Vorschlag der EU-Kommission zur Schutzfristverlängerung für Tonträger: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 22.09.2008. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die EU-Kommission die Schutzfrist für die Rechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller verlängern will.

 

Gegenwärtig beträgt die Schutzfrist für Tonträger europaweit 50 Jahre nach Erscheinen der Aufnahme. Während dieses Zeitraums erhalten die Musiker, die an der Aufnahme beteiligt waren, Entgelte aus Lizenzeinnahmen, soweit diese vertraglich vereinbart wurden. Außerdem erhalten sie gesetzliche Vergütungen, wenn diese Tonträger öffentlich gesendet oder gespielt werden. Gerade diese Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen sind für unbekannte Musiker und insbesondere Studiomusiker, die keine vertraglichen Ansprüche auf Lizenzbeteiligungen haben, besonders wichtig zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, können sie doch nicht an die Hersteller abgetreten werden, sondern kommen wahrgenommen durch die Verwertungsgesellschaften der ausübenden Künstler diesen unmittelbar zugute. Häufig sind die Aufnahmen im Unterschied zu den Werken der Urheber, die bis 70 Jahre nach Tod des Urhebers geschützt werden, schon zu Lebzeiten der ausübenden Künstler gemeinfrei, können also von Dritten verwertet werden, ohne dass die Urheber an den Erlösen partizipieren.

 

Die EU-Kommission schlägt mit dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte“ (KOM (2008)464/3) vor, die Schutzdauer für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller für auf Tonträger veröffentlichte Darbietungen von 50 auf 95 Jahre zu verlängern. Zusätzlich sieht der Richtlinienvorschlag als flankierende Maßnahme eine „Use-it-or-lose-it“-Klausel für Verträge zwischen ausübenden Künstlern und Tonträgerfirmen vor, nach der Künstler ihre Rechte zurückfordern können, wenn die Tonträgerfirmen die Aufnahme in der erweiterten Schutzfrist nicht vermarktet. Weiter soll flankierend ein Fonds eingerichtet werden, in den die Tonträgerfirmen 20% der Einnahmen aus der verlängerten Schutzfrist einzahlen. Damit soll der von der EU-Kommission zutreffend beschriebene Missstand korrigiert werden, dass insbesondere Studiomusiker und unbekannte Solisten ihre Rechte gegen eine Einmalzahlung an die Hersteller abtreten von einer Schutzfristverlängerung selber also – abgesehen von den Vergütungsansprüchen – nicht profitieren würde.

 

Der Deutsche Kulturrat erachtet den Richtlinienvorschlag als einen positiven Weg zur Verbesserung der sozialen Lage der ausübenden Künstler und hier besonders der namentlich nicht genannten Studiomusiker. Als innovativ erachtet der Deutsche Kulturrat die Einrichtung eines Fonds, der aus den zusätzlichen Einnahmen aus der verlängerten Schutzfrist gespeist wird. Allerdings sollte verbindlich vorgesehen werden, diese Mittel über Verwertungsgesellschaften auszuschütten. Verwertungsgesellschaften verfügen über die erforderliche Erfahrung der adäquaten Ausschüttung von kollektiven Einnahmen. Auch die vorgesehene Vereinheitlichung der – bislang in EU-Ländern unterschiedlich geregelten – Schutzfrist für Werke, die Text und Musik kombinieren, ist zu begrüßen. Es ist sinnvoll, die Schutzfrist ab dem Tod des letzten überlebenden Beteiligten, d.h. des Verfassers des Textes oder des Komponisten der Musik, laufen zu lassen.

 

Für gänzlich unbefriedigend erachtet der Deutsche Kulturrat, dass die Verlängerung der Schutzfrist nur für Tonträger gelten soll. Durch den geplanten Richtlinienvorschlag entstünde eine Ungleichbehandlung zwischen Tonträgern und audiovisuellen Werken, die durch nichts gerechtfertigt ist, Es wäre ein absurdes Ergebnis, wenn beispielsweise die an einem Film beteiligten Schauspieler nicht mehr geschützt wären, wohl aber noch die Musiker des Soundtracks desselben Films. Häufig ist auch dasselbe Konzert sowohl als Tonträger als auch auf DVD erhältlich, man denke nur an die Konzertmitschnitte Herbert von Karajans. Dies zeigt, dass nur eine einheitliche Schutzfristverlängerung unabhängig vom Trägermedium, also unter Einbeziehung audiovisueller Aufzeichnungen, sachgerecht ist.

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