Demokratie, Toleranz und Vielfalt – Rede auf der Auftaktkundgebung der Demonstration „Europa für Alle“ am 19.05.2019 in Berlin

Als Präsidentin des Deutschen Kulturrates vertrete ich die Interessen der Künstler und Kulturschaffenden.

 

Kunst und Kultur gehören in der Regel zu den schönen Dingen des Lebens!

 

Dennoch muss gesagt werden:
Kultur kann gleichermaßen verbinden wie ausgrenzen!
Denn Kultur wird von Menschen, von uns allen gemacht!
Und dies sollte uns bewusst sein: Wir gestalten Kultur, die Regeln, wie wir miteinander umgehen und miteinander leben!
Demokratie, Vielfalt, Kunst- und Meinungsfreiheit sind Werte, die in Europa in der Vergangenheit mühsam erkämpft wurden!
Darum ist es wichtig, richtig und gut, dass heute, eine Woche vor der Europawahl, in sieben Städten tausende Menschen auf die Straße gehen und ihre Stimme erheben für:

 

Ein Europa für alle!

 

Ein Europa, das heute für Demokratie, Vielfalt und Meinungsfreiheit steht!
Kulturelle Vielfalt ist dabei nicht einfach nur ein Schlagwort, sondern kulturelle Vielfalt bedeutet
•    eine Vielfalt an Sprachen, Sprachenvielfalt ist ein Schatz in Europa,
•    eine Vielfalt an Musikkulturen,
•    eine Vielfalt an Literatur, an Tanz und vielem mehr.

 

Im letzten Jahr, im Europäischen Kulturerbejahr, wurde diese Vielfalt im baulichen Erbe und im Denkmalschutz sichtbar.

 

Hier wurde sichtbar, dass deutsche Baukultur von niederländischen, von italienischen, von griechischen und von maurischen Einflüssen geprägt ist.
Kulturelle Vielfalt ist überall in Europa zu spüren, zu erfahren, zu hören.
Europa ist ein Kontinent der seit hunderten von Jahren von Einwanderung und von Auswanderung geprägt ist.

 

Es ist ein Kontinent, den in früheren Jahrhunderten Menschen aus Abenteuerlust und viel mehr noch aus blanker Not verlassen mussten.
Tausende sind damals als Wirtschaftsflüchtlinge aus den europäischen Ländern in die neue Welt gezogen.

 

Heute sind wir der Sehnsuchtskontinent vieler Menschen.

 

Wir sind ein Sehnsuchtskontinent, weil es vielen Ländern in Europa wirtschaftlich gut geht. Das gilt besonders für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

 

Viele Mitgliedstaaten sind aber noch aus einem anderen Grund ein Sehnsuchtsort, in ihnen herrscht Rechtsstaatlichkeit.

 

Zur Demokratie gehört unabdingbar die Rechtsstaatlichkeit!
•    Niemand darf einfach so in das Gefängnis geworfen werden.
•    Niemand darf gefoltert werden.
•    Jeder hat das Recht auf einen fairen Prozess und auf Rechtsbeistand.

 

In einigen Mitgliedstaaten werden diese Rechte in Frage gestellt. So wurde in Polen wurde die Unabhängigkeit der Justiz angetastet. Dem muss klar entgegen getreten werden.

 

Wir erwarten vom neuen Europäischen Parlament, dass es entschieden gegen die Einschränkung der Justiz in einzelnen Mitgliedstaaten vorgeht.
Wir erwarten von der neuen Europäischen Kommission, dass sie klare Kante zeigt, gegenüber Mitgliedstaaten die Grundrechte nicht achten.

 

Zur Demokratie gehört ebenso die Kunst- und Meinungsfreiheit!

 

Die Aufklärung wurde in Europa geboren. Aufklärung, Kunst- und Meinungsfreiheit sind untrennbar miteinander verbunden!

 

Heute müssen wir immer mehr feststellen, dass Menschen sich zwar auf die Aufklärung berufen, aber zutiefst intolerant sind, Kunst- und Meinungsfreiheit einschränken!

 

Menschen diskriminieren, die anders aussehen, die anders glauben, die anders sprechen, andere Meinungen vertreten.

 

Dieser Intoleranz treten wir entschieden entgegen!

 

Wir wollen ein aufgeklärtes Europa,
•    in dem kulturelle Vielfalt geachtet wird und
•    in dem unterschiedliche Lebensentwürfe ihren Platz haben.

 

Lasst uns darum gemeinsam für ein
•    Europa der Demokratie,
•    ein Europa der kulturellen Vielfalt und
•    ein Europa der Kunst- und Meinungsfreiheit streiten!

 

Geben wir den Demokraten in Europa unsere Stimme, die für diese gemeinsamen Werte eintreten!

 

Wir können Kultur in Europa gestalten!

Susanne Keuchel
Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.
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