DDR-Geschichte anhand von Denkmälern

Der Umgang mit Monumenten nach 1989

In Berlin, in Leipzig, in Erfurt, in Halle, in Schwerin … – überall in den neuen Bundesländern finden sich noch Zeugnisse der DDR in Form von Denkmälern und Monumenten. Sie sind Teil der Stadtgeschichte, sie sind Projektionsfläche für persönliche Erfahrungen, sie sind Diskussionsgegenstand und Anstoß zur Auseinandersetzung mit der DDR. Theresa Brüheim spricht mit dem Historiker David Johst über den Umgang mit DDR-Denkmälern nach 1989.

 

Theresa Brüheim: Herr Johst, im letzten Herbst kam das aus 70.000 bunten Glasfliesen zusammengesetzte DDR-Wandmosaik „Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik“ nach der Restauration zurück an seinen ursprünglichen Standort am Moskauer Platz in Erfurt. Es wurde im Jahr 2012 durch das Engagement der Erfurter vor dem Abriss gerettet. Welche Bedeutung haben solche Kunstdenkmäler, die aus der DDR stammen, heute? Inwieweit stiften diese noch heute Identität in Ostdeutschland?
David Johst: Die Frage nach der Bedeutung lässt sich nicht pauschal beantworten. Allerdings werden viele dieser Denkmäler – auch das genannte Wandmosaik – nicht vordergründig als politische Denkmäler oder Symbole der SED-Herrschaft wahrgenommen. Sie sind Baudenkmäler aus einer bestimmten Zeit. Auch wenn die Bildsprache ähnlich ist, gibt es Unterschiede z. B. zu den Lenindenkmälern. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem solche Mosaike Gegenstand von Debatten waren. Aber sie werden zum Diskussionsgegenstand, wenn es darum geht, sie zu restaurieren. Dann steht die Frage im Raum: Sollen wir dafür Geld ausgeben? Das ist häufig der Punkt, an dem eine Diskussion stattfindet: Denn ist das überhaupt zeitgemäß?
Im Allgemeinen bieten viele politische Denkmäler der DDR nach 1989 eine Projektionsfläche für lebensgeschichtliche Erfahrungen. Gerade für ältere Menschen, die die DDR-Zeit noch bewusst miterlebt haben, gehören die DDR-Denkmäler und -Straßennamen noch zu ihrer gewohnten Lebensumgebung. Sie erinnern sie an ihren Alltag, an ihre Sozialisation in der DDR. Das heißt, sie lösen nicht unbedingt sofort nur negative Gefühle aus, sondern sind Teil der lokalen Stadtgeschichte

 

In einem früheren Beitrag für Politik & Kultur haben Sie zum Thema geschrieben, dass sich im Gegensatz zu anderen Ländern des früheren Ostblocks der Zorn der DDR-Bevölkerung nach der Friedlichen Revolution vor allem gegen die Stasi-Zentrale und die Berliner Mauer richtete – weniger gegen Denkmäler. Wenn dann doch ein Denkmal fiel, wie kam es dazu?
Für spontane Denkmalstürze, die nicht politisch initiiert oder geplant waren, gibt es nur ganz wenige Beispiele. Die meisten Denkmäler fielen durch politischen Entschluss – z. B. das Denkmal der revolutionären Arbeiterklasse, das sogenannte Fäuste-Monument, in Halle. In Halle findet sich aber auch ein Beispiel für einen seltenen spontanen Denkmalsturz: das Denkmal des kleinen Trompeters, ein zentraler Gedenkort der DDR-Pionierorganisation. Dieses Denkmal wurde umgestürzt und mit Farbe überzogen. Allerdings ist es hier schwierig, eine klare Grenze zwischen Vandalismus und politischem Akt zu ziehen. Aber diese spontanen Stürze von DDR-Denkmälern sind wirklich absolute Ausnahmen.
Interessant ist, dass die meisten dieser Denkmäler nicht unmittelbar nach der Wende verschwunden sind, sondern meistens fünf, zehn, zwölf Jahre später. Oftmals gaben größere Bauvorhaben den Ausschlag, plötzlich stand das Denkmal – wie im Falle der Halleschen Fäuste – im Wege. Selten gab es dazu eine wirkliche gesellschaftliche Debatte. Ausnahmen bilden die Denkmalkommissionen in Berlin und Schwerin.

 

Inwieweit gab es über die geplante politische Entscheidung hinaus weitere gemeinsame Charakteristika für die damaligen Denkmalstürze?
In Deutschland nach 1989 – vor allem in den 1990er und 2000er Jahren – lassen sich Muster erkennen: Wie beschrieben, gab es zuvor eine politische Entscheidung, es wurde im Stadtrat debattiert und beschlossen. Die Denkmalbeseitigungen waren nicht spontan, der Volkszorn hat sich nicht kurzfristig entladen. Ein anderes auffälliges Charakteristikum ist, dass überwiegend Lenindenkmäler entfernt wurden. Gleiches gilt auch für andere Denkmäler, die sich auf die DDR-Geschichte bezogen. Beispielsweise gab es in Merseburg ein Bodenreformdenkmal oder in Berlin ein Denkmal für die Kampfgruppen und für die getöteten Grenzsoldaten. Die sind auch schnell verschwunden.
Es stellt sich die Frage, was ist der Unterschied zwischen einem Thälmann- und Lenindenkmal? Thälmanndenkmäler und andere Denkmäler, wie das genannte Fäuste-Monument in Halle, sind Denkmäler, die zwar in der DDR errichtet wurden, aber auf eine Tradition rekurrieren, die über die DDR hinausgeht – nämlich auf die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Bei den Lenindenkmälern fehlt diese Verbindung, sie wurden und werden eher als „Fremdkörper“, als oktroyiert wahrgenommen. Hinzu kommt, dass sich von der Person Lenin aus leichter eine Verbindung zu den Verbrechen des Stalinismus herstellen lässt. Andererseits war das Verhältnis zur Sowjetunion in der DDR aus historischen Gründen nicht so problematisch wie beispielsweise in Polen. Das erklärt vielleicht auch die etwas größere
Gelassenheit im Umgang mit den Lenindenkmälern. Einige davon
stehen heute noch.
Ein letztes Muster, das sich abzeichnet, hat mit der Topografie zu tun: Nach politischen Umbrüchen kann man in allen Gesellschaften eine symbolische Neuordnung des Raumes verzeichnen. Auch in der DDR wurden nach 1945 Denkmäler beseitigt und neue geschaffen. Beispielsweise gibt es viele Denkmäler für die Opfer des Faschismus, die schon in den 1950er Jahren entstanden und an Orten errichtet wurden, an denen früher Kriegerdenkmäler standen. Nach 1989 wurden vor allem die Denkmäler an zentralen Orten entfernt. Wieder das Beispiel des Fäuste-Monuments in Halle: Es stand am zentralen Platz, dem heutigen Riebeckplatz. Ich vermute, dass das Denkmal, hätte es an einem anderen, weniger zentralen Ort gestanden, 2003 nicht verschwunden wäre. Je zentraler der Platz eines Denkmals, desto umstrittener ist es zumeist.

David Johst & Theresa Brüheim
David Johst ist Historiker an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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