Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern haben es deutlich gemacht, der Westen folgt dem Osttrend und macht die rechtsextremen Parteien hoffähig. Ich denke, man hätte zumindest verhindern können, dass die Extremen sich heute auf dem Weg zu einer »Volkspartei« befinden. Politik muss sich in einer Demokratie erklären, sie muss auch schwierige Sachverhalte offenlegen. Wie kann man z. B. das Thema Migration, das oft als Grund für den Erfolg der AfD genannt wird, so besprechen, dass auch die Ängste und Sorgen in der Bevölkerung berücksichtigt werden und trotzdem das verbriefte Recht auf Asyl nicht infrage gestellt wird? Und auch die Medien müssen sich selbst kritisch befragen. Wie oft war allein die Migration Thema in Talkshows, Dokumentationen, Nachrichtensendungen? Warum wird die extreme AfD trotzdem möglicherweise bundesweit bald auf dem zweiten Platz stehen, in einigen Bundesländern im Osten vielleicht sogar bald die stärkste Partei sein?
Überall in Europa, wo die rechtsextremen Parteien bereits Regierungsverantwortung übernommen haben, wie in Polen, Ungarn, Italien, ist der Kulturbereich das erste Opfer der politischen Neuausrichtung. So unterschiedlich die rechten Parteien in Europa auch sind, in einem sind sie sich einig: Eine Freiheit der Kunst wird es in ihrem Verantwortungsbereich nicht geben. Zuerst werden die Leitungen der Kultureinrichtungen ausgetauscht, dann werden missliebige Künstlerinnen und Künstler ausgegrenzt. In Polen könnte der rechte Spuk vielleicht bald zu Ende gehen. Die extreme PiS ist bei der Wahl in Polen zwar stärkste Kraft geworden, verfehlte aber die absolute Mehrheit im Parlament. Die Opposition könnte ein gemäßigtes Regierungsbündnis bilden. Ein Hoffnungszeichen. Doch lange konnte man sich über die Nachricht nicht freuen. Nach dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem von der Hamas aufgezwungenen Krieg im Gaza-Streifen bricht sich der Extremismus in Deutschland noch weiter Bahn. Radikale Migranten hetzen offen gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass wie während des Faschismus in Deutschland Häuser, in denen Jüdinnen und Juden leben, mit dem Davidstern markiert werden. Das ist unerträglich und absolut inakzeptabel. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass in Deutschland wie im Faschismus ein Brandanschlag auf eine Synagoge verübt wird. Nichts rechtfertigt diese Untaten.
Die Extreme in den Parlamenten und auf deutschen Straßen nehmen erschreckend zu. Unsere Bemühungen, sie einzudämmen, waren bislang erfolglos. Wir brauchen eine neue Strategie gegen jede Form des Extremismus.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2023.