11. KW: Katastrophenschutz: Kultur muss bewahrt und geschützt werden

Der kulturpolitische Wochenreport (11. KW)

Themen im Newsletter:

  1. Katastrophenschutz: Kultur muss bewahrt und geschützt werden
  2. Erstes Forum der Notfallallianz Kultur
  3. Fachgespräch im Ausschuss für Kultur und Medien zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultur- und Kreativbereich“
  4. Empfehlung: Equal Pay Day 2024: Online-Diskussion zum Nachsehen
  5. Text der Woche: Gestaltung demokratischer Prozesse und Stärkung des Miteinanders. Die Region Frankfurt RheinMain wird World Design Capital 2026 von Klaus-Dieter Lehm

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

einige von Ihnen werden das Bilderbuch von Leo Lionni aus dem Jahr 1967 kennen: „Frederick die Maus„. Frederick, die Maus, sammelt Sonnenstrahlen, Farben und Wörter, während die anderen Mäuse emsig für den Winter Körner und Nüsse einsammeln und so einen Vorrat für das Überleben in der kargen Winterzeit anlegen. Im kalten, langen und grauen Winter brauchen sie nicht in erster Linie die gesammelten Körner und Nüsse, sondern, so die Wendung im Bilderbuch, laben sich an den von Frederick gesammelten Sonnenstrahlen und können so ihr Überleben sichern.

 

Das Bilderbuch kann als ein Gleichnis dafür gelesen werden, dass das Leben nicht nur aus Materiellem besteht, sondern das Immaterielle, die Farben und Wörter, das Licht grundlegend dazu gehören.

Eine auf den ersten Blick sympathische Vorstellung. Nimmt doch der Kulturbereich oftmals für sich in Anspruch, gerade andere Saiten beim Menschen zum Klingen zu bringen und mehr zu bieten als das tägliche Brot. Und das ist unbestritten auch der Fall.

Mit Blick auf die heutigen Krisen-Situationen wäre allerdings ein „Frederick-Verhalten“ nicht ausreichend. Kunst, insbesondere das kulturelle Erbe, müssen natürlich bewahrt und geschützt werden:

 

  • vor Naturkatastrophen,
  • vor Krieg,
  • vor Zerfall
  • und Zerstörung.

 

Ich bin daher der Kulturstiftung der Länder sehr dankbar, dass sie die Initiative für die Notfallallianz Kultur ergriffen und viele verschiedene Institutionen hinter dieser Idee versammelt hat.

 

  • Die Hochwasserkatastrophen der letzten Jahre haben gezeigt, wie verletzlich unsere Infrastruktur ist.
  • Der Klimawandel, insbesondere die Dürresommer der letzten Jahre, gefährden Parkkultur und historische Gärten.
  • Der seit zwei Jahren in der Ukraine tobende Krieg war ein Weckruf: Krieg findet in unserer unmittelbaren Nachbarschaft statt und Kulturgüter befinden sich in unmittelbarer Gefahr bzw. werden zerstört.

 

Es ist höchste Zeit, dass der Notfallvorsorge mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daraus folgt, dass die Kultureinrichtungen folgenden Aspekten noch mehr Aufmerksamkeit widmen müssen:

 

  • der Sicherung ihrer Gebäude und ihres Bestands,
  • der Priorisierung ihres Bestands, was im Notfall dringend gerettet werden muss und was nicht, was eine sehr schwere Aufgabe ist
  • und die allgemeine Vorsorge vor Notfällen, damit Kunst auch in Krisenzeiten produziert werden kann. Die Corona-Pandemie mit ihren flächendeckenden langandauernden Schließungen von Kulturorten hat gezeigt, dass dies eine besondere Herausforderung darstellt.

 

Die Krisenvorsorge ist eine Aufgabe für alle staatlichen Ebenen: die Kommunen, die Länder und natürlich auch den Bund.

Neben den staatlichen Einrichtungen wie beispielsweise den Museen, den Bibliotheken oder den Theatern sind aber auch nicht-staatliche Institutionen gefordert. Vielfach sind Vereine oder Stiftungen Träger von Kulturorten. Sie müssen genauso vorsorgen wie die staatlichen Institutionen und dies oftmals mit deutlich geringeren finanziellen Ressourcen.

 

Umso enttäuschender ist es, dass Kultur im geplanten KRITIS-Dachgesetz keine Rolle spielen soll. Schon im ersten Referentenentwurf des KRITIS-Dachgesetzes hatte Kultur nur eine Nebenrolle. Der zweite Referentenentwurf des KRITIS-Dachgesetz konzentriert sich nur noch auf „harte“ Infrastruktur wie Strom-, Wasser-, Energieversorgung, Straßen-, Eisenbahn- und Luftverkehr, Bargeldversorgung, Handel mit Wertpapier, Versicherungsdienstleistungen sowie Dienstleistungen der Sozialversicherungsträger. Kultur kommt nicht mehr vor. Im angekündigten dritten Referentenentwurf, der noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, soll Kultur nur in der Begründung als vornehmliche Aufgabe der Länder genannt werden.

 

Hier versucht der Bund sich aus der Verantwortung zu stehlen, denn das Notfallvorsorge zuerst Aufgabe der Länder ist, ist unstrittig. Es sollte aber ebenso unstrittig sein, dass gerade die finanziellen Aufwendungen, um die kulturelle Infrastruktur krisenfest zu machen, ohne Unterstützung des Bundes nur schwer leistbar sein werden.

