Geldwäsche: Der Druck auf den Kunsthandel wird weiter verschärft

Pascal Decker im Gespräch

Der Berliner Anwalt und Kunstförderer Pascal Decker bietet mit anderen eine App gegen Geldwäsche auf dem Kunstmarkt an. Er ist jedoch überzeugt, dass der Kunsthandel nicht besonders anfällig dafür ist.

 

Ludwig Greven: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kunsthändlern zu helfen, Geldwäsche im Kunstmarkt zu verhindern?

Pascal Decker: Der europäische Gesetzgeber hat die Entscheidung getroffen, ab dem 1. Januar 2020 die Verpflichtungen der Geldwäscheprävention auf den Kunstmarkt auszuweiten. Für uns war sofort klar, dass das die Möglichkeiten der anwaltlichen Beratung überdehnt. Sie können eine Galeristin, die auf einer Kunstmesse an ihrem Stand ein Kunstwerk verkaufen möchte, nicht aus der Ferne dabei unterstützen, die sogenannte „Know-your-costumer“-Prüfung durchzuführen. Notwendig war eine Lösung, die laufend auf alle Veränderungen, sei es Aktualisierungen der entsprechenden Länderliste, Gesetzesänderungen oder Sanktionen, flexibel, schnell und rechtssicher reagiert. Daher haben wir gemeinsam mit Kerberos Compliance das Joint Venture „legeARTIS“ gegründet.

 

Dazu gehört eine App mit gleichem Namen. Wie funktioniert die?

Mit der App können Galeristen jederzeit und überall die vom Gesetz geforderte Kundenidentifizierung einfach und digital ohne lästigen Papierkram durchführen. Gerade auf Messen ist dies ein klarer Vorteil. Wir erstellen für unsere Kunden auch Risikoanalysen, schulen Mitarbeiter und agieren, wo gesetzlich gefordert, als externe Geldwäschebeauftragte.

 

Gegen Geldwäsche auch im Kunsthandel vorzugehen, erscheint sinnvoll. Weshalb hatten Sie dennoch Vorbehalte dagegen?

Bevor der Kunstmarkt dem europäischen Geldwäschegesetz unterworfen wurde, waren Kunstvermittler zwar auch schon verpflichtet, auf Verdachtsmomente zu achten. Das galt jedoch nur bei Barzahlungen. Dies wurde überraschend über Nacht im letzten Entwurf der Richtlinie gestrichen. Seitdem werden bereits bargeldlose Transaktionen ab 10.000 Euro voll erfasst. Kunsthändler müssen also fast immer ihre Kunden nicht nur anhand von Personaldokumenten und Recherchen identifizieren, sondern auch Risikoanalysen durchführen, alles dokumentieren und sogar Verdachtsfälle melden. Wir waren besorgt, da wir es einerseits als unzulässigen Generalverdacht empfinden, nur den Kunsthandel ausdrücklich dieser Pflicht zu unterwerfen. Damit drückt der Gesetzgeber einer ganzen Branche den Stempel auf, besonders anfällig für Geldwäsche zu sein. Andererseits war uns bewusst, dass die gesetzlichen Anforderungen in keiner Weise den Besonderheiten des Kunstmarktes Rechnung trugen, sei es bei Auktionen oder bei Messeverkäufen, und dass daher die neuen Vorschriften das Risiko bargen, das Kaufverhalten der Sammler zu verändern oder sogar die Struktur des gesamten Handelssystems zu gefährden, wenn Galeristen und Auktionshäuser vor der Belastung durch die strengen Vorschriften kapitulieren würden.

 

Sind denn Fälle bekannt, dass auf dem Kunstmarkt kriminelle Gelder gewaschen werden?

Alle Studien belegen, dass es da keinen systematischen Missbrauch gibt. Dennoch werden alle nationalen Gesetzgeber den Druck auf den Kunsthandel weiter verschärfen.

 

Wer steckt hinter den bekannt gewordenen Fällen?

Die Fälle, die auftreten, betreffen zum einen ein organisiertes komplexes Netzwerk aus Kriminellen, die ihre illegal erwirtschafteten Gelder aus Erpressung, Drogen- und Menschenhandel in den regulären Wirtschaftskreislauf einschleusen möchten. Aber auch Geschäftsleute, die nicht versteuerte Einkünfte „reinwaschen“ möchten, können das über Transaktionen im Kunstmarkt versuchen. Ein Gastronom, der eine schwarze Kasse hat, ist natürlich versucht, das Geld irgendwie umzusetzen. Wenn er einen Künstler findet, der ihm ein Werk bar überlässt, hat er damit ein handelbares Gut in der Hand anstelle unversteuerten Geldes.

 

Gibt es einen Schwarzmarkt für Kunstwerke, und wie will man den kontrollieren?

Definitiv. Auch hier kann man aber nur spekulieren, denn naturgemäß sieht man nur die zufällig aufgedeckten Fälle. Generell ist der Handel mit gestohlener Kunst, mit Artefakten, die illegitim aus Ländern geraubt wurden, oder Kunstwerken, die von den Nazis geraubt wurden, heute schwieriger denn je. Kein seriöser Händler und kein Auktionshaus werden sich mit solchen Kunstwerken, die beispielsweise im Art Loss Register vermerkt sind, die Finger verbrennen. Einem Kunstwerk, das mittels Schwarzgeld gekauft wurde, sieht der Handel seine „Illegalität“ hingegen nicht an. Daher ist der Gedanke, möglichst den Erwerb mit Schwarzgeld durch Vorabkontrollen zu unterbinden, durchaus nachvollziehbar.

