Staatsstiftung für das Ehrenamt: Zurück in die Vergangenheit

CDU/CSU und SPD planen Staatsstiftung für das Ehrenamt

 

Nicht besser wird es, wenn es um die Beschreibung des Stiftungszweckes in Paragraph 2 bzw. insbesondere die Erfüllung des Stiftungszweckes in Paragraph 3 geht. Da ist unter anderem die Rede von „Service-Angeboten im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamts“, von der „Vernetzung von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“, von begleitender Forschung im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes und, natürlich nicht zu vergessen, zur Förderung von Innovationen, insbesondere von digitalen Innovationen.

 

Man fragt sich beim Lesen des Gesetzesentwurfs, ob Zerstörungswille oder einfach nur Unwissenheit am Werk war. Einige der genannten Aufgaben werden seit nunmehr 17 Jahren erfolgreich vom BBE ausgeführt. Das BBE dient gerade der Vernetzung von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Seine trisektorale Struktur trägt ihm dies schon qua Satzung auf und die Vernetzung wird in der praktischen Arbeit mit Leben gefüllt. Warum soll hier eine Parallelstruktur geschaffen werden oder soll es dem BBE ans Leder gehen? Forschung zum bürgerschaftlichen Engagement ist zum Glück fester Bestandteil der Forschungslandschaft. Weitere Förderung täte gut, doch warum eine neue Struktur dafür schaffen. Und ob sich bürgerschaftlich Engagierte vor Ort, die konkret Rat suchen, an eine staatliche Stiftung in Neustrelitz wenden, denn dort soll die Stiftung nach dem Willen von CDU/CSU und SPD ihren Sitz haben, sei dahingestellt.

 

Eine große Enttäuschung ist ferner, dass offenbar gar nicht mehr an eine Förderstiftung analog der Kulturstiftung des Bundes gedacht wird, sondern nunmehr eine operativ tätige Staatsstiftung auf den Weg gebracht werden soll, die von Neustrelitz aus das Feld bestellen soll. Bedauerlich ist auch die Zusammensetzung des 19-köpfigen Stiftungsrats, gerade einmal neun Mitglieder soll die Zivilgesellschaft stellen, schön aufgeteilt nach Einflusssphären des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat, des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die nämlich die Vertreter der Zivilgesellschaft nach ihrem Gusto benennen. Wo bleiben hier Kultur, Bildung, Natur- und Umweltschutz, Entwicklungspolitik usw.? Das zuvor zumindest als Feigenblatt vorgesehene Kuratorium, um eine größere Beteiligung der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, wurde ganz fallen gelassen. Alles in allem bleibt der Gesetzesentwurf weit hinter den Erwartungen zurück und es stellt sich die Frage, ob die Stiftung überhaupt sinnvolle Arbeit leisten kann.

 

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte schon einmal eine Stiftung, seiner Zeit zur Stärkung des Ehrenamts, aus der Taufe gehoben, die „Stiftung Bürger für Bürger“. Zu den Stiftern gehörte die damalige Familienministerin Claudia Nolte, heute Claudia Crawford. Diese Stiftung krankte an der unzureichenden Einbindung der Zivilgesellschaft und damit der mangelnden Akzeptanz. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verlor 1998 nach dem Regierungswechsel sichtbar das Interesse an diesem Kind der Vorgängerregierung und machte der Stiftung das Leben schwer – nicht zuletzt durch Austrocknen der Förderung.

 

Die Koalition und die Bundesregierung wären gut beraten, bevor ein neuer Rohrkrepierer auf den Weg gebracht wird, die Expertise aus der Zivilgesellschaft einzuholen, bestehende Strukturen nicht zu doppeln und eine echte Förderstiftung zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements auf den Weg zu bringen. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn einige der heute Verantwortung tragenden Politikerinnen und Politiker sich den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2002 durchlesen würden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2019-01/2020.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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