 

Ganz im Sinne des eingangs angeführten Bilderbuchs von „Frederick der Maus“ könnte man sagen, mit dem KRITIS-Dachgesetz werden die Nüsse und Körner für das physische Überleben im Katastrophenfall abgesichert. Hierfür braucht es ebenso wie in den anderen gefährdeten Sektoren, etwa der Wasserversorgung oder den Finanzdienstleistungen, der Risikoanalyse, der Bereitstellung von Know how und Material und vor allem der Ressourcen. Das muss gleichermaßen bereitstehen, damit zielgerichtet das kulturelle Erbe geschützt werden kann.

 

Bis zum Jahr 2026 muss eine neue Resilienzstrategie auch für den Kultursektor von Bund, Ländern und Kommunen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft erarbeitet werden.

Ich bin mir sicher, dass die plural aufgestellte Notfallallianz Kultur hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Ganz besonders freue ich mich, dass so unterschiedliche Akteure wie Länder, die BKM, die kommunalen Spitzenverbände, Stiftungen und Verbände, wie der Deutsche Kulturrat, dabei sind.

 

Wir werden uns als Deutscher Kulturrat dafür stark machen,

 

  • dass die Notfallallianz Kultur ein verlässlicher Verbund wird,
  • dass der gegenseitige Erfahrungsaustausch gestärkt wird,
  • dass sich bei möglichen Katastrophen unkompliziert und unbürokratisch untereinander geholfen wird.

 

Dabei hoffe ich, dass die Vorsorge, die wir treffen, anders als die Sonnenstrahlen der sympathischen Maus Frederick nur sehr selten benötigt werden. Oder anders gesagt, dass wir von Hochwasser, Krieg und weiteren Katastrophen hoffentlich weitgehend verschont bleiben.

 

Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Erstes Forum der Notfallallianz Kultur  

 

Die Notfallallianz Kultur wurde im Sommer 2021 auf Initiative der Kulturstiftung der Länder als Reaktion auf die Hochwasserkatastrophen in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gegründet. Ihr Ziel ist es, die Resilienz der Kultur in Krisen und Notfällen zu erhöhen.

 

Am Dienstag, den 12.03.2024, fand das 1. Forum der Notfallallianz Kultur in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund statt. Dabei haben sich Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Kulturträgern, kulturgutbewahrenden Einrichtungen und kulturfördernden Institutionen über die Notfallhilfe und Notfallvorsorge im Bereich der Kultur ausgetauscht.

 

 

Leseempfehlung zum Thema:

 

Bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen, Pandemien: Der bewaffnete Angriff Russlands auf die Ukraine, drei Jahre Coronapandemie und das Ahrtal-Hochwasser 2021 haben gezeigt, dass Krisen und Katastrophenereignisse auch eine reale Bedrohung für den Kulturbereich und für Kulturgüter darstellen. Wie resilient ist der Kulturbereich?

 

Schwerpunkt „Kulturgutschutz jetzt! Bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen, Pandemien: Wie resilient ist der Kulturbereich?“ in Politik & Kultur 7-8/2023 (Seite 17 – 30).

 

 

 


 

3. Fachgespräch im Ausschuss für Kultur und Medien zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultur- und Kreativbereich“

 

Der Ausschuss für Kultur und Medien ist am Mittwoch, den 13. März 2024, zu einer öffentlichen Sitzung zusammengekommen. In diesem Rahmen hat dieser sich u. a. mit dem Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultur- und Kreativbereich“ beschäftigt.

 

Als Sachverständige zum öffentlichen Fachgespräch waren eingeladen:

 

  • Ines Doleschal, Bildende Künstlerin, Aktionsbündnis „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“
  • Vanessa Donelly, Komponistin
  • Gabriele Schulz, Deutscher Kulturrat
  • Uta Zech, Business and Professional Women (BPW) Germany

 

  • Das Statement von Gabriele Schulz, Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates, kann im vollen Wortlaut hier nachgelesen werden.

 

 


 

4. Empfehlung: Equal Pay Day 2024: Online-Diskussion zum Nachsehen

 

Am Dienstag, dem 5. März 2024, dem Vortag zum Equal Pay Day veranstaltete der Deutsche Kulturrat eine Online-Diskussion unter dem Titel „Was ist Frauenarbeit wert?“.  Im Mittelpunkt standen dabei die Fragen: Woran liegt es, dass der Gender-Pay-Gap im Kulturbereich in einigen Sparten noch immer so hoch ist? Wieso gibt es nach wie vor einen deutlichen Gender-Show-Gap?

 

Es diskutierten:

 

  • Katja Lucker, Geschäftsführerin der Initiative Musik
  • Dagmar Schmidt, Bildende Künstlerin und Sprecherin des Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler
  • Gabriele Schulz, Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats

 

  • Moderation: Barbara Haack 

 

Die Online-Diskussion kann hier auf dem YouTube-Kanal des Deutschen Kulturrates nachgesehen werden.

 

 


 

5. Text der Woche: Gestaltung demokratischer Prozesse und Stärkung des Miteinanders. Die Region Frankfurt RheinMain wird World Design Capital 2026 von Klaus-Dieter Lehmann 

 

Zum ersten Mal geht der Titel World Design Capital nach Deutschland. Für 2026 wurde die Region Frankfurt RheinMain damit ausgezeichnet. Alle zwei Jahre wird eine Metropole zur Weltdesignhauptstadt gekürt. Die World Design Organization (WDO) mit Sitz in Montreal zeichnete bis jetzt unter anderem Turin, Seoul, Helsinki und Kapstadt aus. Für 2024 wurden San Diego und Tijuana ausgewählt, die Zwillingsstädte an der mexikanikanisch-amerikanischen Grenze.

 

Klaus-Dieter Lehmann ist Kulturmittler.

 

 


 

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