13. KW: Öffentliche Kulturförderung auf dem Höhenflug

Themen im Newsletter:

 

1. Öffentliche Kulturförderung auf dem Höhenflug – Steigerung um 50 Prozent in den letzten zehn Jahren
2. Neuerscheinung: „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft“
3. Neuerscheinung: Politik & Kultur 4/23
4. Neue Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates
5. Poetry-Slam-Wettbewerb: „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“
6. Text der Woche: „Wohlfeiler Präsentismus. Wird Geschichtsdeutung wieder zur Waffe?“ von Johann Michael Möller

 

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in den letzten zehn Jahren fand ein beispielloser Anstieg der öffentlichen Kulturfinanzierung statt, wie der jüngste im Dezember 2022 erschienene Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamts belegt.

 

Im Kulturfinanzbericht werden die öffentlichen Kulturausgaben des Jahres 2020 (vorläufiges Ist) denen der Jahre 2005, 2010, 2015, 2017, 2018 und 2019 gegenübergestellt. Festzustellen ist, dass es in diesem Zeitraum nur eine Tendenz gab: nach oben. Die öffentlichen Kulturausgaben, und zwar von Bund, Ländern und Kommunen, sind deutlich gestiegen. Für das Jahr 2020 werden auch die coronabedingten Mehrausgaben miterfasst.

 

Es ist anzunehmen, dass für die Jahre 2021 und 2022 ebenfalls ein Anstieg ermittelt werden wird. Denn auch in diesen Jahren stellten zumindest der Bund sowie auch einige Länder zusätzliche Mittel zur Stützung des öffentlichen und privaten Kultursektors bereit. So trat beispielsweise der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen, der zur Unterstützung von Kulturveranstaltungen diente, erst Mitte 2021 in Kraft. Er lief Ende 2022 aus.

 

Ebenfalls wurde ab 2021 eine weitere Milliarde Euro für das Programm Neustart Kultur des Bundes zur Verfügung gestellt. Dieses Programm läuft Mitte dieses Jahres aus. Dafür bekommt der Kultursektor wie einige wenige andere Wirtschaftsbereiche, wie z. B. Krankenhäuser, eine Unterstützung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Mit einer Milliarde Euro ist der Kulturfonds Energie des Bundes ausgestattet. Mit dem Fonds sollen öffentliche und private Kultureinrichtungen, Musikschulen und Jugendkunstschulen sowie Kulturveranstalter bei der Bewältigung der Energiekrise unterstützt werden. Angesichts dieser Zusatzmittel ist zu vermuten, dass die Bedeutung des Bundes in der öffentlichen Kulturfinanzierung weiter steigen wird.

 

• Insgesamt stieg die öffentliche Kulturförderung von 9,3 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 14,5 Milliarden Euro im Jahr 2020. Das ist ein Anstieg um 55,1 Prozent.

 

Wird betrachtet, wer die Hauptlast in der Kulturfinanzierung trägt, ist ebenfalls eine Verschiebung festzustellen. Im Jahr 2010 trugen die Gemeinden 44,1 Prozent der Kulturausgaben, die Länder 42,6 Prozent und der Bund 13,3 Prozent. Im Jahr 2020 entfielen auf die Gemeinden 39,1 Prozent, auf die Länder, einschließlich der Stadtstaaten, 38,6 Prozent und auf den Bund 22,4 Prozent. D. h. die Bedeutung des Bundes für die Kulturfinanzierung ist deutlich gewachsen, er hat ein gutes Fünftel der Kulturausgaben übernommen.

 

Auch wenn der Anteil des Bundes an der Kulturfinanzierung gestiegen ist, leisten die Gemeinden mit Blick auf den Anteil der Kulturausgaben an den Gesamtausgaben der jeweiligen Körperschaft den größeren Anteil. Die Gemeinden wenden 2,37 Prozent ihres Gesamthaushaltes für Kultur auf, die Länder 1,79 Prozent und der Bund 1,5 Prozent.

 

• Pro Kopf haben sich die Kulturausgaben von 116,65 Euro im Jahr 2010 auf 174,51 Euro im Jahr 2020 erhöht.

