Für Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

 

Berlin, den 30.09.2016. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat in der im Juni 2016 vorgestellten Studie „Frauen in Kultur und Medien“ herausgearbeitet, dass auch im Kultur- und Medienbereich längst noch nicht von Geschlechtergerechtigkeit gesprochen werden kann. Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB hat als Reaktion auf die Studie die Einrichtung eines Runden Tisches angekündigt, der konkrete Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich erarbeiten soll. Mit Blick auf den Runden Tisch positioniert sich der Deutsche Kulturrat hier mit einer ersten Stellungnahme zu diesem Themenfeld und konzentriert sich dabei auf ausgewählte Aspekte.

 

Der Deutsche Kulturrat tritt für Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich ein. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich entspricht dem verfassungsrechtlichen Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau. Der Staat hat die Möglichkeit und die Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehören vor allem, die Voraussetzungen für eine stärkere Präsenz von Frauen in Leitungsfunktionen von Kultur- und Medienunternehmen zu schaffen, die Partizipation von Frauen an der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung zu erhöhen und eine Gleichstellung hinsichtlich der Honorare für freiberufliche Künstlerinnen zu sichern. Mit entsprechendem politischen Willen sind diese Maßnahmen umsetzbar, ohne die Freiheit der Kunst im Sinne des Grundgesetzes in Frage zu stellen. Deshalb gilt es, sich nachhaltig für mehr Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen, hierfür die entsprechenden Umsteuerungen vorzunehmen und Ressourcen einzusetzen. Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbereich darf kein Spezialthema bleiben, sondern soll zum festen Bestandteil kulturpolitischer Forschung, kulturpolitischer Diskussion und kulturpolitischen Handelns werden. Es geht darum, in den Bereichen, in denen bislang für Frauen oder für Männer Nachteile bestehen, die Voraussetzungen für ein ausgeglichenes Verhältnis zu schaffen.

 

Individuelle sowie projektbezogene Künstlerinnen- und Künstlerförderung

 

Unter individueller Künstlerinnen- und Künstlerförderung werden Arbeits- oder Aufenthaltsstipendien, dotierte Preise oder Auszeichnungen und ähnliches zusammengefasst, die direkt an den Künstler oder die Künstlerin vergeben werden. Ziel ist es, dass die Künstlerinnen und Künstler sich für einen bestimmten Zeitraum ganz ihrem Werk widmen können. Sowohl der Bund, die Länder und die Kommunen als auch die selbstverwalteten, vom Bund geförderten Fonds fördern und unterstützen mit solchen Maßnahmen Künstlerinnen und Künstler. Beispiele hierfür sind Villa Massimo-Stipendien oder die Förderungen der Stiftung Kunstfonds.

 

Unter projektbezogener Künstlerinnen- und Künstlerförderung werden Maßnahmen verstanden, die der Verwirklichung eines bestimmten künstlerischen Projektes dienen. Dies können unter anderem Materialkosten- oder Druckkostenzuschüsse sein.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass Jurys und Auswahlgremien, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, geschlechtergerecht besetzt werden; Ziel ist es, Parität herzustellen,
  • dass Maßnahmen der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie hinsichtlich von Altersgrenzen flexibilisiert werden,
  • dass Auswahlverfahren, sofern möglich, anonymisiert erfolgen, Beispiele hierfür sind das musikalische Vorspiel hinter dem Vorhang oder die anonymisierte Bewerbung,
  • dass ein Förderprogramm für den künstlerischen Wiedereinstieg nach einer Familienphase entwickelt wird, diese Programme sollen sich an Frauen und Männer richten.

 

Allgemeinbildende Schulen und Berufsberatung

 

In allgemeinbildenden Schulen sowie in der Berufsberatung werden Bilder von Berufen mitgeprägt. So gelten einige Berufe im Kulturbereich eher als „Frauenberufe“ wie z.B. Masken- oder Kostümbildnerin und andere als „Männerberufe“ wie z.B. Tonmeister oder Kameramann.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass in den allgemeinbildenden Schulen und in der Berufsberatung Jungen und Mädchen unabhängig von geschlechtsspezifischen Typisierungen alle Berufe nahegebracht und sie gleichermaßen für sie begeistert werden,
  • dass in den allgemeinbildenden Schulen über technisch-künstlerische Berufe und die damit verbundenen Berufschancen verstärkt informiert wird, um die geschlechtsspezifischen Zuweisungen aufzubrechen.

