Krisen mitdenken

Notfallvorsorge als Aspekt nachhaltiger Kulturpolitik

Notfallvorsorge als Aspekt nachhaltiger Kulturpolitik
Vor diesem Hintergrund muss nachhaltige Kulturpolitik, will sie sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit aussetzen, die Notfallvorsorge für unser gemeinsames kulturelles Erbe und die Kultureinrichtungen in Deutschland zu einem Kernthema der politischen Strategiebildung und der Kulturförderung machen. Die Nachhaltigkeit deutscher Kulturpolitik wird sich ab sofort gerade auch daran messen lassen müssen, wie resilient sie die kulturellen Infrastrukturen gegen erhöhte Notfallrisiken aufgrund sich zuspitzender Gefahrenlagen gemacht hat.

 

Zu den großen kulturpolitischen Aufgaben gehören dabei in erster Linie die Erhöhung der Klimaresilienz des Kulturerbes und der Kultureinrichtungen, die Erarbeitung von flächendeckenden Notfall- und Evakuierungsplänen für den Fall bewaffneter Konflikte und gewaltsamer Unruhen gerade auch unter Einbeziehung der Landeskommandos der Bundeswehr, der systematische Abbau des Sanierungsstaus in Kultureinrichtungen sowie, auf konzeptioneller Ebene, eine stärkere Berücksichtigung der unterschiedlichen geopolitischen und gesellschaftlichen Prozesse, von denen in Zukunft ein verstärktes Gefährdungspotenzial für die kulturellen Infrastrukturen in Deutschland ausgehen wird.

 

Konkrete Maßnahmen in diesem Zusammenhang müssen unter anderem die finanzielle Unterstützung der Kultureinrichtungen beim Ausbau ihrer Klima­resilienz sowie ihres Risiko- und Krisenmanagements, die bessere Vernetzung der relevanten politischen Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie die Stärkung der einschlägig ausgewiesenen Institutionen und Organisationen sein, die sich bereits heute der Notfallvorsorge und Katastrophenhilfe im Bereich Kultur widmen, wie etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die in ganz Deutschland auf lokaler Ebene agierenden Notfallverbünde, der „SicherheitsLeitfaden Kulturgut“ (SiLK), „Blue Shield Deutschland“ sowie das beispielhafte Projekt „KulturGutRetter“.

 

Vor allem aber muss es das Anliegen der kulturpolitisch Verantwortlichen sein, für den nachhaltigen Schutz unseres kulturellen Erbes in Krisen- und Konfliktsituationen den Schulterschluss mit denjenigen zivilgesellschaftlichen Akteuren zu suchen, ohne die kulturelles Leben in Deutschland undenkbar wäre. Dazu zählen insbesondere regionale und überregionale Fachverbände, gemeinnützige Vereine mit ihren zahlreichen ehrenamtlich Aktiven, Unternehmen, Stiftungen sowie Projekte und Initiativen. Nur ein breites Bündnis aus kompetenten staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Partnern wird in der Lage sein, die komplexen Anforderungen an krisenresiliente kulturelle Infrastrukturen flächendeckend umzusetzen und unser gemeinsames kulturelles Erbe gegen zukünftige Notfälle möglichst gut zu wappnen. Eine solche gesamtstaatliche „Notfallallianz Kultur“ wäre damit ein unverzichtbares Instrument einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kultur­politik in Deutschland.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.

Vorheriger ArtikelErbe und Nachhaltigkeit
Nächster ArtikelAbenteuer des Geistes