Marc Grimm, Raphael Gross, Erhard Grundl, Sebastian Gutknecht, Noa K. Ha, Barbara Haack, Sabrina Habel, Lea Hagedorn, Kirsten Haß, Ralf Höcker, Anna-Lena von Hodenberg, Klaus Holz, Christian Höppner, Michael Hurshell, Hans Jessen, Maike Karnebogen, Jan-Gerrit Keil, Felix Klein, Ralf König, Stephan Kosch, Reinhart Kößler, Peter Krawietz, Holger Krimmer, Künstlerkollektiv ruangrupa, Yael Kupferberg, Klaus-Dieter Lehmann, Stephan Lessenich, Constanze Letsch, Christoph Links, Stefan Linz, Henning Lobin, Henning Melber, Meron Mendel, York-Gothart Mix, Regine Möbius, Johann Michael Möller, Elke Monssen-Engberding, Michael Müller-Verweyen, Anh-Linh Ngo, Simon Pearce, Bodo Pieroth, Philippe Pirotte, Karin Prien, Peter Raue, Timo Reinfrank, Boryano Rickum, Nicola Roßbach, Ben Salomo, Thomas Salzmann, Behrang Samsami, Mithu Sanyal, Esther Schapira, Jamie C. Schearer, Sven Scherz-Schade, Regina Schleicher, Tobias Schmid, Dagmar Schmidt, Deborah Schnabel, Berthold Schneider, Richard C. Schneider, Marlene Schönberger, Gabriele Schulz, Josef Schuster, Monika Schwarz-Friesel, Elisabeth Secker, Natalka Sniadanko, Klaus Staeck, Ernst Szebedits, Natan Sznaider, Nike Thurn, Lutz Tillmanns, Odila Triebel, Manos Tsangaris, Frank Überall, Tom David Uhlig, Hortensia Völckers, Tobias Voss, Liliane Weissberg, Mirjam Wenzel, Sylvia Willkomm, Sandra Winzer, Eckhard Zemmrich, Friedrich Zillessen, Olaf Zimmermann.
Kunstfreiheit – Zehn Jahre Debatten in Politik & Kultur
- Herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler
- Redaktion: Gabriele Schulz
- 320 Seiten, ISBN-13 978-3-947308-64-4, Preis 20,80 Euro
- Blick ins Buch (mit Inhaltsverzeichnis)
- Hier können Sie das Buch im Online-Shop des Deutschen Kulturrates versandkostenfrei erwerben.
6. Text der Woche: „Dichten gegen ein unmenschliches System. Eine traurige und doch Mut machende Weihnachtsbotschaft“ von Johann Hinrich Claussen
Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke und mich frage, welcher Moment mir vor allem in Erinnerung bleiben wird, fällt mir sofort Hoheneck ein. Im Sommer war ich dort, stand im düsteren Hof des Schlosses, in dem kurz darauf vom Bundespräsidenten eine im Aufbau befindliche Gedenkstätte eingeweiht wurde. Lieber spät als nie. Hoheneck im Erzgebirge war von 1945 bis 1990 ein Schreckensort für Frauen. Politisch unangepasste, widerständige, ausreisewillige Frauen oder schlicht Zufallsopfer wurden hier unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert.
- Hier lesen Sie den ganzen Beitrag.
Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland
7. Zum Schluss: Was das Ende der Ampelregierung für die Bundeskulturförderung bedeutet
Am 6. November endete die Ampel-Regierung mit einem Paukenschlag. was bedeutet das für die Bundeskulturförderung?
Lesen Sie dazu meinen Leitartikel in der neuen musikzeitung: „Die kulturelle Substanz ist extrem gefährdet. Was das Ende der Ampelregierung für die Bundeskulturförderung bedeutet„.