#OKBoomer

Wir werden eine generationsübergreifende Kraftanstrengung brauchen

Ich bin ein Babyboomer, gehöre also zu den geburtenstarken Jahrgängen in Deutschland zwischen 1955 bis 1964. Ich bin fast in der Mitte der „Generation der Vielen“, 1961, geboren. Aufgewachsen bin ich mit vier Geschwistern, die Schulklassen waren überfüllt, der Stellenmarkt war leergefegt. Die Boomer wurden notgedrungen zu Kämpfern, zum Ersten, weil sie in der großen Masse von Mitboomern sichtbar sein wollten, und zum Zweiten, weil sie ihren Platz im Berufsleben nur fanden, wenn sie sich gegen die vielen Mitbewerber durchsetzten.

 

Wir Boomer wurden gefolgt von der Generation X, geboren zwischen 1965 und 1979, und der Generation Y, den Millennials, geboren zwischen 1980 und 1993, und schließlich der Generation Z, geboren zwischen 1994 und 2010. Die Generation X wurde in ihrer Kindheit von der Wirtschaftskrise in Deutschland und den Veränderungen des Familienbildes, Stichwort Scheidungskinder, geprägt. Generation Y ist bereits im Internetboom und der Globalisierung aufgewachsen, Z ist die Generation, die in eine digitalisierte Welt hineingewachsen ist.

 

Ein richtiger Boomer hält X, Y, Z für verweichlichte Generationen, weil sie nicht denselben Überlebenskampf wie die Masse der Boomer ausfechten mussten oder müssen. Als eine Gegenreaktion hat sich das Internet-Meme „#OKBoomer“ etabliert, weil die jüngeren Generationen zeigen wollen, dass sie sich von uns Boomern heftig genervt fühlen. Man könnte das Meme mit „Spinn dich aus“ oder „Ja, ne, ist klar“ übersetzen.

 

Was so lustig daherkommt, beschreibt einen tieferen Generationskonflikt. Die Vielen, also wir, die Boomer, werden von vielen Jüngeren als eine Bedrohung wahrgenommen. Wir besetzen die wichtigen Schaltstellen der Macht und bestimmen in vielen Bereichen, wo es langgeht, und wenn wir dann doch in Rente sind, sollen die wenigen Jungen uns auch noch durchfüttern.

 

Natürlich haben X, Y, Z den Boomern viel zu verdanken. Gerade im Kulturbereich haben die Boomer für eine bis dahin nicht dagewesene Verbreitung und für den Ausbau des Kulturangebotes gesorgt.

Aber wir haben den nachfolgenden Generationen auch viele Probleme ungelöst überlassen. Die Klimakrise wurde von den Boomern massiv unterschätzt, die Globalisierung hat zu verhängnisvollen Abhängigkeiten geführt und selbst den neuen Krieg in Europa haben wir nicht verhindern können.

 

#OKBoomer ist zwar lustig, löst die Probleme aber nicht. Wir werden wohl eine generationsübergreifende Kraftanstrengung brauchen, wenn wir die Probleme in Griff bekommen wollen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/22.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
Vorheriger ArtikelEnergiekrise: Kulturbereich steht vor drittem Ausnahmewinter
Nächster ArtikelExtrawurst für die Kultur?