14. KW: Selbstermächtigung und Diversität im Kulturbetrieb

  1. Selbstermächtigung und Diversität im Kulturbetrieb
  2. Neuer Schwerpunkt in Politik & Kultur: Diverse Kultur
  3. Einladung: Bundesweite Pressekonferenz DIE VIELEN: SHIELD & SHINE-KAMPAGNE 2024-2025. Keine Normalisierung von rechtsextremer Politik in den demokratischen Parlamenten!
  4. Neue Mitarbeiterin: Barbara Haack
  5. Save the date: „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“ – Sechste Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration
  6. Text der Woche: „Wie das Gewitter in der Wolke“. Die politische Linke und der Antizionismus von Monty Ott
  7. Zum Schluss: Zum Leuchten bringen

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

seit Dezember 2022 führt der Deutsche Kulturrat zusammen mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, Werkstattgespräche durch. Die Werkstattgespräche dienen dazu, Diskussionen zu führen und Informationen zu sammeln, um in der zweiten Jahreshälfte 2024 Teilhabeempfehlungen für den Kulturbereich zu formulieren. Teilhabeempfehlungen, in denen es darum gehen soll, wie Kulturorte barrierefreier werden – was deutlich mehr ist, als einen Fahrstuhl einzubauen −, wie mehr Menschen mit Behinderungen eine Ausbildung in Kulturbetrieben absolvieren oder ein künstlerisches Studium aufnehmen können und wie der Arbeitsmarkt Kultur offener für Menschen mit Behinderungen wird.

 

Ende März 2024 fand das dritte Werkstattgespräch statt, im Mittelpunkt stand das Thema Ausbildung. Expertinnen und Experten haben Daten und Fakten zur Ausbildungssituation in verschiedenen Bereichen vermittelt. Beeindruckt haben mich drei Beiträge von Künstlerinnen und Künstlern, die sich vor allem durch eines auszeichneten: Normalität, Pragmatismus und Lebensfreude. Der Drehbuchautor und Regisseur Leonard Grobien berichtete von seinem Studium an der ifs Köln und seinem bisherigen beruflichen Werdegang, von der schmerzlichen Ablehnung an der Filmhochschule Babelsberg und augenzwinkernd, dass, wenn er heute seine Bewerbungsunterlagen liest, er sich damals wohl auch nicht genommen hätte. Er schilderte seine erfolgreiche Arbeit als Serienautor und seinen Traum, einen großen, wirklich großen, erfolgreichen Film zu machen. Der Journalist und Schauspieler Jan Kampmann berichtete von pragmatischen Wegen in seinem Volontariat bei einem öffentlich-rechtlichen Sender, von Dreharbeiten und dem Mut, Neues zu wagen. Die Schauspielerin Anna Zander begeisterte bei ihrem Bericht über die Inszenierung von „Mutter Courage“ in Augsburg, in der sie Kattrin, die Tochter der Mutter Courage, spielt. Alle drei steckten mit ihrer Begeisterung für ihre künstlerische Arbeit, mit Entdeckerfreude und vor allem der Lust auf Neues an. Alle drei haben Misserfolge, Scheitern, Enttäuschung wegstecken müssen. Alle drei haben eine Behinderung und wurden behindert, beim Zugang zur künstlerischen Ausbildung, beim Ausüben ihres Berufes. Alle drei haben sich vor allem nicht unterkriegen lassen, sie haben sich selbst ermächtigt, sie gehen ihren künstlerischen Weg.

 

Selbstermächtigung, oder wie aktuell zumeist gesagt: Empowerment, ist Kern künstlerischer Arbeit. Wer bekommt als Künstlerin oder Künstler, speziell als Urheberin oder Urheber, schon einen Arbeitsauftrag auf dem Silbertablett präsentiert? Die meisten beauftragen sich selbst, sie arbeiten sehr oft ungewiss, ob sich überhaupt jemand dafür interessiert, ob die künstlerische Arbeit auf Resonanz stößt. Selbstzweifel, manchmal auch Verzweiflung, für die meisten ein sehr geringes Einkommen und Rückschläge gehören zu dieser Arbeit dazu. Künstlerinnen und Künstler ermächtigen sich aber noch auf andere Weise selbst. Sie treten für ihre Interessen ein, sie schließen sich zu Netzwerken zusammen, sie engagieren sich in Gewerkschaften, sie streiten für angemessene Vergütung, für bessere Arbeitsbedingungen, sie setzen sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr. Und vieles gerät dadurch in Bewegung, wie z. B. aktuell zu sehen ist an der Festlegung von Honoraruntergrenzen für freiberuflich arbeitende Künstlerinnen und Künstler, die in mit öffentlichen Mitteln geförderten Kulturprojekten arbeiten.

