Rheinland-Pfalz: Kulturpolitik mit der Ampel

Rheinland-Pfalz und seine kulturpolitischen Herausforderungen

Von Landesseite aus sagt sich das leicht. Selbst kleine Gemeinden sind in Rheinland-Pfalz verschuldet. Der Veranschaulichung wegen einfach mal das Beispiel Jockgrim in der Südpfalz: 7.500 Einwohner und 14,5 Millionen Euro Schulden! Jockgrim hat viele Naherholungsgebiete und wenig Gewerbeflächen. Ergo hat die Kommune wenige Einnahmen. Lang, lang ist’s her, als in Jockgrim 1989 ein internationales Bildhauersymposium stattfand und ein Teilstück des Skulpturenwegs Rheinland-Pfalz geschaffen wurde. Nein, an solche künstlerisch-professionellen Kultur-Highlights ist dort derzeit nicht zu denken. Vorrangig bestimmen – auch das ist gut, richtig und wichtig – Ehrenamt und Laienkunst die Kultur in jener Ortsgemeinde, so bei der 750-Jahr-Feier letztes Jahr. Das Ziegeleimuseum vor Ort, Träger ist die Verbandsgemeinde, würde gern mehr machen und die Öffnungszeiten erweitern. Doch es fehlt am Budget. So sieht’s aus. Und nun kommt der Appell aus der Ampel-Koalition: Investiert auch in Kultur! In der Koalitionsvereinbarung auf Seite 131 formuliert liest sich das so: „Aus diesem Grund stellt eine nachhaltige Finanzierung von Kultureinrichtungen und kulturellen Aktivitäten für die Kommunen eine freiwillige, aber unverzichtbare Aufgabe dar, die auch in schwierigen Haushaltslagen möglich sein muss.“

 

So hört sich ein gemeinsamer Nenner an, auf den sogar Marion Schneid von der CDU zählt, wobei sie schon mal anmerkt: „Die Regierungskoalition hat aber die herausragende Bedeutung der Kulturförderung nicht konkret hinterlegt. Sie haben keine Beispiele genannt, wo sie mehr Gelder reingeben oder mehr Förderung anbieten würden“, kritisiert Marion Schneid. Einzig die Zusammenarbeit zwischen Musikschulen und Erziehern sei hierbei genannt worden, damit mittels der Weiterbildungsstaffel „Muki – Kinder singen und musizieren“ eine bessere musikalische Vorbereitung von Kindern im Kindergartenalter forciert werden kann. Schneid: „Das ist ohne Zweifel wichtig, war mir aber für einen Koalitionsvertrag zu wenig. Was den Bereich Bildung angeht, war viel mehr als in der Kultur genannt.“

 

Auch Helga Lerch gibt zu, dass die kulturpolitische Ausrichtung angesichts der Haushaltslage jetzt zaghaft angelaufen ist. Aber: Das rein pragmatische Vorgehen kann auch Vorteile mit sich bringen, sodass man nicht leeren Versprechungen hinterherjagt. Auch was die Kulturförderung im Einzelnen angeht, muss man sich zunächst einmal orientieren und die Kulturförderins­trumente überprüfen. Lerch: „Wir haben die Kulturstiftung des Landes im Auge, die sehr projektbezogen und auch institutionell fördert und Stipendien vergibt. Die Kulturstiftung wollen wir weiter pflegen und ausbauen. Wichtig ist uns die Verzahnung von Bildung und Kultur.“

 

Tatsächlich gab und gibt es auch in Rheinland-Pfalz viele Initiativen zur kulturellen Bildung, auch mit Kindern und Jugendlichen. Das Problem: Viele Projekte hatten Modellcharakter und erhielten dadurch eine Anschubfinanzierung. Wenn nun diese Mittel verzehrt sind, fehlt den Kulturmachern die Perspektive für die Zukunft. Hier Transparenz und eine gewisse gerechte Ordnung zu schaffen, wäre ein hehres Ziel für das gesamte Bundesland. „Kulturförderung ist dabei wie eine Tischdecke, an der jeder zieht“, drückt es Marion Schneid metaphorisch aus: „Nur wird die Tischdecke dadurch nicht größer.“ Ob als langfristiges Vorhaben ein landesweit zu verabschiedendes Kulturfördergesetz hier helfen würde, mag die Abgeordnete heute noch nicht einschätzen. Durch ein neues Gesetz kommt ja nicht mehr Geld in die Kasse, wird das Tischtuch auch nicht größer. Innerhalb wie außerhalb der Koalition gilt, dass das letzte Wort das Finanzressort hat, damit Sparen und Ausgeben im ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

 

Unterdessen wird die Landesregierung ein wichtiges Vorhaben forcieren: Die sogenannten SchUM-Städte, so werden in jüdischen Quellen die drei Rheinstädte Speyer, Worms und Mainz bezeichnet, sollen in die UNESCO Welterbe-Liste aufgenommen werden. Speyer, Worms und Mainz sind kulturgeschichtlich seit dem frühen Mittelalter für das nordeuropäische Judentum von großer Bedeutung. Das jüdische Ritualbad in Speyer oder der große jüdische Friedhof in Worms sind z. B. wichtige Kulturdenkmale, die an diese Vergangenheit erinnern. Helga Lerch befürwortet den Antrag des Landes und der SchUM-Städte voll und ganz: „Das würde jüdische Geschichte im Selbstverständnis des Landes Rheinland-Pfalz gut verankern“, sagt sie. Die Bemühungen zur Aufnahme ins Welterbe laufen bereits seit 2012, eine endgültige Entscheidung der UNESCO wird frühestens 2019 erwartet.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 5/16 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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