 

Festzuhalten bleibt, dass die öffentlichen Kulturausgaben in allen drei Körperschaftsgruppen, Gemeinden, Länder und Bund, im Vergleich zum Jahr 2010, aber auch zum letzten Vor-Corona-Jahr 2019 deutlich angestiegen sind. Insbesondere der Bund hat seinen Anteil an der Kulturfinanzierung deutlich gesteigert.

 

Aber,

 

  • trotz einer Steigerung der Kulturetats ist es bislang nicht gelungen, dass Künstlerinnen und Künstler bei öffentlich geförderten Projekten oder bei Aufträgen der öffentlichen Hand eine angemessene Vergütung erhalten. D. h., obwohl die Kulturausgaben deutlich gestiegen sind, verdienen Künstlerinnen und Künstler immer noch zu wenig, wenn eine öffentliche Förderung erfolgt; dabei ist die Steigerung der Einkommen der wesentliche Schlüssel, um die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler zu verbessern. Vordringlich ist aus meiner Sicht daher, dass die Verhandlungen über Basishonorare mit den Ländern jetzt zügig erfolgen und Bund und Gemeinden nachziehen. Dies kann unter Umständen in einer Übergangszeit dazu führen, dass weniger Projekte gefördert werden. Es ist aber auf der anderen Seite nicht hinnehmbar, dass Probleme in der Kulturförderung ausschließlich zulasten der Künstlerinnen und Künstler gehen.
  • trotz steigender Kulturetats in den letzten Jahren wurde zu wenig in die Bausubstanz von öffentlichen Kultureinrichtungen investiert. Es besteht ein erheblicher Investitionsstau, der auch dazu führt, dass viele Kulturorte nicht energieeffizient arbeiten können und darum von der Energiekrise besonders betroffen sind. In den kommenden Jahren sind hier Investitionen unausweichlich, um den Anforderungen an eine betriebsökologische Nachhaltigkeit gerecht werden zu können.
  • trotz vieler Soloselbstständiger, die sich teilweise mehr schlecht als recht durchschlagen, besteht im Kultursektor ein Mangel an Fachkräften. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, teils liegt es an mangelnder Bezahlung oder langfristigen Perspektiven, teils liegt es daran, dass vor allem im ländlichen Raum ein Fachkräftebedarf besteht und viele potenzielle Erwerbstätige eher in den Metropolen zu Hause sind und teils sind es mangelnde Kenntnisse über Chancen und Risiken einer Beschäftigung im Arbeitsmarkt Kultur.

 

Gabriele Schulz und ich haben uns dem Thema „Öffentliche Kulturförderung auf dem Höhenflug“ ausführlich gewidmet. Lesen Sie hier unseren Bericht.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Heute Vormittag wird „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft“ im Deutschen Theater vom Präsident des Deutschen Kulturates, Prof. Christian Höppner, von der Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestages, Katrin Budde MdB und von Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theater vorgestellt. Ich freue mich und bin auf die Reaktionen sehr gespannt.

 


 

 

2. Neuerscheinung: „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft“

Werte, Kunst, Medien, Handel, Bildung, Religion, Erinnerung, Digitales, Natur, Nachhaltigkeit

 

Olaf Zimmermann
Mein kulturpolitisches Pflichtenheft
978-3-947308-38-5, 216 Seiten

 

  • Bestellen Sie „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft“ für 19,80 Euro hier. Natürlich können Sie das Buch auch über jede Buchhandlung beziehen.
  • Hier geht es zur Buchvorschau.

 


 

 

3. Neuerscheinung: Politik & Kultur 4/23

 

Die neue Ausgabe richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Künstliche Intelligenz: Welche Rolle spielt KI für die Kultur?“.

 

Weitere Themen:

 

  • Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
    Der Kulturauftrag als wesentliches Element der Rundfunkreform
  • Kulturförderung
    Die öffentliche Kulturförderung ist in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent angestiegen. Welcher weiterer Investitionen bedarf es trotzdem?
  • Kreativwirtschaft
    Wo steht die deutsche Kultur- & Kreativwirtschaft heute? Welche Herausforderungen bestehen, welche Chancen werden genutzt?
  • Israel
    Wo steht die einzige Demokratie im Nahen Osten im Frühjahr 2023? Wie positionieren sich Kunst, Kultur und Wissenschaft?
  • Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
    Wie stellt sich die AKBP nach der Zeitenwende auf? Welche Rolle spielen die Mittlerorganisationen? Wie ist es um deren Finanzlage bestellt?

 

Außerdem: CDU-Kulturpolitik im Wandel, Kulturstadt Leipzig, Umgang mit Objekten in Museumssammlungen, Weltkulturen Museum Frankfurt am Main, Jüdische Existenz in Deutschland, Präsentismus, Resilienz durch Kultur stärken, Leben im deutschen Exil: Schriftsteller Francisco Suniaga, Ferdos Forudastan im Porträt, Novellierung der Filmförderung uvm.

 


 

 

4. Neue Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates

 

Arbeitsbedingungen für Fachkräfte der Kulturellen Bildung deutlich verbessern

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu besseren Rahmenbedingungen für Fachpersonal in der Kulturellen Bildung

 

Der Deutsche Kulturrat positioniert sich mit dieser Stellungnahme zu den Arbeitsbedingungen und zur Qualifizierung in der Kulturellen Bildung. Die Bedeutung Kultureller Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Menschen, für die Gewinnung des künstlerischen und kreativen Nachwuchses wie auch ihre gesellschaftliche Relevanz als identitäts- und orientierungsstiftender Prozess ist allgemein anerkannt. Dennoch fehlt es an geeigneten Rahmenbedingungen für das Fachpersonal in der Kulturellen Bildung. Dies ist angesichts des aktuell hohen Bedarfs an pädagogischem Fachpersonal im gesamten Bildungsbereich besonders zu bedauern.

 

 

Basishonorare für Soloselbstständige im Kulturbereich jetzt umsetzen!
Resolution des Deutschen Kulturrates

 

Die Kulturministerkonferenz hat im Oktober letzten Jahres eine „Matrix zu Basishonoraren“ für Soloselbstständige im Kulturbereich verabschiedet und veröffentlicht. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt dieses gemeinsame Vorgehen der Kulturministerkonferenz und fordert die Kulturministerinnen und -minister sowie Kultursenatorinnen und -senatoren der Länder auf, jetzt die Basishonorare in den Ländern umzusetzen.

 

 


 

 

5. Poetry-Slam-Wettbewerb: „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“

 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus Dr. Felix Klein, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster sowie Olaf Zimmermann als Sprecher der Initiative kulturelle Integration haben am 27. März 2023 einen bundesweiten Poetry-Slam-Wettbewerb mit dem Titel „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“ ausgelobt.

 

Im vierten Jahr nach dem antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 laden die Initiatoren alle in Deutschland lebenden Menschen ein, sich mit Spoken-Word-Performances der jüdischen Kultur, dem Leben und Alltag jüdischer Bürgerinnen und Bürger als festem Teil unserer Gesellschaft zu befassen.

 

  • Weitere Informationen finden Sie hier.

 


 

 

6. Text der Woche: „Wohlfeiler Präsentismus. Wird Geschichtsdeutung wieder zur Waffe?“ von Johann Michael Möller

 

„Zu den Schockwirkungen, die der Überfall Putins auf die Ukraine ausgelöst hat, gehört auch das Erschrecken darüber, wie sehr man sich geirrt hat, wie wenig man mit einer solchen Zuspitzung rechnen wollte. Aber das haben Zeitenwenden, nun einmal so an sich, dass plötzlich nichts mehr so ist, wie es war und man über sein früheres Urteil erschrickt. Wir erleben jetzt wirklich, was Disruption heißt, jenes Modewort, das wir lange nur aus den Transformationslehrbüchern kannten. Denn der Umbruch, den wir gerade erleben, verstört mehr als alles, was wir lange Zeit kannten; und die Empörung ist groß, mit der das jetzt konstatiert wird. »Ihr habt Eure, Ihr habt unsere Geschichte verpfuscht«, hat der alte Revolutionsdichter Georg Herwegh den gescheiterten Märzrevolutionären einst verbittert nachgerufen. Ein Satz, der eine neue Gültigkeit bekommt. …“

 

Johann Michael Möller ist freier Publizist.

 

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