 

Hochschulen

 

In den Kunst-, Design-, Theater, Film-, Architektur-, Tanz- und Musikhochschulen werden nicht nur die Fertigkeiten und Fähigkeiten von Studierenden sowie die künstlerische Persönlichkeit ausgebildet, sondern es geht auch darum, auf den künstlerischen Beruf vorzubereiten und künstlerische Tätigkeit vorzuleben. Durch das an vielen künstlerischen Hochschulen und Universitäten bestehende Klassenprinzip entsteht eine enge Verbindung zwischen Lehrenden und Studierenden. Umso wichtiger ist es, dass Studierende Lehrende auch als Künstlerinnen und Künstler erfahren und sie als positive Rollenmodelle erleben.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass die Aufnahmegremien an künstlerischen Hochschulen und Universitäten geschlechtergerecht besetzt werden,
  • dass die Programme zur Förderung von Professorinnen fortgesetzt und mehr Professorinnen an Kunst- und Musikhochschulen berufen werden,
  • dass mehr Frauen in Leitungsfunktionen an Kunst- und Musikhochschulen gewählt werden,
  • dass Fragen des Arbeitsmarktes Kultur, insbesondere zu Verhandlungen zu Honoraren und Vergütungen, Teil des allgemeinen Lehrplans an Kunst- und Musikhochschulen werden,
  • dass ergänzend in den Career Centern der Kunst- und Musikhochschulen ein besonderes Augenmerk auf den Berufseintritt von Absolventinnen gerichtet wird.

 

Öffentlich-finanzierte Kultureinrichtungen und öffentlich-rechtlicher Rundfunk

 

Öffentlich-finanzierte Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind wichtige Arbeitgeber im Kultur- und Medienbereich. Sie sind aufgrund der öffentlichen Finanzierung oder der öffentlich-rechtlichen Rechtsform in besonderer Weise der Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass öffentlich-finanzierte Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Geschlechtergerechtigkeit als personalpolitisches Ziel formulieren und dieses Ziel konsequent verfolgen – auch mit Blick auf die Weiterbildung von künftigen Führungskräften,
  • dass flexible Karrieremodelle eingeführt und außerhalb des Berufs erworbene, für den Beruf qualifizierende Kenntnisse stärker berücksichtigt werden,
  • dass Aufsichts- und Beratungsgremien sowie Rundfunk- und Verwaltungsräte unter Berücksichtigung der weisungsunabhängigen Medien geschlechtergerecht besetzt werden.

 

Kultur- und Medienverbände

 

Kultur- und Medienverbände bündeln die Interessen ihrer Mitglieder und vermitteln diese der Öffentlichkeit und Politik. Viele Kultur- und Medienverbände entsenden jedoch auch selbst Mitglieder in Aufsichts- oder Beratungsgremien, unterhalten eigene Jurys und sind Arbeitgeber. Sie sind daher ebenfalls gefordert, sich für Geschlechtergerechtigkeit in den eigenen Reihen einzusetzen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass Personenzusammenschlüsse aus dem Kultur- und Medienbereich sich um eine geschlechtergerechte Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft bemühen und sich dieses auch in der Zusammensetzung der Vorstände widerspiegelt,
  • dass Kultur- und Medienverbände Rahmenbedingungen für ein Engagement in Verbänden und der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und zivilgesellschaftlichem Engagement verbessern,
  • dass Kultur- und Medienverbände ihre Jurys und Auswahlgremien sowie Vorstände bzw. Präsidien geschlechtergerecht besetzen. Der Deutsche Kulturrat verpflichtet sich, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.

 

Monitoring und Evaluation

 

Die eingangs erwähnte Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien“ nimmt einen Zeitraum von zwanzig Jahren in den Blick. Dieses war der grundlegende Schritt, um eine Entwicklung aufzuzeigen zu können. Um Veränderungen zeitnah nachzuvollziehen und möglichen Fehlentwicklungen entgegenzusteuern, sind aber Berichte in kürzeren Intervallen erforderlich. Dazu zählen zum einen umfassende Berichte zum Thema selbst und zum anderen eine kontinuierliche Evaluation ergriffener Maßnahmen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • dass öffentlich-finanzierte Einrichtungen der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung über die Gewichtung ihrer Förderung von Frauen und Männern Auskunft geben und dabei auch den Faktor Fördersumme ausweisen,
  • dass in den Jahresberichten von öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit Auskunft gegeben, über die Gremienbesetzung berichtet und die Anteile von Frauen und Männern in den unterschiedlichen Positionen informiert wird,
  • dass in den Jahresberichten der künstlerischen Hochschulen und Universitäten die Anteile der weiblichen und männlichen Studierenden sowie der weiblichen und männlichen Lehrenden gegenübergestellt werden und Maßnahmen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, dargestellt werden.
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