Themen im Newsletter:
- Mit Games Demokratie fördern?
- Morgen: gamescom congress 2024
- Empfehlung für die Herbsttagung der Fachgruppe Naturwissenschaftliche Museen im Deutschen Museumsbund: „Schnittstelle zwischen Natur und Kultur“
- Save The Date: Online-Diskussion: „Kultur und Sport – passt das zusammen?” am 30. August 2024
- Text der Woche: „Was wird aus den Kirchbauten? Ein Kirchenmanifest versucht, eine überkirchliche Debatte auszulösen” von Johann Hinrich Claussen
Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern Abend eröffnete die gamescom, die weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele sowie Unterhaltungselektronik, in Köln. Der Deutsche Kulturrat ist bereits seit der Gründung der gamescom 2002, damals noch unter dem Namen Games Convention in Leipzig, inhaltlicher Partner.
In den 22 Jahren haben wir viele Debatten gemeinsam geführt. Von der Killerspieldebatte bis zur aktuellen Diskussion zur Wertebildung durch Games reicht der Diskurs.
Blicken wir in die Geschichte, vor allem die Kulturgeschichte zurück, kommt man an der griechischen Antike und speziell dem griechischen Theater bei dem Thema Wertebildung nicht vorbei. Einfach gesagt: Die Demokratie und der demokratische Diskurs gehen unter anderem auf die griechische Antike zurück.
Kultur – und zwar sowohl das Epos als auch das Drama – waren wichtige Formen des Diskurses in der griechischen Antike. Kern der Dramentheorie nach Aristoteles ist das „Jammern” (Eleos) und „Schaudern” (Phobos), das beim Zuschauer während der Aufführung erreicht werden soll. Dieses Jammern und Schaudern soll starke Gefühle auslösen und damit zur Reinigung, der Katharsis, beitragen.
Das Theater soll damit einen Beitrag zum, wie wir heute sagen würden, demokratischen Diskurs leisten. Die aristotelische Dramentheorie spielte in der Geschichte des Theaters eine herausragende Rolle. Bis weit in die Neuzeit war sie sowohl für Dramenautoren als auch für Dramaturgen, Regisseure und Schauspieler handlungsleitend.
- Was hat das Theater und vor allem was hat Dramentheorie sowohl mit Games als auch mit Demokratie zu tun?
Das Theater ist die Kunstform, die für sich in Anspruch nimmt, gesellschaftskritisch zu sein, zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen anzuregen und damit nicht zuletzt zum gesellschaftlichen Diskurs beizutragen. Dies geschieht u.a. durch „Jammern und Schaudern“ wie bei Aristoteles, als moralische Anstalt bei Schiller oder durch die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im Epischen Theater von Brecht. Stets geht es darum, beim Publikum etwas in Gang zu setzen und vor allem es zur Diskussion, zur Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen zu bewegen.
Wie dies selbst Dramen vermögen, die mehr als zweitausend Jahre alt sind, kann an aktuellen Inszenierungen antiker Tragödien selbst erlebt werden. Das Theater leistet mithin einen Beitrag zum demokratischen Diskurs und steht vermutlich darum auch so oft in der Kritik. Und wahrscheinlich wollen auch deshalb selbst die Bürgerinnen und Bürger, die die Theater nicht besuchen, sie erhalten.
Die Bühne erlaubt Ersatzhandlungen, ermöglicht Räume zum Ausprobieren. Und genau an diesem Punkt treffen sich meines Erachtens Computerspiele und Theater. Zunächst einmal gehören Computerspiele, wie das Theater, zum Kulturbereich. Computerspiele können, wie Theater Kunst, aber auch Schund sein.
Was Computerspiele besonders auszeichnet: Sie ermöglichen ebenfalls Ersatzhandlungen. Sogar noch deutlich aktiver als es das Theater je vermag, denn beim Computerspiel beeinflussen die Spielerinnen und Spieler den Verlauf. Sie entscheiden, wie es weitergeht, wie Lösungen aussehen, ohne selbst realer Teil der Handlung zu sein. In interaktiven Spielen, bei denen verschiedene Spielerinnen und Spieler zusammenspielen, ist der Diskursfaktor sogar noch deutlich größer. Dies gilt auch, wenn die Spielerinnen und Spieler nicht gegeneinander, sondern miteinander spielen. In Spielen werden Handlungen und Haltungen erprobt. Hier wird ausprobiert, welche Folgen ein Zug hat und was eine Entscheidung bedeutet.
