Ein wichtiger Vermittler

Das Goethe-Institut als Ermöglicher Auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik

Das Goethe-Institut ist mit seinen 160 Instituten in fast 100 Ländern tätig. Durch die wachsende Zahl von Krisen- und Konfliktregionen haben sich die inhaltliche Arbeit und die regionalen Schwerpunkte deutlich verändert. Auf Flucht, Terror, Verschärfung der Gesetze für Nichtregierungsorganisationen, Zensur und Verhinderung von Teilhabe an zivilgesellschaftlichen Prozessen muss ein weltweites Kulturinstitut aktiv reagieren. Kultur ist eben nicht die Spielwiese für Intellektuelle und Künstler. Sie ist ein essentieller Teil unserer Gesellschaften.

 

Kultur ist nicht per se friedensstiftend. Sie kann auch zerstörerisch wirken, wenn kulturelle Identität als Waffe gegen andere eingesetzt wird. Das erleben wir beispielsweise bei dem fanatischen Fundamentalismus des Islamisches Staates (IS), der bewusst die kulturellen Zeugnisse Andersdenkender zerstört. Das zeigt aber letztlich, wie zentral die Bedeutung von Kultur für die Menschen angesehen und anerkannt wird. Diese Bedeutung gilt es für Respekt, Wertschätzung und Solidarität zu gewinnen und nicht für Hass und Abschottung.

 

Aber auch die instabilen Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union – Brexit, Fremdenfeindlichkeit, Nationalisierungstendenzen und Radikalisierung – bedürfen einer konstruktiven Verantwortung innerhalb des gemeinsamen Kulturraums. Und letztlich fängt die Verantwortung bereits im eigenen Land an, denn Innen und Außen sind keine getrennten Welten!

 

Deutschland ist bereits seit Längerem ein Zuwanderungsland. 20 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln leben hier. Für alle ist die deutsche Sprache der Schlüssel zur Integration. Deutschland hat in den zurückliegenden Jahren eine enorme Integrationsleistung vollbracht, nicht nur für die Eingliederung von Fachkräften. Längst gibt es Musiker, Schriftsteller, Filmemacher und Bildende Künstler, die sich ganz selbstverständlich als Teil der deutschen Kultur verstehen. Eine neue Dimension hat die Migration 2015/2016 erreicht, bei der innerhalb eines Jahres rund 800.000 Flüchtlinge in Deutschland Aufnahme suchten. Das Goethe-Institut kennt die Situation bereits aus den Herkunftsländern, insbesondere die der Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens und des Iraks – in der Türkei, Jordanien und dem Libanon. Dort arbeitet das Institut gemeinsam mit Flüchtlingsorganisationen in Kultur- und Bildungsprojekten, bevorzugt für Kinder und Jugendliche, um eine „verlorene Generation“ zu verhindern. Ein Kulturproduktionsfonds motiviert syrische Künstler als Akteure in den Lagern aktiv zu werden. Das Goethe-Institut hat vom Auswärtigen Amt für die Bildungsprojekte 2,5 Millionen Euro Sondermittel erhalten.

 

In Deutschland sind die zwölf deutschen Goethe-Institute wichtige Vermittler. So gibt es ein Qualifizierungspaket für Ehrenamtliche zur effizienten Sprachvermittlung, das intensiv nachgefragt wird. Dafür hat das Goethe-Institut vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Zuschlag über 600.000 Euro bekommen. Was die Flüchtlinge vereint: Fast alle besitzen ein Smartphone. Das Goethe-Institut hat deshalb verschiedene Selbstlernprogramme für Deutsch auf Tablets und Smartphones realisiert, die App „Ankommen“, gemeinsam mit BAMF und ARD alpha entwickelt, wird von der Stiftung Warentest ausdrücklich empfohlen. Neben der Vermittlung von Basiswissen gibt es ein großes Interesse von hochqualifizierten Migranten an hochwertigen Kursen für einen schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt, die sowohl im Präsenzunterricht als auch in betreuten Online-Kursen angeboten werden. Da das Goethe-Institut für Aktivitäten in Deutschland keine öffentlichen Mittel erhält, lässt sich dieses Angebot nur über Spendenmittel realisieren.

 

Für das Goethe-Institut ist und bleibt Europa eine vorrangige Aufgabe – es ist seine kreative Basis. In einer Situation, in der das bevorzugt auf Ökonomie und marktwirtschaftliche Prinzipien basierende Verständnis Europas Gefahr läuft, eine Zerreißprobe zu erleben, wird die Relevanz des „kulturellen Europas“ und seiner Dialogfähigkeit augenfällig. Die Goethe-Institute in Europa spielen dabei eine aktive Rolle. Sie fördern die Mehrsprachigkeit als kulturellen Wert. Sie engagieren sich für die Literaturen der einzelnen Länder und machen sie durch Übersetzungsförderung zugänglich. Sie realisieren Koproduktionen in den Bereichen Film, Theater und Musik. Das Goethe-Institut hat dazu einen eigenen Koproduktionsfonds aufgelegt, auf den sich Partner bewerben können.

 

Die jungen Europäer haben gemerkt, dass das Versprechen Europas, die Pluralität, die Offenheit und die Freizügigkeit einer freien Berufswahl, des Wohnortes und der Niederlassungsmöglichkeiten, nicht nur eine reizvolle Lebensperspektive ist, sondern genutzt werden kann, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, auch in Notzeiten Optionen zu haben. So wie es beispielsweise die jungen Menschen in Südeuropa gemacht haben als die Jugendarbeitslosigkeit sie ihrer Perspektiven beraubte. Sie haben Sprachen gelernt, sind in Länder gegangen, in denen sie berufliche Chancen hatten und haben sich qualifiziert. Die Goethe-Institute haben diesen Weg unterstützt durch einen gezielten Spracherwerb im Ursprungsland und in Deutschland – häufig mit Unterstützung von Stiftungen und Unternehmen sowie in Kooperation mit der Arbeitsvermittlung, sodass am Ende eine berufliche Position stand. Kein Europäer soll sich in einem europäischen Land als Fremder fühlen!

Klaus-Dieter Lehmann
Klaus-Dieter Lehmann ist Präsident des Goethe-Instituts
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