Eine unverzichtbare Errungenschaft

Gesetzliche Vergütungsansprüche gemeinsam durchsetzen
Neben der soeben erwähnten „Privatkopieschranke“ gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Schrankenregelungen, die bestimmte Nutzungen gesetzlich erlauben, gleichzeitig aber einen Vergütungsanspruch vorsehen. Bei einigen von ihnen gehen individuelle vertragliche Lizenzvereinbarungen zwischen Verlag und Nutzer der Schrankenregelung vor. Das ist beispielweise bei Intranetnutzungen an Schulen und Hochschulen, der Nutzung von elektronischen Leseplätzen oder dem Kopienversand auf Bestellung der Fall. Sollten die Verlage nicht mehr über die VG WORT an den gesetzlichen Vergütungen beteiligt werden, ist zu erwarten, dass vermehrt individuelle Lizenzvereinbarungen mit Nutzern abgeschlossen werden. Soweit das der Fall ist, können keine gesetzlichen Vergütungsansprüche mehr über die VG WORT abgewickelt werden; eine Beteiligung der Urheber auf kollektiver Ebene ist damit ausgeschlossen.

 

One-stop-shop
Nutzer und Vergütungsschuldner sind in aller Regel daran interessiert, bei Gesamtverträgen, Rahmenverträgen oder Lizenzvereinbarungen mit möglichst wenigen Verwertungsgesellschaften zu verhandeln. Das erleichtert und beschleunigt Vertragsabschlüsse und Tarifaufstellungen ganz erheblich. Insbesondere ist so sichergestellt, dass für Werknutzungen in einem bestimmten Bereich intern abgestimmte Vergütungen geltend gemacht werden und nicht unterschiedliche Verwertungsgesellschaften unterschiedlich hohe Vergütungssätze fordern. Sollten die Verleger ihre Rechte durch eine eigene Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lassen, so steigt die Gefahr deutlich an, dass einvernehmliche Gesamtlösungen schwieriger werden, der Rechtsweg beschritten werden muss und neue Nutzungsformen blockiert werden. Ein interner Interessenausgleich innerhalb einer Verwertungsgesellschaft ist deshalb gerade aus Nutzersicht von großem Vorteil. Für die Berechtigten wiederum ist es wichtig, wenn Vergütungszahlungen schnell geleistet werden und nicht erst nach Jahren des „Durchprozessierens“.

 

Solidarisches Verhalten
Es geht in der allgemeinen Diskussion häufig unter: Der Verlegeranteil bei der VG WORT kommt nach dem bisherigen Verteilungsplan einem erheblichen Umfang sozialen und kulturellen Zwecken zugute. Zum Beispiel bei der Bibliothekstantieme für Ausleihen in wissenschaftlichen Bibliotheken: Der Autorenanteil wird ausgeschüttet, der Verlegeranteil fließt dagegen komplett in den Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT und wird dort vor allem für Druckkostenzuschüsse verwendet. Zum Beispiel bei der Presse-Kopiervergütung: Der Verlegeranteil wird fast vollständig an die Zeitungs- und Zeitschriftenverbände BDZV und VDZ ausgeschüttet und kommt dort journalistischen Ausbildungszwecken zugute. Z. B. beim Autorenversorgungswerk: Die Zuweisungen seitens der VG WORT werden aus den gesamten Einnahmen finanziert. Berechtigt zur Teilnahme am Autorenversorgungswerk sind aber – wie der Name bereits sagt – nur Autoren. Zum Beispiel beim Sozialfonds: Auch dieser Fonds wird aus den Gesamteinnahmen gespeist, Unterstützung erhalten aber vor allem in Not geratene Autoren.

 

Gemeinsame Plattform
Nicht zu unterschätzen ist auch, welche Vorteile eine gemeinsame „Plattform“ VG WORT bietet. Hier sitzen Autoren und Verlage in Gremien und Arbeitsgruppen zusammen und es gibt stets die Gelegenheit, das eine oder andere Problem, das nichts mit der VG WORT zu tun haben muss, „am Rande“ zu klären. Ein erheblicher Pluspunkt ist auch die Kombination von Kreativen und Kaufleuten. Für die sehr positive Fortentwicklung der VG WORT in den letzten Jahrzehnten sind die ehrenamtlich tätigen Verleger in gleicher Weise verantwortlich wie die ehrenamtlich tätigen Autoren.

 

Historische Perspektive
Ein Abschied von der gemeinsamen kollektiven Rechtewahrnehmung für Autoren und Verlage wäre eine Rückkehr in die frühen fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals gab es bereits eine Autorenverwertungsgesellschaft, die Gesellschaft zur Verwertung literarischer Urheberrechte (GELU). Diese scheiterte nicht zuletzt wegen der Auseinandersetzungen mit den Verlagen, die sich von der GELU nicht vertreten fühlten. Die damals gemachten Erfahrungen führten unmittelbar zu der Gründung der VG WORT, in deren Satzungspräambel es seit 1958 heißt: „Die Entwicklung des Urheberrechts erfordert den Zusammenschluss der Wortautoren und ihrer Verleger zu einer Gesellschaft, die die Verwertungsmöglichkeiten wahrnimmt. Der Einzelne kann insbesondere nicht mehr alle Nutzungen seiner Rechte überwachen und die ihm zustehenden Erträgnisse einziehen. Die dieser Gesellschaft zu übertragenden Rechte werden als gemeinsame Rechte der Berechtigten verwaltet und die Einnahmen nach einem festzulegenden Verfahren verteilt (Verteilungsplan).“ Es wäre eine rechtspolitische Tragödie, wenn diese erfolgreiche und freiwillig gewählte Gemeinschaft von Autoren und Verlegern nur deshalb scheitert, weil es nicht gelingt, eine verlässliche rechtliche Grundlage zu schaffen. Den Absichtserklärungen der Politik, so sehr sie zu begrüßen sind, müssen jetzt konkrete gesetzgeberische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene folgen.

 

Der Artikel ist zuerst in Politik & Kultur 4/16 erschienen.

Robert Staats
Robert Staats ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort und Vorsitzender des Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrates.
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