 

Aber nicht nur Künstlerinnen und Künstler stoßen Veränderungen an. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kultureinrichtungen verändern diese. Im letzten Jahrzehnt haben Kulturvermittlung und kulturelle Bildung spürbar an Bedeutung gewonnen. Neue Publikumsgruppen wurden und werden in den Blick genommen und mancherorts wird bei der Programmplanung die Vermittlung direkt einbezogen.

 

Und auch kommerziell arbeitende Kulturunternehmen ändern sich. Da sie unmittelbar auf den Markt reagieren müssen, um wirtschaftlich überleben zu können, sind sie oftmals noch flexibler als Kultureinrichtungen. Sie haben die vorhandenen Zielgruppen im Blick, zielen aber stetig darauf ab, neue zu erschließen und zu erreichen. Bei der Gewinnung und dem Halten von Arbeits- und Fachkräften gehen sie vor allem sehr pragmatisch vor.

 

Die deutsche Gesellschaft ist divers – das ist eine Binsenweisheit. Die 83,2 Millionen in Deutschland lebenden Menschen haben verschiedene Geschlechter, ganz unterschiedliche Hintergründe, Hautfarben, Vorlieben, Einschränkungen oder Beschränkungen. Manche sind eher konservativ, andere eher progressiv. Manche suchen das Neue, andere halten gerne am Bewährten fest.

 

Je mehr Diversität in der Gesellschaft wahrgenommen und thematisiert wird, desto stärker wird deutlich, dass nicht alle den gleichen Zugang haben, dass Menschen an der Ausübung ihrer Arbeit behindert werden, dass im Kulturbereich nach wie vor ein Gender-Show-Gap und Gender-Pay-Gap besteht, dass Ältere beim sprichwörtlich „alten Eisen“ einsortiert werden, dass Jüngere sich falsch wahrgenommen fühlen, dass Menschen auf ihre familiäre Migrationsgeschichte reduziert werden und vieles anderes mehr. Dabei kann niemand auf nur ein Merkmal reduziert werden, jede einzelne Person kann, je nach Zusammenhang, zu unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden.

 

Diversität ist anstrengend und kann manches Mal ziemlich „nerven“. Insbesondere dann, wenn es darum geht, den unterschiedlichen Gruppen eine angemessene Repräsentanz zu geben und die gewohnten Pfade zu verlassen. Dazu gehört auch, die eigenen Privilegien bzw. den erreichten Status zu hinterfragen. Bestehende Hürden und rechtliche Hindernisse müssen gegebenenfalls überwunden werden, damit Talente ihren Weg gehen können. Quoten sind manchmal das letzte Mittel, um zu erreichen, dass Diversität tatsächlich umgesetzt wird.

 

Diversität ist aber vor allem sehr bereichernd – gerade auch in künstlerischer Hinsicht.

 

Ungewohnte Sichtweisen und Ausdrucksformen lassen uns aufmerken, sie wecken unser Interesse und im besten Fall begeistern sie uns. Mit Empathie lassen sich viele Hindernisse überwinden und vor allem mit dem Ansatz, es einfach mal auszuprobieren und zu machen. Die drei Künstlerinnen und Künstler haben den Raum und die Anwesenden beim eingangs erwähnten Werkstattgespräch zum Leuchten gebracht. Sie haben gezeigt, was Selbstermächtigung und Diversität im Kulturbereich erreichen kann.

 

Dem Thema haben wir den Schwerpunkt in der neuen Ausgabe von Politik & Kultur gewidmet. Ich würde mich über Ihr Interesse sehr freuen.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Neuer Schwerpunkt in Politik & Kultur: Diverse Kultur

 

Die neue April-Ausgabe richtet den Schwerpunkt (Seite 1, 15 – 26) auf das Thema „Stark: Diverse Kultur. Auf dem Weg zu einem respektvollen Miteinander“.

 

In fünfzehn Beiträgen wird sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit den Themen befasst: Wie divers ist der Kulturbereich? Inwiefern spiegelt der Kultursektor die Diversität der Gesellschaft wider? Welche Formen der Diskriminierung sind im Kulturbetrieb vorhanden? Wie können Kulturakteure gestärkt werden? Die Beiträge verbindet, dass Diversität eine Stärke im Kulturbereich ist und viele Akteure selbstbewusst für Diversität streiten.

 

Autorinnen und Autoren des Schwerpunktes sind:

 

 

 

 

 


 

3. Einladung: Bundesweite Pressekonferenz DIE VIELEN: SHIELD & SHINE-KAMPAGNE 2024-2025
Keine Normalisierung von rechtsextremer Politik in den demokratischen Parlamenten!

 

Datum: Donnerstag, den 11. April 2024
Uhrzeit: 10:00 Uhr
Ort: Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 Berlin

 

Zahlreiche Kulturorganisationen, darunter der Deutsche Kulturrat, sowie Persönlichkeiten aus dem Kulturleben setzen mit der Initiative DIE VIELEN Zeichen gegen antidemokratische Stimmen und Tendenzen. Bundesweit und regional vor Ort wird der Kampf für Zusammenhalt, Vielfalt, Engagement, Empowerment und Solidarität sowie gegen Spaltung, Entrechtung, Ausgrenzung, Abschiebung, Verdrängung und Gewalt aufgenommen.

 

Es sprechen u.a.:

  • Kathrin Röggla, Vizepräsidentin, Akademie der Künste
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer, Deutscher Kulturrat e.V.
  • Dr. Carsten Brosda, Präsident, Deutscher Bühnenverein
  • Barbara Mundel, Intendantin, Münchner Kammerspiele
  • Amelie Deuflhard, Intendantin, Kampnagel, Hamburg
  • Moderation: Holger Bergmann (Vorstand DIE VIELEN)

 

 

 


 

4. Neue Mitarbeiterin: Barbara Haack

 

Barbara Haack arbeitet seit Anfang April 2024 als neue Leiterin der Kommunikation im Deutschen Kulturrat und ist dort auch die CvD von Politik & Kultur.

 

Barbara Haack arbeitete nach ihrem Studium der Romanistik und Germanistik bei verschiedenen Musikverbänden und Kulturinstitutionen im Bereich der musikalischen und kulturellen Bildung. Nach einem berufsbegleitenden Studium der Betriebswirtschaft wurde sie Verlagsleiterin des ConBrio Verlags in Regensburg, dort auch Mitherausgeberin der neuen musikzeitung.

 

Darüber hinaus war sie verantwortliche Redakteurin der Zeitschrift „Oper & Tanz“ und Redaktionsmitglied von „Politik und Kultur“.

 


 

5. Save the date: „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“ – Sechste Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration

 

Datum: Mittwoch, den 15. Mai 2024
Uhrzeit: 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr
Ort: Kirche St. Elisabeth, Invalidenstraße 3, 10115 Berlin

 

Am Mittwoch, den 15. Mai 2024 lädt die Initiative kulturelle Integration unter dem Titel „Demokratie sichern: Zusammenhalt in Vielfalt leben“ zu ihrer sechsten Jahrestagung nach Berlin ein. Als Rednerin zugesagt hat u.a. Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

 

Nähere Informationen zur sechsten Jahrestagung folgen in Kürze.

 

Mehr Informationen zur Initiative kulturelle Integration finden Sie hier.

 


 

6. Text der Woche: „Wie das Gewitter in der Wolke“. Die politische Linke und der Antizionismus von Monty Ott

 

Um Licht ins Dunkel zu bringen, muss man den Kontext betrachten. Denn tatsächlich sind sowohl Antizionismus als auch Antisemitismus sehr eng mit regionalen und historischen Diskursen verknüpft. Darauf hat ebenfalls Horvilleur hingewiesen: „Die antisemitische Rhetorik in Frankreich und Großbritannien macht Israel zu einem kolonialistischen Unternehmen; in den Vereinigten Staaten hallt der Vorwurf des rassistischen Staates nach, und in Südafrika denkt man an die Apartheid: Die antizionistische Kritik trägt allenthalben autobiografische Züge.“ Um das Verhältnis zwischen jüdischem Antizionismus und der politischen Linken in Deutschland zu begreifen, müssen wir das Verhältnis zwischen Antisemitismus und Antizionismus klären – und dabei den Fokus auf die „autobiografischen Züge“ richten.

 

Monty Ott ist Politik- und Religionswissenschaftler und politischer Schriftsteller.

 

 

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