Rede von Olaf Zimmermann bei der Buchvorstellung von „Wachgeküsst – 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998 – 2018“

 

Mir war bei der Planung des Buches und in meinem Beitrag besonders wichtig herauszuarbeiten, dass die Bundeskulturpolitik nicht erst im Jahr 1998 begonnen hat. Ich greife daher zurück und stelle die Bundeskulturpolitik in den Kontext der Gründung der Bundesrepublik, die noch im Schatten der Vergiftung der Kulturpolitik durch die Nationalsozialisten stand. Es ist mehr als verständlich, dass nach 1945 noch eine lange Zeit eine große Skepsis gegenüber der Kulturpolitik bestand. Zu sehr hatten sich Künstler und Kultureinrichtungen in den Dienst nehmen zu lassen. Zu gefügig sind sie der NS-Kulturpolitik gefolgt.

 

Der Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zeigt, wie aktuell dieses Thema ist. Ich bin dankbar, liebe Frau Staatsministerin Grütters, dass Sie ein besonderes Augenmerk hierauf richten und die Fördermittel deutlich aufgestockt haben. Die klaren Worte von Barbara Schneider-Kempf und Gilbert Lupfer in diesem Band zeigen, dass das Thema in den Kultureinrichtungen angekommen ist.

 

Die deutsche Einheit stellte die Kulturpolitik vor neue Herausforderungen. Im Einigungsvertrag wurde mit Artikel 35 die Grundlage für ein stärkeres Engagement des Bundes gelegt. Die CDU-geführten Bundesregierungen haben von 1990 bis 1998 ohne viel Federlesen ihre Kompetenzen deutlich ausgeweitet. Der Bund hat kulturpolitische Verantwortung übernommen. Klaus-Dieter Lehmann, Oliver Scheytt und Matthias Theodor Vogt setzen sich mit dieser Zeit auseinander.

 

Ich zeige in meinem Beitrag die Entwicklungslinien auf und arbeite heraus, dass die Forderung nach einer Bündelung der Kulturpolitik des Bundes im Jahr 1998 die Konsequenz aus einer stärkeren Kulturpolitik und Kulturverantwortung des Bundes nach der Wiedervereinigung war. Gerhard Schröder hat instinktsicher die Forderung im Wahlkampf 1998 aufgegriffen und mit Michael Naumann einen Kulturstaatsminister ausgewählt, der ohne Scheu und Vorbehalte bestehende Institutionen und scheinbar unumstößliche Aussagen infrage stellt. Der Begriff der Kulturhoheit als Verfassungsfolklore steht exemplarisch für dieses Infragestellen der bestehenden Begrifflichkeiten.

 

Es ist gut, dass diese Diskussion nun ausgestanden ist und die Länder 20 Jahre nach Gründung des BKM eine Kulturministerkonferenz gegründet haben. Sie wird am 1. Januar 2019 ihre Arbeit aufnehmen. Carsten Brosda, der in „Wachgeküsst“ ebenfalls einen Beitrag übernommen hat, wurde als Präsident gewählt. Ich bin gespannt auf die neue, selbstbewusstere Wahrnehmung der Kulturkompetenz der Länder.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
fast 500 Seiten umfasst das Buch „Wachgeküsst“. Es ist unmöglich, alle Aspekte hier aufzuführen und besonders alle Autorinnen und Autoren zu nennen. Und wahrscheinlich wird der eine oder der andere Leser feststellen, dass dieses oder jenes Thema intensiver behandelt werden sollte oder gar ganz fehlt. Ich habe bei der Planung des Buches und bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren immer wieder gedacht, dass diese oder jene Frage spannend wäre und eine vertiefte Betrachtung verdient hätte. Doch sollte der Band nicht 5.000 Seiten, sondern eigentlich nur 300 Seiten umfassen. Nun sind es knapp 500 geworden und ich hoffe, dass es ein guter Ausgleich zwischen Tiefe und Breite geworden ist und freue mich auf Reaktionen und Gespräche hierzu. In diesem Sinne wünsche ich allen eine spannende Lektüre!

 

Für Rückfragen stehen die anwesenden Autorinnen und Autoren und ich gerne bilateral zur Verfügung und lade Sie hiermit herzlich zu einem kleinen Imbiss ein. Lassen Sie uns auf die kommenden Jahre Bundeskulturpolitik anstoßen, mit einem sicher bald eigenständigen Bundeskulturministerium, auf neue wichtige kulturpolitische Debatten und natürlich auf viele neue geförderte Kunstprojekte im ganzen Land. Und natürlich auch auf das hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode umgesetzte Staatsziel Kultur im Grundgesetz. Die Enquetekommission hat es gefordert, der Deutsche Kulturrat will es schon lange und Sie Frau Grütters haben gestern in der Zeitung „Das Parlament“ gesagt, dass es jetzt Zeit für eine Umsetzung ist. Also viel zu tun….

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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