Hochladen, verlinken, einbetten

Verwertungsrechte II

Das zentrale Recht für Nutzungen im Internet ist das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“. Dieses Recht ist im internationalen, europäischen und nationalen Urheberrecht seit Langem anerkannt. Dennoch treten immer wieder Zweifelsfragen auf, ob bestimmte Nutzungen oder Techniken als öffentliche Zugänglichmachungen anzusehen sind. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und der deutschen Gerichte, die sich mit der Thematik befassen. Es geht dabei für die Gerichte stets darum, die Interessen der Urheber und Rechtsinhaber mit den Interessen der Nutzer abzuwägen und in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Ob dies immer gut gelingt, ist eine andere Frage und hängt – natürlich – auch von der Perspektive des Betrachters ab. Im Folgenden einige – ausgewählte – Beispiele:

 

Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Internet hochlädt, macht es öffentlich zugänglich und bedarf in der Regel der Einwilligung des Rechtsinhabers. Das gilt in gleicher Weise für Anbieter von Streaming-Plattformen wie Netflix oder Spotify, für Teilnehmer von „Peer to Peer“-Netzwerken oder für Inhaber einer eigenen Website. Dieser Grundsatz dürfte mittlerweile auch allseits bekannt sein. Weniger bekannt ist aber möglicherweise, dass eine Einwilligung auch dann erforderlich ist, wenn das genutzte Werk zuvor von dem Rechtsinhaber selbst auf einer anderen Internetseite frei zur Verfügung gestellt wurde. So hatte eine Schule in Nordrhein-Westfalen auf ihrer Website das Referat einer Schülerin veröffentlicht, das eine im Internet frei verfügbare Fotografie der Stadt Cordoba enthielt. Da eine Zustimmung des Fotografen nicht vorlag, ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) von einer Urheberrechtsverletzung ausgegangen (EuGH, Urteil vom 7.8.2018 – C-161/17).

 

Das „Verlinken“, also das Setzen eines Hyperlinks, wird dagegen für sich genommen nicht als öffentliche Zugänglichmachung angesehen. Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits sehr früh – im Jahr 2003 – entschieden (BGH, Urteil vom 17.7.2003 – I ZR 259/00) und daran hat sich aufgrund der Rechtsprechung des EuGH im Ergebnis auch wenig geändert. Allerdings kann das Verlinken auf ein rechtswidrig ins Netz gestelltes Werk ebenso eine Urheberrechtsverletzung sein, wie das Setzen eines Links auf Seiten, die durch technische Maßnahmen gegen einen freien Zugriff geschützt sind.

 

Vergleichbare Fragen wie beim Verlinken stellen sich auch beim sogenannten „Framing“, bei dem geschützte Werke, die auf einer Internetseite zur Verfügung stehen, auf der Seite eines Dritten „eingebettet“ werden. Derzeit liegt dem EuGH ein Fall vor, in dem die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst von der Deutschen Digitalen Bibliothek verlangt hat, lizenzierte Bilder mit technischen Schutzmaßnahmen gegen Framing zu schützen. Ein solcher Anspruch kommt nach Ansicht des BGH aber nur in Betracht, wenn Framing unter Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Das Gericht hat deshalb dem EuGH diese Frage zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 25.4.2019 – I ZR 113/18).

 

Wie aber verhält es sich bei dem Angebot von „gebrauchten“ E-Books auf einem Internetportal? Hier hat der EuGH im Dezember 2019 entschieden, dass ein zustimmungsbedürftiger Akt der öffentlichen Zugänglichmachung vorliegt (EuGH, Urteil vom 19.12.2019 – C-263/18). Dieses Urteil war mit besonderer Spannung erwartet worden, weil sich die Frage stellen konnte, ob nach dem ersten Verkauf von E-Books die Werke frei weiterverbreitet werden dürfen – sogenannte „Erschöpfungswirkung“. Bei körperlichen Werkexemplaren, wie gedruckten Büchern, tritt eine solche Erschöpfungswirkung stets ein, wenn sie mit Einwilligung des Rechtsinhabers in Verkehr gebracht worden sind. Bei digitalen Werken hat der EuGH dies zu Recht anders gesehen.

 

Die Frage der Vergleichbarkeit der Nutzung von analogen und digitalen Werken stellte sich auch beim sogenannten „E-Lending“, bei dem ein E-Book von Bibliotheken für einen bestimmten Zeitraum einem einzelnen Nutzer zur Verfügung gestellt wird. In diesem Fall hat der EuGH – für einige überraschend – die Nutzung nicht dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung zugeordnet, sondern dem Verleihrecht (EuGH, Urteil vom 10.11.2016 – C-174/15). Automatisch erlaubt war das E-Lending damit allerdings nicht. Denn auch beim Verleihrecht ist die Einwilligung des Rechtsinhabers erforderlich, wenn nicht eine gesetzliche Ausnahmeregelung Anwendung findet. Das ist in Deutschland bisher für das E-Lending nicht der Fall; lediglich die Ausleihe von körperlichen Werkexemplaren ist aufgrund der Erschöpfungswirkung zulässig und mit der Bibliothekstantieme zu vergüten.

 

Ein Akt der öffentlichen Zugänglichmachung liegt schließlich auch vor, wenn urheberrechtlich geschützte Werke auf YouTube, bei Facebook oder auf sonstigen Social-Media-Plattformen von Nutzern hochgeladen werden. Fehlt es dabei an der Einwilligung des Rechtsinhabers und liegt auch keine freie Benutzung oder gesetzliche Erlaubnis vor, so handelt es sich um eine Urheberrechtsverletzung des Nutzers. Umstritten war aber stets, inwieweit die Plattformen selbst eine Verantwortlichkeit für rechtswidrig zur Verfügung gestellte Inhalte trifft. Hier hat der europäische Gesetzgeber in der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt – „DSM-Richtlinie“ –, die vor einem Jahr verabschiedet wurde, eine wichtige Regelung geschaffen, auf die in einem späteren Beitrag noch näher einzugehen sein wird.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Robert Staats
Robert Staats ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort und Vorsitzender des Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrates.
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