Digitalpakt 2.0

Skizze für den Aufbau analog-digitaler Bildungslandschaften

Die Corona-Pandemie zeigte die Dringlichkeit digitaler Transformation von Bildungsprozessen. Der Digitalpakt Schule mit einer Fördersumme von 5 Milliarden Euro sollte ein Schritt in diese Richtung sein. Der Mittelabruf innerhalb der 16 Bundesländer verlief bisher eher schleppend. Eine Ursache wurde in der Notwendigkeit der Einreichung eines Medienkonzepts der Schulen als Grundvoraussetzung für eine Mittelbeantragung gesehen. Aber vielleicht war es vielmehr der technokratische Ansatz der Digitalisierung von Bildung innerhalb des Programms, der mit dafür verantwortlich gewesen ist, dass die digitale Transformation von Schule bisher nicht gelungen ist.

 

Kultivierung statt Technisierung

 

Der Begriff „Digitalisierung“ vermittelt den Eindruck, es gehe um eine Technisierung von Schule. Es existiere eine Technik, die nur konsequent angewendet werden müsse, innerhalb des bestehenden Systems!
Es ist jedoch nicht allein Technik, die eine digitale Transformation von Bildung gewährleistet. Es bedarf auch einer pädagogischen Anwendung der digitalen Technik, sozusagen eine „Kultivierung“, eine „Urbarmachung“ von Technik, das Schaffen von technischen Bedingungen, die „pädagogisches“ Wachstum gewährleisten. Dieser Prozess steht noch in den Anfängen. Ein Fehler war daher die Annahme, ein Medienkonzept für die (Aus-)Gestaltung von formalen Bildungsprozessen sei schnell zu entwickeln, ein weiterer Fehler war die einseitige isolierte Perspektive auf das Digitale. Hier wäre es sinnvoller gewesen, mit dem Konzept der „Digitalität“ statt dem der „Digitalisierung“ zu arbeiten.

 

Digitalität statt Digitalisierung

 

„Digitalität“ unterstreicht den längst existierenden Zustand einer analog-digital strukturierten Gesellschaft. In diesem Sinne bedarf es einer analog-digitalen Transformation von Bildungsprozessen, die neben dem Digitalen immer auch das Analoge mit ihren jeweiligen Stärken in den Blick nimmt. Digitalität ist somit kein Add-on, sondern es bedarf einer Reorganisation von Bildungsprozessen in ihrer Gesamtheit. Eine einfache Duplizierung analoger Bildungsprozesse ins Digitale kann sogar nachteilig sein. Stattdessen sollten sehr konkret die Vorteile des Analogen wie des Digitalen genutzt werden, beispielsweise die digitale Loslösung von Zeit und Raum sowie interaktive Prozesse zur Unterstützung individueller Lernprozesse. Entscheidend ist dabei, dass analog-digitale Schnittstellen geschaffen werden, die Synergieeffekte ermöglichen. Notwendig ist auch die Betrachtung der analogen Bedingungen für digitale Teilhabe, hier nicht nur eine intakte WLAN-Verbindung, sondern beispielsweise auch Lärmpegel oder ergänzende technische Ausstattung im analogen Raum der Lehrer und Schüler zu berücksichtigen. Dies verdeutlicht, dass die Entwicklung eines Digitalitätskonzeptes für Bildung zeitintensiv ist, schon im Vorfeld einer technischen Ausstattung sowie Fortbildungen und Unterstützung von Partnern bedarf, die seit Längerem in pädagogischen Kontexten mit der Schnittstelle analog-digital experimentieren, beispielsweise die kulturelle (Medien-)Bildung.

 

Analog-digitale Bildungslandschaften

 

Im Zuge der Ganztagsentwicklung wurden zunehmend Bildungspartnerschaften und der Aufbau von kommunalen Bildungslandschaften vorangetrieben. Diese wurden im Digitalpakt Schule in keiner Weise berücksichtigt. Dabei beinhaltet Digitalität hohe Potenziale für einen fruchtbaren Ausbau von Kooperationen, beispielsweise individuelle digitale Besichtigungen des Beethovenhauses oder des Technikmuseums im Musik- bzw. Physikunterricht; Berufsschulen, die sich digital mit Forschungseinrichtungen vernetzen und live mit Entwicklern z. B. über Robotertechnik diskutieren. Ähnliches gilt für analog-digitale Kooperationen mit Musikschulen, Jugendkunstschulen, Landesmedienanstalten oder Bibliotheken. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Digitalpakt 2.0 nicht nur Schule, sondern alle Kultur- und Bildungseinrichtungen miteinbezieht und dabei von Beginn an auf Kooperationen setzt und analoge Raumkapazitäten kooperativ mitdenkt. Dies hätte in Pandemiezeiten den Vorteil, digital vernetzte Schulklassen beispielsweise zu gemeinsamen Themen in Arbeitsgruppen aufteilen zu können, wobei eine im Museum, die andere in der Schule und die dritte in der Bibliothek Informationen zusammenträgt.

 

Was ist zu tun?

 

Ein Digitalpakt 2.0 sollte folgende Bausteine konsequent berücksichtigen:
• Ausweitung eines Digitalpakts 2.0 auf non-formale Bildung, hier vor allem Kultur- und Bildungseinrichtungen
• Unterstützung des Ausbaus formaler und nonformaler digitaler Infrastrukturen
• Unter der Voraussetzung der Vorlage eines zweijährigen Kooperationsplans zwischen formalen und non-formalen Kultur- und Bildungspartnern zur Erarbeitung eines gemeinsamen Digitalitätskonzeptes
• Begleitende Weiterbildungsoffensive für formale und nonformale
Bildungspartner bei der Entwicklung des Digitalitätskonzeptes
• Einbeziehung kultureller (Medien-)Bildungspartner bei der Ausgestaltung analog-digitaler Schnittstellen

 

Entscheidend für den Erfolg eines Digitalpakts 2.0 sind zusammengefasst die Leitmotive „Digitalität“ und „Bildungslandschaften“.

 

Ebenso entscheidend für eine umfassende Bildungstransformation ist der gemeinsame ressortübergreifende Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2020.

Susanne Keuchel
Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.
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