Computerspiele, und ich meine ausdrücklich nicht nur Serious Games, bieten damit besondere Chancen für den demokratischen Diskurs und für das Erlernen und Kennenlernen von demokratischen Werten. Dass das Ganze noch Spaß macht und im Idealfall eben nicht didaktisch und verkopft, sondern mit Freude und Spaß am Spiel verbunden ist, ist ein weiterer Vorteil der digitalen Spiele.
In diesem Sinne bin ich fest davon überzeugt, dass Spielekultur einen wichtigen Beitrag zur Wertebildung und damit zur Demokratie leisten kann, gerade weil in Games „Jammern“ und „Schaudern“ oftmals zentrale Spielelemente sind.
In den nächsten Tagen will ich das „Jammern und Schaudern” an der Quelle erleben und bin deshalb auf der gamescom in Köln. Mein kulturpolitischer Wochenreport erscheint aus diesem Grund zwei Tage früher als gewohnt. Vielleicht sehen wir uns in Köln.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann
PS. Wenn Sie mehr Informationen zum Thema haben möchten, empfehle ich Ihnen ein Blick in das „Handbuch Werte ins Spiel bringen: An der Schnittstelle von digitalen Spielen und Wertebildung“ der Stiftung digitale Spielekultur.
2. Morgen: gamescom congress 2024
Vom 21. bis 25. August 2024 findet in Köln die gamescom 2024 statt, die weltweit größte Messe für Computer- und Videospiele sowie Unterhaltungselektronik. Mit der Frage, welche Mehrwerte Games für Innovationen und das gesellschaftliche Miteinander stiften, beschäftigt sich der gamescom congress am morgigen Donnerstag. Im Fokus der diesjährigen Veranstaltung stehen die Themen „Games und Künstliche Intelligenz“ sowie „Games und Demokratie“. Der Deutsche Kulturrat ist an verschiedenen Veranstaltungen beteiligt.
Gemeinsam mit der neuen Geschäftsführerin der Stiftung Digitale Spielekultur Nandita Wegehaupt darf ich die Teilnehmenden am Rundgang der Stiftung „past&future@gamescom“ begrüßen.
Ich darf außerdem gemeinsam mit Christian Huberts von der Stiftung Digitale Spielekultur Ergebnisse aus dem Projekt „Let’s remember“ zum Einsatz von Games an Lern- und Gedenkorten vorstellen und anschließend an der Diskussion „Let’s continue? Zukünfte der digitalen Erinnerungskultur mit Games“ teilnehmen.
Weitere Gäste sind: Leonore Martin, EVZ; Christian Huberts, Stiftung digitale Spielekultur; Deborah Schnabel, Bildungsstätte Anne Frank. Moderation: Marcus Richter
Gabriele Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates, nimmt am Panel „Gemeinsame Verantwortung: Für sicheres und respektvolles Arbeiten in Kunst, Kultur und Medien“ teil.
Weitere Teilnehmerinnen sind: Madeleine Egger, Booster Space Events & Consulting GmbH; Ina Göring, game – Verband der deutschen Games-Branche e.V.; Claudia Schmitz, Deutscher Bühnenverein.
Termine:
- 22.08.24, 10:00 Uhr
Rundgang „past&future@gamescom“
Eingang Congress-Centrum Nord - 22.08.24, 13:30 bis 14:00 Uhr
„Past Mortem”! Vier Learnings aus dem Projekt „Let’s remember“ zum Einsatz von Games an Lern- und Gedenkorten (mit Olaf Zimmermann)
Stage 4 - 22.08.24, 14:00 bis 15:00 Uhr
Let’s continue? Zukünfte der digitalen Erinnerungskultur mit Games (mit Olaf Zimmermann)
Stage 4 - 22.08.24, 14:30 bis 15:30 Uhr
Gemeinsame Verantwortung: Für sicheres und respektvolles Arbeiten in Kunst, Kultur und Medien (mit Gabriele Schulz)
Stage 2
Ort: Konferenzzentrum Confex auf dem Gelände der Koelnmesse
- Mehr Informationen zum gamescom congress finden Sie hier.