 

Sie sind selbst Kunstsammler und haben mehrere Kulturstiftungen und -sammlungen geleitet. Sind Ihnen Angebote begegnet, bei denen Sie den Verdacht hatten, dass sie nicht korrekt waren?

Ich habe immer wieder Angebote angeblicher „Blue Chips“-Kunst erhalten, die auf dem Markt eigentlich überhaupt nicht mehr vorkommt, weil alle bekannten Stücke in festen Händen sind. Man erkennt sehr schnell, dass das nichts taugt. Dann gibt es Fälle, in denen ein ahnungsloser Sammler geschädigt wird, indem ein bekanntes Werk aus seiner Sammlung wieder und wieder von zweit- und drittklassigen Händlern zum Verkauf angeboten wird, ohne dass es kommissioniert wurde. Zahlreiche Sammlungen werden überdies über sehr ausgefeilte Gesellschaftsformen mit Sitz in Steuerparadiesen gehalten. Auch da bin ich stets besonders aufmerksam.

 

Konnten Sie schon Klienten vor unsauberen Geschäften bewahren?

Das ist Teil unserer täglichen Arbeit. Wir schützen unsere Kunden nicht nur vor dem Missbrauch durch Geldwäscher, sondern auch vor Reputationsverlusten und hohen Bußgeldern, indem wir dafür sorgen, dass alle rechtlichen Verpflichtungen eingehalten werden. Kunden reagieren schockiert, wenn gegen sie ermittelt wird. Das geschieht schnell, sobald die Behörden dem Verdacht nachgehen, es seien beispielsweise gesetzliche Dokumentationspflichten verletzt worden. Dieser Schock belegt nach meiner Überzeugung, dass der Kunsthandel ganz überwiegend vollkommen gutgläubig handelt.

 

Worauf sollten Sammler, Museen und Galeristen achten?

Es gibt klassische Verdachtsmomente, bei denen besondere Vorsicht geboten ist. Dazu gehört beispielsweise, dass die Art des Geschäfts nicht zum Kunden und dessen vermuteten wirtschaftlichen Verhältnissen passt. Auch wenn ein Kunde den persönlichen Kontakt meidet, ist das ein Alarmsignal. Gern wird auch versucht, nach Abschluss des Vertrags die Rechnung plötzlich auf eine andere Person ausstellen zu lassen. Wenn die wahre Identität verschleiert wird oder der Käufer keine Kenntnis von oder kein Interesse an dem Kunstwerk hat, gibt das ebenfalls zu denken.

 

Haben nach Ihrer Einschätzung Polizei, Zoll und die entsprechenden europäischen Behörden wie Europol das Problem im Griff?

Es besteht ein Flickenteppich in der EU mit unterschiedlichen Umsetzungen der Verordnung sowie unzureichender Kooperation zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden. Das geht regelmäßig zulasten des deutschen Kunstmarkts, weil die europäischen Richtlinien hier immer besonders akkurat umgesetzt und überwacht werden.

 

Versuchen russische Oligarchen aufgrund der gegen sie erlassenen Sanktionen im Rahmen des Ukraine-Krieges Kunstwerke auf dem internationalen Markt legal oder illegal zu verkaufen?

Mir ist aus meiner eigenen Praxis kein konkreter Fall bekannt. Dennoch halte ich es für vollkommen plausibel, dass Oligarchen, die aufgrund der Sanktionslisten illiquide sind, versuchen werden, Sachwerte wie Kunstwerke zu versilbern. Im Gegensatz zu Yachten sind die ja fungibel. Der seriöse Handel wird sich aber auch da nicht die Finger verbrennen wollen, da eine ordentliche Provenienzrecherche heute unabdingbar zur „Due Diligence“ des Handels gehört.

 

Nach dem US-Einmarsch in den Irak und während des Terrorkriegs des IS im Irak und Syrien sollen viele geraubte antike Kunstschätze von dort in andere Länder verkauft worden sein. Auch dagegen wurden digitale Mittel verwendet, um den Kunstschätzen und den Händlern auf die Spur zu kommen. Konnten einige aufgespürt werden?

Die genauen Umstände sind unklar. Die Unesco erweckt vielfach den Eindruck, dass in bedeutendem Umfang geraubte antike Kulturschätze zur Finanzierung von Terror eingesetzt worden sind. Dafür gibt es jedoch bislang kaum Anhaltspunkte. Selbst der UN-Sicherheitsrat stellt das infrage. Andererseits gab es Rückgaben unschätzbarer Kunstschätze, die während der Kolonialzeit über verschlungene Pfade ihren Weg in die Welt fanden. Es gibt in diesem Bereich noch viel Handlungsbedarf. Die Rückgaben konnten auch durch digitale Dokumentation und Nachverfolgung von Transaktionen umgesetzt werden. Dazu gehört natürlich der Wille und die Kooperationsbereitschaft von Ländern, in denen diese Kulturschätze auftauchen.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/22.

Pascal Decker und Ludwig Greven
Pascal Decker ist Anwalt in der Kanzlei dtb in Berlin und Aufsichtsratsvorsitzender der artnet AG. Bis 2018 war er geschäftsführender Vorstand der Stiftung Brandenburger Tor. Ludwig Greven ist freier Publizist.
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