Hilfe aus Brüssel

Maßnahmen zur Unterstützung der Kultur- und Kreativwirtschaft

Es ist für uns alle keine Neuigkeit, dass uns das Jahr 2020 vor ungeahnte Herausforderungen gestellt hat. Dies gilt insbesondere für die Bereiche, die der Ausschuss für Kultur und Bildung im Europaparlament vertritt. Bildungseinrichtungen aller Art mussten ihre Türen schließen und schnell auf vollen Online-Betrieb umschalten. Mit Sorge müssen wir beobachten, dass teils unzureichende Ausrüstung, Konnektivitätslücken oder ungenügende digitale Kenntnisse die Ungleichheiten in der Qualität der Bildung sowohl innerhalb als auch zwischen unseren Mitgliedstaaten vergrößert haben.

 

Außerdem mussten wir dabei zusehen, wie der Kultur- und Kreativsektor durch langfristige Schließungen von Theatern, Kinos und Museen sowie durch das Ende von Live-Events in die Knie gezwungen wurde. Die Pandemie stellt eine existenzielle Bedrohung für viele Künstler und Kreativunternehmen dar. Ähnliches gilt auch für die Medienbranche. Ein lebendiger und gesunder Mediensektor ist essenziell, um eine solide und kritische Berichterstattung in Zeiten wachsender Desinformation zu gewährleisten. Unser Ausschuss hat in den letzten Monaten daran gearbeitet, auf diese Herausforderungen hinzuweisen und sich dafür einzusetzen, dass EU- und nationale Unterstützungsprogramme diejenigen Menschen und Unternehmen erreichen, die dringend Hilfe benötigen.

 

Ab dem 1. Januar 2021 steht nun ein beispielloses Konjunkturpaket zur Verfügung, um Europa wieder auf die Beine zu helfen. Wir haben darauf gedrängt, dass die Mittel auch die Bereiche Bildung, Kultur, Medien, Jugend und Sport erreichen, und wir werden genau darauf achten, dass die Mittelverteilung in den Mitgliedstaaten diesen Anforderungen gerecht wird.

 

In den letzten Tagen des vergangenen Jahres haben wir mithilfe der deutschen Ratspräsidentschaft außerdem erfolgreich die Vereinbarungen über die künftigen Programme Erasmus+, Kreatives Europa und Europäisches Solidaritätskorps mit dem Rat erzielt. Dank unserer Bemühungen erhielt das neue Programm Erasmus+ eine Aufstockung um 2,2 Milliarden Euro im Vergleich zur Einigung des Europäischen Rates im Juli 2020. Das Programm wird nun inklusiver sein können, offen für mehr und für neue Gruppen von Menschen, die digitale und grüne Agenda unterstützen und neue Initiativen erproben können. Das Programm »Kreatives Europa« wird dank der Hartnäckigkeit des Parlaments ebenfalls erheblich aufgestockt und bietet somit mehr Unterstützung für den Kultur- und Kreativsektor als je zuvor. Dies ist durchaus ein positiver Schlusspunkt für ein Jahr, dass uns allen viel abverlangt hat.

 

Im neuen Jahr heißt es nun, der Krise und ihren Folgen mit konkreten Maßnahmen entschieden entgegenzutreten. Hier ist die Europäische Union gemeinsam mit den Mitgliedstaaten in der Pflicht, auch den Kultur- und Kreativsektor gestärkt aus der Krise zu führen. Das Parlament hat die Kommission dazu aufgefordert, die Sektoren klar über eine breite Palette von gemischten Finanzierungsquellen zu informieren, die dem Kultur- und Kreativsektor und der Industrie zugutekommen können.

Einige Maßnahmen, die auf EU-Ebene durchgeführt werden, um die Kultur- und Kreativsektoren konkret zu unterstützen, sind weiterhin:

 

Maßnahmen des Programms Creative Europe

Das Programm »Creative Europe« wurde an die neuen Gegebenheiten angepasst, die der Ausbruch von Corona mit sich gebracht hat. Gemeinsam mit der Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur wendet die Kommission bei der Umsetzung des Programms innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Rahmens ein Höchstmaß an Flexibilität an

 

Kooperationsprojekte zur Unterstützung der bedürftigsten Sektoren

Mit einer Gesamtsumme von 48,5 Millionen Euro ist die Aufforderung zur Einreichung von Kooperationsprojekten 2020 der umfangreichste Teil des Teilprogramms Creative Europe Kultur. Von den 380 förderfähigen Vorschlägen wurden 20 größere und 93 kleinere Kooperationsprojekte zur Finanzierung ausgewählt, und ein erster wesentlicher Teil des Budgets erreicht den Sektor über die Vorfinanzierungsraten. Die Projekte haben eine Laufzeit von bis zu vier Jahren. Diese Kooperationsprojekte werden von allen Arten von Organisationen aus dem Kultursektor durchgeführt und bieten den beteiligten Künstlern, Organisationen und kreativen Fachleuten die dringend benötigte Unterstützung. Mit einer klaren europäischen Dimension ergänzen diese Projekte effizient die auf nationaler Ebene ergriffenen Sofortmaßnahmen.

 

Unterstützungsprogramm von Werken der darstellenden Kunst

Die Coronakrise hat ein anderes Licht auf das im Rahmen des Arbeitsprogramms 2020 entwickelte Förderprogramm für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Werken der darstellenden Künste geworfen. Zwei Themen haben an Bedeutung gewonnen: die Auswirkungen der Mobilität auf die Umwelt und die Rolle der digitalen Kultur. Die Ausschreibung mit einem Budget von 2,5 Millionen Euro wurde am 19. Juni 2020 mit einer Frist bis zum 31. Juli 2020 veröffentlicht. Die Bewertung wird derzeit abgeschlossen. Die siegreichen Projekte sollten die Aktivität nun beginnen, sodass die Gelder ab Frühjahr 2021 die darstellenden Kunstunternehmen, Veranstaltungsorte und Festivals erreichen können.

 

Zusätzliche Mittel für das Übersetzungsprogramm

Die Europäische Union hat beschlossen, das Budget der Ausschreibung 2020 für die Übersetzung europäischer Bücher im Rahmen von Creative Europe um eine Million Euro von 3,6 Millionen Euro auf 4,6 Millionen Euro aufzustocken. Als Ergebnis wurden 74 Projekte von europäischen Verlegern ausgewählt. Zusammen werden sie mehr als 1.120 Bücher aus 40 verschiedenen europäischen Ländern übersetzen und fördern, so dass die Vielfalt der europäischen Literatur allen Bürgern, auch denen, die in nicht urbanen und weniger zentral gelegenen Regionen leben, zugänglich gemacht werden kann.

 

Musik bewegt Europa

Im Zusammenhang mit der vorbereitenden Maßnahme 2019 zur Musik wurden die Fristen für zwei Ausschreibungen zur Einreichung von Vorschlägen in den Bereichen Musikerziehung und Co-Kreation bis Ende April 2020 verlängert. Darüber hinaus wurde im Juli 2020 eine Ausschreibung zum Thema Musikexport veröffentlicht, die neu ausgerichtet wurde, um der neuen, durch die Coronakrise entstandenen Situation Rechnung zu tragen.

 

Europäische Kulturhauptstädte

Rijeka und Galway 2020, die diesjährigen Kulturhauptstädte Europas, sind stark von der Coronakrise betroffen. Beide mussten alle Veranstaltungen seit März 2020 verschieben oder absagen. Die Pandemie hat auch zu großer Unsicherheit in fast allen Bereichen der Vorbereitung auf die Kulturhauptstädte Europas 2021 geführt. Vor diesem Hintergrund hat das Parlament entschieden, Rijeka und Galway die Möglichkeit zu geben, ihr Titeljahr bis zum 30. April 2021 zu verlängern. Damit werden die drei europäischen Kulturhauptstädte 2021 bis 2022 Novi Sad in Serbien und 2023 Timisoara in Rumänien und Elefsina in Griechenland verschoben.

Sabine Verheyen
Sabine Verheyen ist Vorsitzende des Kulturausschusses des Europäischen Parlamentes.
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