Lesetipp zum Thema:
Handbuch Gameskultur
Über die Kulturwelten von Games
Hg. v. Olaf Zimmermann und Felix Falk
978-3-947308-22-4, 288 Seiten, gedruckte Auflage ist leider vergriffen
3. Empfehlung für die Herbsttagung der Fachgruppe Naturwissenschaftliche Museen im Deutschen Museumsbund: „Schnittstelle zwischen Natur und Kultur
Wann: Freitag, den 27.09.2024
Uhrzeit: 10:00 Uhr
Ort: NAWAREUM, Schulgasse 23A, 94315 Straubing
Vom 26. bis 29. September 2024 findet unter dem Titel „Wie politisch dürfen / müssen wir sein?“ die Herbsttagung der Fachgruppe Naturwissenschaftliche Museen im Deutschen Museumsbund in Straubing statt. Im Rahmen der Tagung spreche ich am Freitag, den 27.09.2024 um 10:00 Uhr über die Schnittstelle zwischen Natur und Kultur.
Sehr oft wird heute eine Trennung zwischen dem Kulturbereich auf der einen und dem Naturbereich auf der anderen Seite gemacht. Die einen interessieren sich vermeintlich nur für die Künste und die anderen für die belebte Umwelt, die Natur. Doch diese künstliche Trennung ist nicht meine Perspektive. Ich bin fasziniert von der Natur und sehe sie als Inspirationsquelle, naturwissenschaftliches Denken und Methoden sind auch in den Kulturwissenschaften präsent, umgekehrt finden kulturwissenschaftliche Überlegungen Eingang in die Naturwissenschaften. Spannender als das Trennende sind die Gemeinsamkeiten von Natur und Kultur. Deshalb sind die naturwissenschaftlichen Museen, so einmalige, wunderbare Orte an der Schnittstelle zwischen Natur und Kultur.
4. Online-Diskussion: „Kultur und Sport – passt das zusammen?” am 30. August 2024
In der Ausgabe 7-8/24 hat die Zeitung des Deutschen Kulturrates Politik & Kultur dem Thema „Kultur und Sport“ einen Schwerpunkt gewidmet. Fragen, mit denen sich der Schwerpunkt beschäftigt, sind u. a.: Was verbindet Kultur und Sport? Wo gibt es Unterschiede? Was können die beiden Bereiche voneinander lernen? Brauchen wir ein gemeinsames Bundesministerium für Kultur und Sport?
In Anlehnung an diesen Schwerpunkt veranstaltet der Deutsche Kulturrat am Freitag, den 30. August 2024 von 16:00-17:00 Uhr eine Online-Diskussion in der Reihe JaAberUnd, einem Online-Live-Talkformat zu kulturpolitischen Themen. Das Publikum kann die Veranstaltung live im Internet verfolgen oder später nachsehen und -hören.
Teilnehmende:
- Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Herausgeber von Politik & Kultur
- Robin Passon, Journalist
- Monika Grütters MdB, ehemalige Kulturstaatsministerin
- Torsten Burmester, Vorstandsvorsitzender DOSB
- Moderation: Barbara Haack, Deutscher Kulturrat
- Weitere Informationen und Anmeldungsmodalitäten folgen in Kürze.
5. Text der Woche: „Was wird aus den Kirchbauten? Ein Kirchenmanifest versucht, eine überkirchliche Debatte auszulösen” von Johann Hinrich Claussen
Eigentlich nehme ich Petitionen oder andere online organisierte Meinungsversammlungen nicht zur Kenntnis. Aber beim gerade digital warmlaufenden „Kirchenmanifest” (www.kirchenmanifest.de) habe ich eine Ausnahme gemacht.
Zum einen geht mich das Thema etwas an, zum anderen habe ich einige der Initiatoren als beeindruckende Fachleute kennen- und schätzen gelernt. Besonders aber hat mich beim Kirchenmanifest fasziniert, wie unterschiedlich, ja gegensätzlich, man denselben Text lesen kann.
- Hier lesen Sie den ganzen Text.
Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland