KW 19: Europawahl, Demos: Ein Europa für Alle + UNITE & SHINE, …

Gastkommentar, Veranstaltungen, 3. Mentoring-Runde für Karrierefrauen gestartet, Personalia

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nahezu als Schicksalswahl erscheint die in 17 Tagen stattfindende Wahl zum Europäischen Parlament. Das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Deutschland beschwört auf seiner Informationsseite zu den Wahlen: „Diesmal genügt es nicht, nur auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Diesmal müssen wir alle Verantwortung übernehmen. Diesmal bitten wir daher nicht nur, wählen zu gehen, sondern auch, andere zur Wahl zu motivieren. Denn wenn alle wählen, gewinnen auch alle.“

 

Damit ist der Grundton für die Europawahl vorgegeben. 40 Jahre nachdem im Jahr 1979 das erste Mal das Europäische Parlament direkt gewählt wurde, geht es im Mai dieses Jahres darum, in welche politische Richtung sich das Europäische Parlament und damit mittelbar die Europäische Kommission entwickeln wird.

 

Rund 400 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger wählen vom 23. bis 26. Mai das neue Europäische Parlament. Bürgerinnen und Bürger von Utsjoki, im äußersten Norden Finnlands, bis Dingli auf Malta im äußersten Süden, von Narwa, im äußersten Osten Estlands, direkt an der russischen Grenze bis Ponta Delgada im äußersten Westen auf einer portugiesischen Azoren-Insel im Atlantik. Hinzu kommen die im Atlantischen, im Indischen und im Pazifischen Ozean gelegenen französischen Überseegebiete.

 

Dem neuen Europäischen Parlament werden bis zum Brexit des Vereinigten Königreichs 751 Abgeordnete angehören – zum Vergleich, dem 19. Deutschen Bundestag gehören 709 Abgeordnete an. Als größter EU-Mitgliedstaat stellt Deutschland mit 96 Parlamentarierinnen und Parlamentariern die meisten Abgeordneten.

 

Im Juni werden die neu gewählten Abgeordneten erstmals zusammenkommen und über die Bildung der Fraktionen verhandeln. Die Amtszeit des derzeitigen 8. Europäischen Parlaments endet am 1. Juli, am 2. Juli tritt das neu gewählte 9. Europäische Parlament zu seiner konstituierenden Plenartagung zusammen. In der zweiten Sitzungswoche könnte der neue Kommissionspräsident gewählt werden. Im September bzw. Oktober müssen sich die designierten EU-Kommissarinnen und -Kommissare den Befragungen durch die Mitglieder des Europäischen Parlaments stellen.

 

Auch wenn die Europawahl zum Teil noch als eine Wahl 2. Klasse wahrgenommen wird und die Wahlbeteiligung bislang erschreckend gering war, ist das Europäische Parlament für die europäische Politik und damit das Leben von rund 500 Millionen in der Europäischen Union lebenden Menschen von großer Bedeutung.

 

Das Europäische Parlament entscheidet über den EU-Haushalt und ist an der europäischen Gesetzgebung mitbeteiligt. Obwohl Kulturpolitik im engeren Sinne unter das europäische Subsidiaritätsprinzip fällt und insbesondere für die Kulturförderung in erster Linie die EU-Mitgliedstaaten verantwortlich sind, ist das Europäische Parlament für die Kulturpolitik in Europa und in den Mitgliedstaaten sehr bedeutsam. Deutlich wurde dies in der ablaufenden Wahlperiode z. B. in den Debatten zu TTIP, dem geplanten Handels- und Dienstleistungsabkommen der EU mit den USA. Hier hatten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments offene Ohren als es um Ausnahmen für den Kultur- und Mediensektor ging.

 

Ein weiteres Beispiel ist die im letzten Monat abgeschlossene EU-Urheberrechtsreform, die durch heftige Debatten im Europäischen Parlament geprägt war. Für die EU-Politik mit all ihren direkten und indirekten Auswirkungen auf die nationale Kulturpolitik wird es daher nicht egal sein, welche Abgeordneten künftig im Europäischen Parlament tätig sein werden.

 

Das Europäische Parlament als einzige direkt gewählte EU-Institution gibt auch Aufschluss über den Zustand der Demokratie in Europa. Werden jene Parteien die Mehrheit erhalten, die sich für ein starkes, gemeinsames Europa einsetzen, das eine Wertegemeinschaft bildet, in der Kunst- und Meinungsfreiheit, die Achtung der Menschenrechte und – würde für alle in Europa lebenden Menschen unverhandelbar sind? Oder werden jene Parteien die Mehrheit erhalten, die partikulare und nationale Interessen vor die europäischen stellen, die sich abschotten und die der Kunst- und Meinungsfreiheit nur einen geringen Stellenwert beimessen?

 

Europa war und ist ein Magnet. Und zwar nicht nur, weil Europa wirtschaftlich prosperiert, sondern auch weil Europa für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht. Die Europäischen Verträge binden die EU-Mitgliedstaaten. Ihre Anerkennung und Einhaltung ist die Grundlage für den Beitritt zur Europäischen Union. Für viele der im Jahr 2002 neu hinzugekommenen EU-Mitgliedstaaten wie Polen, Ungarn, die baltischen Staaten und andere war die Demokratie das wesentliche Moment der EU-Mitgliedschaft. Der vom ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán gebrauchte Begriff der illiberalen Demokratie ist ein Warnzeichen, dass offenbar nicht mehr von allen Regierungen der Mitgliedstaaten das Prinzip der liberalen und pluralen Demokratie geteilt wird.

 

Die Wahl des Europäischen Parlaments ist eine Nagelprobe, welche Kräfte künftig in Europa die Politik bestimmen werden. Wird es ein Europa der Solidarität oder des Egoismus sein? Wird es ein Europa sein, dass die kulturelle Vielfalt als Reichtum ansieht oder ein Europa, das auf Nationalismen setzt? Wird es ein Europa sein, das sich als guter Nachbar versteht und dem es nicht gleichgültig ist, wie es den Menschen in angrenzenden Ländern und Kontinenten geht oder wird es ein Europa sein, das sich abschottet? Wird es ein Europa sein, das auf gemeinsame Verhandlungsmacht gegenüber anderen Volkswirtschaften setzt oder eines das nationale Rosinenpickerei in den Vordergrund rückt?

 

Sie haben die Wahl! Wählen Sie am 26. Mai Europa! Welche kulturpolitischen Positionen die Parteien aus Deutschland bei der Europawahl vertreten, können Sie hier nachlesen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

 

PS: Den gemeinsamen Wahlaufruf zur Europawahl „Aufbruch in ein nachhaltiges Europa“ von BUND und Deutschem Kulturrat finden Sie hier.

 

PPS: Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller schreibt den Leitartikel in der nächsten Ausgabe (01. Juni) von Politik & Kultur zu unserem Scherpunkthema „Exil“. Das freut mich sehr!

 


 

Ein Europa für Alle: Großdemonstration in sieben Städte am 19. Mai

Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus mehr als 60 Organisationen und Initiativen, darunter auch der Deutsche Kulturrat führen am 19. Mai Großdemonstrationen in sieben Städten Deutschlands durch. Eine Woche vor der Europawahl wollen Zehntausende Menschen unter dem Motto „Ein Europa für Alle – Deine Stimme gegen Nationalismus!“ für eine EU der Menschenrechte, Demokratie, sozialen Gerechtigkeit und des ökologischen Wandels auf die Straße gehen.

 

Hier finden Sie Informationen zu den Demos in:

Berlin
Frankfurt
Hamburg
Köln
Leipzig
München
Stuttgart

 

Weitere Informationen:

Aufruf
Bündnis
Presse
Kontakt

 

Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Demonstration.

 


 

Für den 19. Mai 2019 rufen DIE VIELEN zu bundesweiten GLÄNZENDEN DEMONSTRATIONEN in Berlin.

Die Einschränkung der Kunstfreiheit ist in Ländern Europas wie der Türkei und Russland, aber auch innerhalb der Europäischen Union in Ungarn oder Polen bereits bittere Realität. Die Bedrohung der Kunstfreiheit ist auch in Italien oder Österreich nicht unrealistisch. Auch in Deutschland sowie in weiteren EU-Staaten könnte die Kunstfreiheit durch nationalistische oder rechtsautoritäre Regierungsbeteiligungen in Gefahr geraten.

 

Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Demonstration.

 


 

Gastkommentar von Ludwig Greven: Haltung! Eine erschreckende Aufforderung

Der Sportlehrer ordnete es an. Der Krankengymnast rät dazu. Meine Liebste erinnert mich daran, wenn mich mal Sorgen drücken oder ich als Schreibtischmensch mit zu wenig Auslauf den Rücken krumm mache: Aufrecht gehen! Kopf hoch! Brust raus! Haltung zeigen!

 

Das ist nicht das Verkehrteste. Körperlich wie innerlich. Und im übertragenen Sinn: sich nicht beugen. Rückgrat beweisen. Nicht nach unten treten und nach oben buckeln, wie ein Pedaltreter. Das tut nicht gut. Den Wirbeln nicht. Der Seele nicht. Und auch nicht dem Kopf.

 

Den sollte man immer oben tragen. Nicht stolz oder überheblich. Aber doch erhoben. Mit wachem, unverstelltem Blick. Weil man dann weiter schaut. Ohne Scheuklappen. Ohne Angst, ohne Furcht. Vor Oberen. Vor allzu wendigen Politikern, die sich selbst anderen beugen. Vor Volksverführern. Vor Ideologen und Verblendeten. Vor anderen, die meinen, uns ihre Meinung, ihre Weltsicht, ihre „Haltung“ aufdrängen zu können. Egal aus welcher Ecke.

 

Da erwacht mein Rebellengeist. Dem will ich mich nicht unterwerfen, weil es mich niederdrücken würde. Ich möchte meine eigene Sicht auf die Dinge um mich herum und vor allem auf Menschen entwickeln. Ohne Vorgaben. Ohne Voreingenommenheit. Ohne vorgefertigte Vor-Urteile. Ohne Instant-Versatzstücke aus ideologischem, fundamentalistischem, weltbeglückendem Blendwerk. Ob rechts, links, sozial, konservativ, religiös, agnostisch oder liberal in allen Schattierungen.

 

Ich möchte meine eigene Haltung herausbilden. Ohne Rücksicht. Ohne allzu große Vorsicht. Nur aus meiner Sicht. Und mit Sicht auf Werte, Anliegen und Menschen, die mir wichtig sind.

 

Doch mir begegnen heute überall Haltungen, die mir oft zuwider sind. Weil sie starr sind. Mit Blick auf den Körper hätte man früher gesagt: Er (oder sie) hat einen Besenstiel verschluckt. Der ersetzte dann das Rückgrat. Wie ein Korsett. Auch der Ansichten und Meinungen: Das darf „man“ nicht sagen, nicht einmal denken. Das geht gar nicht! Das ist intolerabel! Jenseits des zulässigen Meinungsspektrums.

 

Wieso? Wer legt das fest? Warum z. B. soll ich Fremde mit Misstrauen beäugen? Wer kann mir andererseits verordnen, den generischen Casus durch irgendwelche Gender-Verunstaltungen der Sprache in eine diverse Form zu wandeln? Wer maßt sich an, mir zu verbieten, andere nach ihrer Herkunft zu fragen, weil das angeblich diskriminierend sei? Obwohl es nur mein ehrliches Interesse an ihrer Person ausdrückt. Wozu ihre Prägung durch Familie, Abstammung, Kultur, Heimat gehört. Warum soll ich das ausblenden? Ich kann dadurch doch nur dazulernen, wenn ich mich auf andere Menschen einlasse mit ihrer Verschiedenheit, auch Fremdheit.

 

Lesen Sie hier weiter…

 


 

Veranstaltungen mit Beteiligung des Deutschen Kulturrates

13.05.2019: BBE-Workshop „Gendergerechtigkeit“
18.05.2019: Burning Issues Academy
19.05.2019: Demos „Ein Europa für Alle – Deine Stimme gegen Nationalismus!“ und „Glänzende Demo“
04.06.2019: Aufbruch zu Kultur und Nachhaltigkeit: 19. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung
20.06.2019: Kirchentag Dortmund: „Das Buch der Flucht – das Buch als Heimat“
21.06.2019: Kirchentag Dortmund: „Heimat! Irgendwo statt nirgendwo“

 


 

Deutscher Kulturrat startet 3. Mentoring-Runde für Karrierefrauen

Der Deutsche Kulturrat hat die dritte Ausschreibungsrunde des in dieser Form einzigartigen Mentoring-Programms im Kultur- und Medienbereich: Hoch qualifizierte Künstlerinnen und Kreative, die bereits vielfältige Berufsstationen absolviert haben und nun eine Führungsposition anstreben, können sich für das bundesweite 1:1-Mentoring-Programm bewerben.
• Bewerbungsschluss ist der 7. Juni 2019.
• Im Oktober 2019 starten die Tandems der dritten Runde.
• Das Mentoring-Programm läuft jeweils über sechs Monate.
• Die aktuelle Ausschreibung finden Sie hier.

 

Auslöser für das Mentoring-Programm war die Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien – Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge“ aus dem Jahr 2016, die hier als pdf-Datei geladen werden kann.

 


 

Personalia

Maren Ruhfus wird ab dem 15. Mai 2019 als Referentin für kulturelle Integration für den Deutschen Kulturrat arbeiten.

 

Ihre Erfahrungen, insbesondere in der politischen Kommunikation sammelte sie seit dem Umzug der Bundesregierung 1998 nach Berlin in diversen Leitungsfunktionen beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels sowie den Verwertungsgesellschaften GEMA und VG Media.

 

Die ersten Berufsjahre verbrachte sie in der Hochschul- und Wissenschaftsverwaltung der Universität in Würzburg und beim Deutschen Akademischen Austauschdienst in Bonn. Ihr Studium der Geisteswissenschaften absolvierte sie an der Universität Bonn und dem Trinity College in Oxford.

 

Eine Übersicht über den ehrenamtlich arbeitenden Vorstand und die hauptamtlich arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Kulturrates finden Sie hier.

 


 

Ältere kulturpolitische Wochenreporte können Sie hier nachlesen.

 

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